Mittwoch, 10. September 2008

Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 2)

Eier sind etwas ganz Besonderes. Nicht nur, dass es ohne Eier kein ordentliches Frühstück gäbe, keine Spätzle und keinen Kuchen, nein auch außerhalb der Küche sind sie, besonders aus Sicht unseres Themas Genetik etwas ganz Besonderes. Warum?
Nun wie bereits im 1. Teil erwähnt, besitzt jede einzelne Zelle einer Taube einen kompletten Bauplan des Taubenorganismusses, unterteilt in einzelne "Kapitel", den Chromosomen und den darin enthaltenen zig tausend Genen. Dabei setzt sich dieser Bauplan zusammen aus 40 Chromosomen, die vom Vater stammen und 40 Chromosomen, die von der Mutter stammen. Sie bilden 40 Chromosomen-Paare. Und die Mischung der Informationen vom Bauplan des Vaters und vom Bauplan der Mutter ergeben den Bauplan des neuen Tieres, des Jungtieres.


Was vor und während der Paarung passiert
Doch wie kommt es konkret dazu, dass gerade 40 Chromsomen vom Vater sich mit 40 Chromosomen der Mutter zusammen tun, und das diese sich dann auch wieder 40 passende Chromosomen-Paare bilden?
Nun als erstes ist es so, dass sowohl ein Ei (besser gesagt eine Eizelle), als auch ein Spermium nur einen halben Chromosomen-Satz hat. Das meint, sie haben jeweils 40 einzelne Chromosomenstränge, also keine Chromosomenpaare! Somit sind sie im Unterschied zu den anderen Körperzellen ganz besondere Zellen, die daher auch einen besonderen Namen tragen. Es sind die sogenannten Keimzellen oder auch Gameten genannt (nein hat nix mit Astronomie zu tuen :-)).

Diese Keimzellen enstehen in einem besonderen Reifeprozeß, der beim Weibchen in den Eierstöcken und beim Männchen in den Hoden stattfindet. Der Prozeß verläuft über mehrere Stufen, und wird unter dem Fachwort (für alle die Fremdworte lieben, sei es gesagt)
Meiose zusammengefaßt. Die Details sind hier nicht so wichtig, doch das Ergebnis ist wichtig, um Vererbung zu verstehen.



Stellen wir uns daher vereinfacht ein Tier mit nur zwei Chromosomen vor. Das Chromosom 1 ist im Bild gerade dargestellt. Das Chromosom 2 ist im Bild krumm dargestellt. Und jedes Chromosom liegt paarweise vor. Wir haben jedes Chromosom mit einem Strang vom Vater (blau) und einem Strang von der Mutter
(rot) vorliegen. Dieses Tier würde nun wie beschrieben Keimzellen bilden (also die Männchen Spermien, die Weibchen Eier) die nur halbe Sätze enthalten. Und dabei wären im Ergebnis die oben in der Bildmitte dargestellten jeweils vier halbe Chromosomen-Sätze in den Spermien/Eier denkbar. Aus diesen jeweils vier verschiedenen Spermien und vier verschiedenen Eiern wären dann 16 verschiedene Kombinationen möglich (zähle einfach die grauen Striche in der Bildmitte, welche die möglichen Kombinationen darstellen). Diese Kombinationen entstehen dann bei der Befruchtung des Eies durch das Spermium in der Verschmelzung der jeweiligen einzelnen Chromosomen zu neuen Chromosomen-Paaren. Die so neu entstandene erste Zelle des neuen Lebewesens/des Kindes nennt man auch Zygote.

Im Bild sind drei Beispiele dieser Kombinationen dargestellt. Sie zeigen also mögliche Kombinationen des Erbgutes von Vater und Mutter im Kind. Allen Kombinationen ist gemein, dass sie IMMER die exakte Hälfte eines jeden Chomosomen-Paares des Vaters und der Mutter beinhalten. Es können sich auf diesem Wege also nie z.B. vier krumme Chromosomen (oder vier gerade) in einem Kind zusammenfinden. Allerdings kann es sein, dass Erbanlagen die von der Großmutter väterlicherseits stammen (knallrote Chromosomen im Bild) in den Kindern der Eltern nicht mehr auftauchen (siehe erstes und zweites Beispiel). Das ist dann "Pech" für die Großmutter.

Wir lernen also schon an diesem noch recht simplen Beispiel zwei wichtige Dinge für die Taubenzucht:
a) Dass sich durch die Paarung der Eltern manigfaltige Möglichkeiten der Kombination des Erbgutes bei den Kindern ergeben. Hier, bei nur zwei Chromosomen waren es bereits 16 Möglichkeiten. Bei 40 Chromosomen sind es 1.208.925.819.614.629.174.706.176 Möglichkeiten (1,2 Quadrillionen!).Es ist also kein Wunder, dass wir aus einem Zuchtpaar NIE zwei gleiche Jungtiere züchten!

b) Im Durchschnitt befindet sich in den Kindern zwar zu 1/4tel Erbinformation von den jeweils vier Großelternteilen, doch dies ist nur der Durchschnittswert. Es kann auch mal ein "Großelter" etwas stärker vertreten sein, als die anderen drei. Das ein Großelter praktisch ganz aus dem Erbgut eines Kindes "herausfällt" ist aber wegen der großen Anzahl an Chromosomen (40) extremst unwahrscheinlich und daher praktisch unmöglich. Dennoch können wir nie sicher sein, welche Chromosomen der Großeltern denn nun im Kind angekommen sind, und welche schließlich nicht.
Somit wird auch leicht verständlich warum ein Enkel oder gar ein Ur-Enkel einer besonderen Taube in der Zucht nicht nicht besonders geeignet ist, um die besonderen Eigenschaften dieser Taube in die Zucht einzuführen.Denn es ist zu 75% wahrscheinlich (zu 87,5% beim Urenkel), dass in dem verbliebenen 1/4tel (oder 1/8tel beim Urenkel) einzelne, wichtige Erbinformationen des Vorfahren gar nicht mehr enthalten sind!



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