Samstag, 13. Dezember 2008

Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 12)

Da habe ich noch in meinem letzten Blog die Beitragsqualität der Zeitschrift "Die Brieftaube" gescholten, und dann lese ich heute in der 49/08 wiederum einen Beitrag zum Thema Zucht und noch dazu einen, wie ich finde sehr guten. Die Überschrift des Artikel lautet "Männergespräche" und gibt im wesentlichen ein Gespräch der Autorin mit den zwei Züchter-Ikonen Harry Tamsen und Günter Prange wieder.

Ich finde den Artikel sehr gut, weil er die Erfahrungen zweier sehr erfahrener Züchter zum Thema Zucht wiedergibt, und dabei einige sehr hilfreiche Schlüsse gezogen werden. Und dazu gibt der Artikel ein hervorragendes Beispiel dafür ab, wie wir Informationen, die wir von Spitzenzüchtern, Taubenexperten, Zuchtexperten, Blog-Schreibern :-) oder wem auch immer erhalten, bewerten sollten: Neugierig, offen, doch immer auch kritisch! (wie gesagt, das gilt im selben Umfange auch für meine Blogbeiträge, lieber Leser!)

Harry Tamsen hat in dem Artikel Manches, sehr wahres gesagt, wie ich finde:
1. Wenn man Durchschnittstauben mit sehr guten Tauben verpaart, kommt dennoch nie etwas sehr gutes dabei heraus!
2. Schwarmfliegen welches Tauben durch Auflass in kleineren lokalen Gruppen lernen, mag Verluste minimieren, ist aber auf Dauer der Anforderung, dass sich unsere Tauben vom Schwarm trennen müssen, nicht förderlich. In der Konsequenz sind also Auflässe in größeren Verbunden anzustreben.
3. Häufiges Umpaaren hilft beim identifizieren der "vererbungsstarken" Tauben. Und nur mit diesen sollte man bevorzugt weiterarbeiten.

Darüber hinaus war ich aber insbesondere von Günter Prange beeindruckt. Allem voran, weil er sich mit seinen Aussagen zurückgehalten hat, selbst wenn manche Aussage von Harry Tamsen an der einen oder anderen Stelle geradezu zum Widerspruch eingeladen hat. Doch was er gesagt hat, hatte Gewicht. Insbesondere, finde ich, ist seine Äußerung hervorzuheben,
dass der Charakter eine extrem wichtige und im übrigen vererbliche Eigenschaft von Tauben ist, die bei der Selektion Berücksichtigung finden muss, denn er macht die wirklich gute Taube aus. Ich für meinen Teil fasse unter diesem Begriff solche Dinge wie Neugierigkeit, Lernfähigkeit, Revierverhalten und Brutverhalten zusammen. Mit dem Wort "Dickköpfigkeit", dass Harry Tamsen an dieser Stelle ins Spiel brachte, kann ich persönlich jedoch nicht so viel anfangen, da ich es schwer finde Dickköpfigkeit und mangelndes Lernvermögen sauber zu trennen. Auch weitere Hinweise von Günter Prange fand ich sehr wertvoll, wie z.B. dass man seinen Bestand nicht aufblähen sollte, damit man nicht den Überblick, das Zuchtziel aus den Augen verliert und dass Geduld sehr wichtig ist und dass vieles auch bei ihm einfach nur Glück war.


Kritikfähigkeit erhalten
Aber wie bereits erwähnt, der Artikel ist auch deshalb sehr gut, weil er deutlich zeigt, dass wir die Informationen, die wir über unseren Sport von Anderen erhalten, immer kritisch prüfen müssen, selbst wenn diese von solchen Züchter-Ikonen stammen.

Konkret:
Harry Tamsen ist sehr generalisierend in manchen Aussagen, seine lange Erfahrung, wohl auch seine Erfolge mögen ein Anlass dafür sein. Aber sicher auch, da dass Gehirn des Menschen immer froh ist, wenn es Muster im Chaos erkennt, an die es sich halten kann. Und wenn ein Muster für uns plausibel ist, so stellt es für uns die "Realität" dar unter die wir vieles Einordnen, selbst wenn das nicht immer logisch und dadurch in der Folge auch nicht immer richtig ist.

So ist die erste Aussage Harry Tamsens, dass Durchschnittstauben mit sehr guten Tauben verpaart praktisch nie etwas sehr gutes ergeben, sicher aufgrund seiner Erfahrungen und Beobachtungen vieler Züchter entstanden, die er im Laufe der Jahrzehnte kennenlernte, und ist daher wertvoll. Doch ist seine Begründung, dass dieser Effekt wohl maßgeblich an der Inzucht schlechter Tauben liegt, die viele Züchter betreiben, ist nicht schlüssig. Es könnte ein Grund sein, wenn es so wäre, dass viele schlechte Züchter zu lange Inzucht im "eigenen Sud" betreiben würden. Doch müßten dann schon erhebliche Inzuchtgrade bei diesen Züchtern erreicht sein, damit diese Begründung greift. Aber tatsächlich versuchen doch auch die Erfolglosen immer wieder Neues einzuführen, nur eben erfolglos.

Dabei bietet die Populationsgenetik ein sehr gutes Erklärungsmodell für Tamsens Beobachtung und noch dazu ein wissenschaftlich belegtes! Bei den Leistungseigenschaften handelt es sich im wesentlichen um quantitative Eigenschaften, die durch ein Ansammeln von möglichst vielen guten Genen (fast immer sind dies rezessiv vererbte Allele
[Allel <-> Bezeichnung einer Genvariante] ) gesteigert werden können (siehe hierzu auch frühere Blogartikel dieser Reihe). Ein rezessives Allel kommt nur zur Wirkung, wenn es reinerbig, also auf jedem der beiden Chromosomen eines Chromosomenpaares auftritt.

Der zerstörerische Einfluß des Mittelmaßes
Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Allel reinerbig (homozygot) in einer Population auftritt, hängt natürlich von der Häufigkeit dieses Allels in dieser Population ab, in der ich Paarungen zusammenstelle. Wenn die Population gut gemischt und groß genug ist, kann man den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit eines Allels und seiner Reinerbigkeit berechnen. Diese Berechnungsformel haben wir den Forschern Hardy und Weinberger zu verdanken. Und selbst wenn unsere Population nicht so pefekt gemischt ist, und relativ klein, gibt uns das Ergebnis dieser Berechnung dennoch einen guten Eindruck davon, wo hier das Grundproblem liegt:
Die rote Kurve zeigt, welcher Prozentsatz an Tieren ein Merkmal sichtbar zeigt, wenn wir ein einziges rezessives Allel betrachten. Wenn z.B. 50% aller Tiere dieses Allel in sich tragen, haben wahrscheinlich 25% aller Tiere dieses Allel reinerbig vorliegen und zeigen somit die zugehörige Eigenschaft. Erst bei über 70% Häufigkeit dieses Allels im Bestand zeigt wenigstens die Hälfte aller Tiere diese Eigenschaft.

Doch wir haben es ja mit vielen rezessiven Allelen zu tun, die eine Eigenschaft wie z.B. eine hohe Fluggeschwindigkeit bestimmen. Und wären es nur 10 Allele, die maßgebend für die besondere Qualität einer As-Taube wären, und diese 10 säßen auf 10 verschiedenen Chromosomen, so dass sie nicht "am Stück" vererbt würden, sondern unabhängig von einander, so folgt die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Tier alle Gene "wirken" können dem blaue Kurvenverlauf in der Grafik. Und der ist bemerkenswert!

Er zeigt, dass wir unter diesen, noch nicht einmal besonders schweren Rahmenbedingungen (es sind nämlich sicher mehr
als nur 10 Gene für eine As-Taube verantwortlich) eine Wahrscheinlichkeit von nur 0,1% haben nochmals so eine As-Taube zu züchten, selbst wenn alle Tauben in der Population alle diese wichtigen Gene mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% in sich tragen!! Selbst wenn bereits 70% aller Tauben diese wichtigen Gene tragen, lägen unsere Chancen auf eine As-Taube dieser Art bei gerade mal 2,8%. Hierdurch wird also sehr drastisch verdeutlicht, wie stark bereits eine nur geringe Verwässerung von sehr guten Erbanlagen in einem Bestand unsere Chancen auf guten Nachwuchs herabsetzen. Und genau deshalb darf man nur sehr sehr gute Ausgangstiere zur Zucht einsetzen und genau deshalb führt ein Einführen von Spitzentauben in eine Gruppe von mittelmäßigen Tauben praktisch nie zum Erfolg! Harry Tamsen hat absolut recht, nur aus einem ganz anderen Grund als er hier anführte.


Jährige Tauben und das Umpaaren
Eine andere, auch immer wieder zu lesende These ist es, dass aus jährigen Tauben besser gezogen wird, als aus älteren. In der mutigen Formulierung von Harry Tamsen wird hieraus sogar, dass bei den Spitzentauben eines Schlages mindestens ein Elterntier jährig war und dass die Eltern (Zitat) "nie" ähnlich gute Geschwister gebracht haben. Nun auch hier schlägt die Freude über eine durch Beobachtung gemachte Erfahrung Harry Tamsen wohl ein Schnippchen. Diese Beobachtung wird nicht nur zur Regel erhoben, sondern gilt schon gleich ausschließlich.

Als kritischer Taubenzüchter und Leser sollte man hier die Züchter-Ikone einfach ausblenden, und seinen Abstammungsordner aus dem Schrank holen:
Die Eltern des Rambo, einem Reise-As von van Dyck waren 4 und 5-jährig. Der Rambo brachte mit Het Laatje sowohl den Kannibaal als auch den Bourges. Beides Reise und Zucht-Asse. Hier waren die Eltern 2- und 5-jährig!
Der Stammvogel bei Joop Koch, der "Lichte Orleans" wurde 6.nat. As-Taube, sein Vater war 9-jährig, seine Mutter 2-jährig. Er selbst zog mit der "Dochter Belg" in fester Paarung über mehrere Jahre eine 1.nat As-Taube Kurzstrecke, eine 3. nat. As-Taube Mittelstrecke und eine 9.nat. As-Taube Mittelstrecke.
Die Eltern der Fieneke von Vervoort waren 4- und 3-jährig. Sie brachten aber auch noch die B-98-800, die bei Körner in Deutschland zu einer Topzuchttaube wurde.
König und Königin bei Andreas Drapa waren 4- und 5-jährig, als sie den 638 brachten, der 2002 1.As-Vogel in Deutschland wurde und sie waren schon 6- und 7-jährig, als sie mit dem 1020 einen weiteren 1.As-Vogel und Olympiasieger brachten.
Die Eltern des Figo von Reynaert waren bereits 7- und 4-jährig, doch brachten sie schon 5- und 2-jährig den Keizer, der ebenfalls 1.provinzielle As-Taube wurde und 14x1. Preise flog. Zudem brachten sie einige weitere Top-Zuchttauben, wie z.B. den "Kleine Figo" bei Bosua.
Die Autokoppel bei Bosua besteht aus zwei Tauben, die ebenfalls aus 6-,6-,5- und einer 4-jährigen gezogen wurden. Dieses Zuchtpaar brachte mehrere As-Tauben, wovon einige wie z.B. die Witkopje (bestes Jungtier NL) gezüchtet wurde, als die Eltern jeweils 5-jährig waren.

Ich will an dieser Stelle aufhören, sonst wird es langweilig, doch es ließe sich noch beliebig lange fortführen, wie jeder anhand von Abstammung berühmter Tauben selber nachvollziehen kann! Wie kann es also selbst bei einem so erfahrenen Züchter zu einer solchen Fehleinschätzung kommen? Nun ich glaube, so etwas passiert immer dann, wenn man sich statistische Effekte nicht bewußt macht. Im vorliegenden Falle: Fast alle Bestände haben einen großen Anteil an jährigen Tauben (oft die Hälte eines Bestandes). Daher ist es auch so, dass an sehr vielen Paarungen jährige Tauben beteiligt sind! Sie geraten also statistisch in Vorteil. Um sich ein Urteil zu bilden, muß man also nicht die Zahl der guten Tauben aus Paarungen mit jährigen Tauben beurteilen, sondern die Zahl solcher Tauben zunächst ins Verhältnis mit der Anzahl solcher Paarungen setzen. Und erst dann darf man diesen Quotienten mit dem entsprechenden Quotienten der Vergleichsgruppe vergleichen! Und wenn die jährigen Tauben eines Schlages nicht durch eine bessere Gesundheit im Vorteil sind, was bei einem durchweg gesunden Bestand nicht der Fall sein sollte, ist ganz klar zu erwarten, dass alle Altersgruppen in etwa gleich gut abschneiden, denn die Erbgesetze sind nicht altersabhängig (abgesehen von sehr , sehr seltenen Umwelteinflüssen auf das Erbgut, wie z.B. Mutationen oder Epigenetische Effekte)!

Und auch das seltene Auftreten von zwei Assen aus einem Paar ist doch wohl eher ein statistischer Effekt. Es ist eben schon selten, ein As aus einem Paar zu ziehen. Es ist noch einmal genauso selten, wenn ich ein zweites As aus dem selben Paar ziehe. Durch Umpaaren steigere ich aber diese Chancen nicht. Dies sagt uns die Populationsgenetik! Das Umpaaren ist davon abgesehen dennoch zur Identifizierung eines dominanten Vererbers sehr sinnvoll. Und hier würde ich Tamsen wiederum zustimmen.


Geschlechter vergessen!
An einer anderen Stelle verhaut es Harry Tamsen dann so richtig. Nämlich als er den weiblichen Nachkommen eines Vogels und den männlichen Nachkommen eines Weibchens unterstellt, sie würden jeweils 75% der Erbeigenschaften des jeweiligen Elterntieres führen. Natürlich ist das absoluter Blödsinn! Von den 40 Chromosomenpaaren des Tauben-Nachwuchses sind immer 40 Chromosomenstränge vom Vater und 40 Stränge von der Mutter.
Es zeigt aber sehr drastisch, wie sehr auch sehr gute und sehr erfahrene Taubenzüchter durch die einschläge Taubenliteratur und Überlieferungen zum Thema Zucht geprägt werden können. Immer wieder werden wissenschaftlich nicht haltbare Aussagen getätigt, die die Leistungseigenschaften bei Tauben im wesentlichen als geschlechtsgebunden vererbte ansehen (siehe auch meinen letzten Blogartikel).

Es gibt aber sogar einige Indizien dafür, dass die wesentlichen Leistungseigenschaften von Tauben NICHT geschlechtsgebunden vererbt werden! Wie ich zu dieser mutigen Aussage komme? Nun, mit "geschlechtsgebunden" ist ja gemeint, dass die Gene dieser Eigenschaften nur auf dem Z-Chromosom (davon trägt ein Vogel zwei, ein Weibchen eines) oder nur auf dem W-Chromosom (davon trägt einzig das Weibchen eines) vorkommen. Wenn es rezessive Eigenschaften wären, könnten diese Eigenschaften bei Vögeln nur Wirkung zeigen, wenn sie reinerbig vorliegt. Weibchen hingegen haben ja immer nur ein Z-Chromosom. Es kann also hier auch ein rezessives Merkmal welches auf diesem Chromosom liegt ausgeprägt werden, da ja der "Gegenpart" auf einem zweiten Z-Chromosom fehlt. In der Konsequenz hat dies Folgen auf die Häufigkeit, mit der so ein Merkmal zu tage tritt, es müßte sich nämlich bei Weibchen häufiger durchsetzen. Wenn nun wesentliche Leistungseigenschaften, welche rezessiver Natur sind, geschlechtsgebunden vererbt würden, müßten die Weibchen den Vögeln im Durchschnitt überlegen sein. Vergleicht man aber die AS-Punktzahlen der Bundes-AS-Tauben der letzten Jahre, so erkennt man jedoch, dass hier kein Unterschied in der Leistungsfähigkeit festzustellen ist!

Wenn aber nun wesentliche Leistungseigenschaften dominant und geschlechtsgebunden vererbt würden
(es braucht also nur ein Z-Chromosom oder nur das W-Chromosom Träger des Allels zu sein), würden sich diese dominanten Eigenschaften bei der leistungsbezogenen Selektion der Brieftauben bereits seit Jahrhunderten unterliegen bereits so stark durchgesetzt haben, dass nur noch sehr selten Brieftauben auftauchen sollten, die dieses Allel nicht besitzen. Denn jeder Nachkomme, der so ein Allel nicht besitzt, fällt ja direkt durch geringere Leistung auf und kann selektiert werden.


Die Sache mit den 75%
Durch Inzucht ist es jedoch sehr wohl möglich Tauben zu züchten, die 75% des Erbgutes ihrer Ahnen gesichert auf die Nachkommen übertragen. Dies ist nämlich bei einem Inzuchtkoeffizienten von 50% des jeweiligen Zuchttieres der Fall (siehe auch ältere Blogbeiträge zu diesem Thema)! Ihm müßte jedoch eine mehrfache extreme Inzucht vorausgegangen sein. So erreicht man diesen Inzuchtkoeffizienten zum Beispiel, wenn in drei aufeinander folgenden Generationen Voll-Geschwisterpaarungen vollzogen wurden. Diese Tiere enthalten dann konzentriert einen Genmix ihrer Ur-Eltern (also Ur-Vater und Ur-Mutter).

Ebenso stark könnte man die Gene dieser beiden Ur-Eltern konzentrieren, wenn man grob sechs Generationen hintereinander Halbgeschwisterpaarungen vollzieht, bei denen immer auf diese gemeinsamen Ur-Eltern in Linie gepaart würde. Dazu benötigt man 7 Halbgeschwister (1 von einem Geschlecht [auf seine Eltern hin, wird sich die Inzucht konzentrieren] und 6 vom anderen Geschlecht[pro Inzucht-Generation eins]) Diese 7 Halbgeschwister müßten also jeweils verschiedene Elterngegenstücke haben, sonst würde auch das Erbgut des zusätzlich mehrfach vorkommenden Ahnen "aufkonzentriert".

Und als dritte Alternative könnte eine grob 10fach wiederholte Rückpaarung von Kindern an ein und dasselbe Elterntier die Gene dieses einzelnen Elterntieres vergleichbar aufkonzentrieren. Ich bezweifle jedoch sehr stark, dass all diese Zuchtwege wirklich sinnvoll sind. Denn wir würden natürlich sehr stark Gefahr laufen, dass insbesondere auch alle schlechten Gene einer Taube übertragen und konzentriert würden. Zudem müßte in jeder Generation ja eine ausgiebige Zuchtprüfung erfolgen, so dass sich allein deshalb schon zeitliche Probleme ergeben würden. Und zu guter Letzt würde die Inzuchtdepression höchstwahrscheinlich recht früh ein Scheitern unserer Bemühungen besiegeln.

Und so ist der auch Hinweis von Günter Prange in diesem Artikel wiederum sehr wertvoll, dass man zur Erhaltung des Stammes ganz eng Paaren muß. Doch er weißt darauf hin, dass er bei aktuell z.B. 6 derartigen Inzuchtprodukten in seinem Bestand noch lange nicht davon ausgeht, dass auch nur ein einziger darunter ist, der die guten Eigenschaften weitervererbt. Sie alle müssen auf den Prüfstand! Und auch wenn ich ja schon an so vielen Stellen in meinem Blog vor dem Schluß von Äußerlichkeiten auf innere Werte einer Taube gewarnt habe: An dieser Stelle, bei der Auswahl von Inzuchtprodukten kann so ein Vorgehen hilfreich sein. Auch darauf weist Günter Prange in diesem Artikel hin.
Denn jedes Merkmal eines Stammtieres, das wir bei einem direkten Inzuchtnachfahren wiederfinden, signalisiert uns, dass zumindest der Chromosomenstrang, auf dem dieses Merkmal "sitzt" weitergegeben wurde. Und wenn wir Glück haben, sind es ja genau diese Chromosomenstränge, die ebenso die für die Leistung wichtigen Eigenschaften mit sich führen. Also wenn sehr viele Merkmale übereinstimmen, sind unsere Chancen besser, die Stammtaube "zu erhalten".

Dienstag, 9. Dezember 2008

Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 11)


Ich muss zugeben, ich bin ein Schnorrer. Alle paar Wochen schnorre ich die bereits gelesenen Exemplare der Zeitschrift "Die Brieftaube", die mein Vater noch regelmäßig bezieht. Für mich kam ein Bezug der "Zeitschrift für Brieftaubenkunde", wie sie sich traditionsbewußt auch heute noch nennt, seit meinem Wiederbeginn 2006 nicht in Frage.

Zum Einen, da ich sie ja so schön bei meinem Vater schnorren kann, zum Anderen, da sie leider ihrem eigenen Anspruch, eine brieftaubenkundliche Zeitschrift zu sein, nur selten gerecht wird. Zu häufig, insbesondere im Herbst verkommt sie zu einem Lobbyistenblatt der verschiedensten Lager im Verband, und auch die jährlich inhaltsgleichen Artikel zu Themen wie "Versorgung in der Mauser", "Vorbereitungen zur Zucht", "Versorgung und Behandlung der Jungtauben",... brauch ich nur in einfacher Ausführung, und nicht immer wieder aufs neue lesen.

Doch in der Nummer 45/08 überraschte mich ein Artikel mit dem Titel "Wie züchtet man richtig?" Und der Autor des Artikels schien akademisches Gewicht mit in die Waagschale zu werfen: Prof. Dr.-Ing. Gerhard Wächter. Nur hätte ich mir allerdings gewünscht, dass die Redaktion der Zeitschrift ihre Leser darüber aufklärt, ob die akademischen Titel des Autors im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Tierzüchtungsbereich erworben wurden, oder statt dessen z.B. im Bau chemischer Reaktoren. Eine solche Information wäre angesichts der Strahlkraft eines Professorentitels nicht gerade unwichtig, denn allzuleicht, könnte der Leser geneigt sein, seine Kritikfähigkeit über Bord zu werfen, da es sich ja schließlich um einen Professor handelt.

Nun, ich bin kein Professor, und in der Tat habe ich als Chemiker wohl über chemische Reaktionen mehr Ahnung, als über Tierzüchtung. Dennoch möchte ich ein paar kritische Anmerkungen zu diesem Artikel machen, da er ja einer der seltenen Artikel ist, die sich mit dem Thema "Züchten von Brieftauben" vor dem Hintergrund der Populationsgenetik befassen:

Zunächst einmal erkennt man in dem Artikel die akademische Arbeitsweise, wie sie z.B. an Hochschulen üblich ist: Schreibe nichts, für das du keine Quelle angeben kannst, oder das du nicht selber durch Forschung herausgefunden bzw. gezeigt hast. Als sehr positive Folge davon gibt der Autor dem Leser eine umfangreiche Liste von gut verständlichen Literaturstellen über die Züchtung von Brieftauben an die Hand, die alleine schon Lob verdient. Denn selbst, wenn nicht alle Literaturstellen auf dem letzten Stand der Dinge sein mögen, oder inhaltlich sogar mittlerweile widerlegt, so ist es immer ratsam, solche Dinge gelesen zu haben, damit man sich eine fundierte Meinung bilden kann.

Und so stellt der Artikel eine relativ gute Zusammenfassung mancher Thesen dieser Quellen dar, so dass auch ein lesefauler Mensch etwas davon hat. Doch vor dem Hintergrund, dass der Autor hier ein Professor ist und mit der Überschrift signalisiert, er wolle eine Antwort auf die Frage nach dem "richtigen" Zuchtweg geben, ist das blosse zitieren von zum Teil veralteten Quellen, die in der Mehrzahl keine wissenschaftlichen Arbeiten darstellen, sondern persönliche Meinungen der jeweiligen Autoren vertreten, eindeutig zu wenig.

Es ist sogar gefährlich, denn allzuleicht könnte der Leser seiner Antwort auf diese Frage den Status einer wissenschaftlichen Erkenntnis geben, die ja richtig sein muss, wenn schon ein Professor das schreibt. Seine Antwort auf die Frage aus der Überschrift (Zitat: "Reisetauben mit überduchschnittlichen Leistungen resultieren nach den Erfahrungen nur aus Kreuzungen in Linie gezüchteter Stämme"), und seine weiteren Aussagen zu geschlechtsgebundenen Effekten etc. sind jedoch tatsächlich in dieser Form alles andere als eine erwiesene allgemeingültige wissenschaftliche Erkenntnis und wiederum nur eine persönliche Meinung des Autors, die nur wenig mit dem tatsächlichen Stand der Erkenntnisse zu diesem Thema gemein hat.

Konkret:
Der Autor stellt sehr gut dar, dass Inzucht in Kombination mit entsprechender Selektion geeignet ist, Linien von unerwünschten Eigenschaften zu reinigen und andere gewünschte Eigenschaften zu verankern. Auch der Hinweis, dass bei der Kreuzung von zwei Inzuchtlinien die gewonnene F1 Generation (die direkten Kinder) als Hybride oft über eine Bastardstärke verfügen, die unter der Bezeichnung Heterosis-Effekt bekannt ist, entspricht sicher den Tatsachen. Und sein Hinweis, dass die Wege der Nutzgeflügelzucht wie z.B. das Halten und Führen von zwei getrennten Inzuchtlinien, die dann zur Züchtung von Gebrauchskreuzungen in der F1 Generation genutzt werden, für Brieftaubenzüchter kaum realisierbar sind, weil sie zu große Bestände erfordern, ist meiner Meinung nach sehr gut und sogar wichtig an dieser Stelle. Doch viele Schlußfolgerungen die der Autor zieht, sind leider auch aufgrund ihres Absolutheitsanspruches falsch.

Die Aussage, Heterosis würde nur auftreten, wenn mindestens einer der zwei in einer Paarung zusammenkommenden Stämme ingezüchtet wurde, ist falsch. Heterosis ist vielmehr ein allgemeiner Begriff in der Populationsgenetik, der die Leistungszunahme einer Zuchteigenschaft beschreibt, die beim Kreuzen (meist) nicht verwandter Linien oder Stämme auftritt. Wenn die Nachkommen einer solchen Kreuzung in der beobachteten Zuchteigenschaft über der Leistung der jeweiligen Eltern liegen, entspricht diese Mehrleistung dem sogenannten Heterosis-Zuwachs (siehe hierzu z.B. Comberg, Leibenguth und andere Lehrbücher der Populationsgenetik). Dass die elterlichen Linien ingezüchtet sein müssen, ist jedoch keine Voraussetzung für das Auftreten von Heterosis!

Heterosis ist vielmehr in der Zunahme der Heterozygozität des Genoms der Kreuzungskinder gegenüber den Eltern begründet. Diese tritt sicherlich bei der Kreuzung von ingezüchteten Linien oft auf, doch auch bei anderen Paarungen, wie z.B. dem "wilden kreuzen" völlig unverwandter Einzeltiere, die ihrerseits bereits aus derartigen Verpaarungen hervorgegangen sind, kann diese Zunahme auftreten. Ja, es ist sogar noch nicht einmal ausgeschlossen (wenn auch viel unwahrscheinlicher), dass sie bei der Verpaarung von miteinander verwandten Tieren auftritt.

Der Heterosis-Zuwachs hingegen fällt bei der Kreuzung von ingezüchteten Linien meist deutlich höher aus, als bei der Kreuzung von Tieren, die ihrerseits bereits Kreuzungsprodukte darstellen. Doch daraus läßt sich jedoch nicht schließen, wie es der Autor leider fälschlicher Weise tut, das die Leistung des Zuchtproduktes einer solchen Zwei-Inzuchtlinien-Kreuzung höher liegen muß, als die der "wilden Kreuzung". Warum? Nun, nicht der Leistungszuwachs ist die entscheidende Größe, sondern das absolute Niveau der Leistung. Durch Inzuchtdepression könnten die Inzuchtlinien beispielsweise in unserer beobachteten Eigenschaft im Laufe der Generationen von 100 auf 90 "Qualitätspunkte" abgefallen sein. Die Kreuzung der beiden Linien würde z.B. Nachwuchs mit 105 Qualitätspunkten bringen. Der Heterosis-Zuwachs wäre also mit 15 Qualitätspunkten erheblich. Doch könnte der Nachwuchs aus zwei nicht ingezogenen Eltern mit jeweils 100 Punkten ebenfalls bei 105 Punkten landen! Der Heterosiszuwachs wäre geringer, das Ergebnis jedoch gleich stark.

Und das dem tatsächlich so ist, wissen nicht nur alle gut informierten Taubenzüchter, sondern es zeigen auch die unzähligen Stammbäume von As-Tauben und Leistungsträgern. Man schaue sich z.B. nur die Stammbäume des Schlages Koopman an. Als Ausgangsbasis wurden hier im wesentlichen zwei in der Tat ingezüchtete Ausgangslinien gewählt: Janssen und van Loon Tauben. Und die Kreuzungstauben der F1 Generation, wie z.B. der Eric oder der Beatrixdoffer zeigten herausragende Leistungen. Doch dem Ansatz des Autors folgend sollte der Nachwuchs der F2 Generation und die Mehrzahl des Nachwuchses der späteren Generationen eine schlechtere Leistung bei Koopman gezeigt haben, da sie jeweils keine ingezüchteten Tauben sind. Tauben wie der Gentil, der Jacco und sehr viele andere sogar nationale As-Tauben bei Koopman beweisen bis in die Gegenwart das Gegenteil!

Also: Die Aussage des Autors, dass vorhergehende Inzucht und spätere Kreuzung besseren Reisetauben bringen, als andere Zuchtwege ist nicht nur wissenschaftlich nicht haltbar, sondern auch zigtausendfach durch die Praxis widerlegt. Für die Bastardstärke ist lediglich ein hoher Heterozygotiegrad wichtig, woher auch immer dieser kommen mag!

Darüber hinaus ist aber nicht allein Bastardstärke wichtig für eine sehr gute Reisetaube, sondern auch die hohe "Dichte" von guten Genen im Erbgut des jeweiligen Tieres. Denn es gibt Eigenschaften, wie z.B. die Vitalität (oder auch die Legeleistung bei Hühnern) die an der Bastardstärke hängen, und es gibt Eigenschaften, die dies nicht oder nur in geringem Maße tun, sondern an additiven Genwirkungen liegen.

Dies führt denn auch zum nicht auflösbaren Grundkonflikt in der Zucht von Brieftauben, der es so spannend macht und eine eindeutige Antwort auf die Eingangsfrage des Autors verhindert:
Für das konzentrieren von additiven Eigenschaften wäre eine hohe Anreicherung der entsprechenden positiven Gene wünschenswert, welches aber auch zu einer Zunahme von Homozygotie führen kann. Für die Bastardstärke ist hingegen eine möglichst hohe Heterozygozität des Genoms erstrebenswert.

Und so gibt es in der Folge auch in beiden "Welten", Inzucht und Kreuzung, hervorragende Zuchtpaare und Zuchttauben. So stellen der berühmte "Figo" von Reynaert oder die "Daisy" der Stieneckers starke Inzuchtprodukte dar, welche dennoch absolute Spitzenleistungen erbrachten. Hier hat die Inzucht wohl zur Anreicherung der positiven Gene geführt, ohne aber dabei rezessive negative Gene herauszuspalten (zur Homozygotie dieser zu führen). Dadurch ist eine Kreuzung dieser Inzuchtiere mit anderen, nicht verwandten Tieren, welche mögliche homozygote "Schadgene" wieder aufgehoben hätte, nicht nötig gewesen, um Top-Leistungen zu erzielen. Auf der anderen Seite ist der "Kleinen" von Vandenabeele ein absolutes Kreuzungsprodukt, und schon seine Eltern waren Kreuzungen. Er erbrachte selber schon sehr viele sehr gute Flieger, wie den Wittenbuik, den Turbo, den Picanol,... (was man ja auf die Bastardstärke seiner ebenfalls in Kreuzung gezüchteten Kinder zurückführen könnte), doch er und auch sehr viele seiner Kinder und Enkel wurden noch besserere Vererber, der Kleinen selbst könnte sogar einer der besten Vererber gewesen sein, die der Taubensport bis heute gesehen hat. Und dass, obwohl ihm und den meisten seiner Kinder direkt keine Inzucht vorausgegangen ist. Beim Kleinen waren also trotz der vielen Kreuzungen im Vorfeld die sehr guten Gene extrem konzentriert!

Glück und Zufall sind eben sehr wesentliche Faktoren in der Zucht sehr guter Reisetauben. Daher kann die "ideale" Zuchtstrategie nur eine sich stetig am Bestand und der Situation angepassende Strategie sein, die auf die Mittel Kreuzung und Inzucht zurückgreift, ohne sklavisch an nicht fundierten Schemata festzuhalten.

Über all dieses hinaus verweist der Autor mehrfach auf geschlechtsgebundene Effekte, in dem er z.B. schreibt: "Die Täubin ist entscheidend". Und er führt das "Bruce Lowe'sche Gesetz" an, bzw. verweist auf Vansallen, der dem Wechsel zwischen den Geschlechtern bei einer Zuchtlinie eine Bedeutung zumisst. Alle drei Punkte sollten ebenfalls nicht unkommentiert bleiben:

Bruce Lowe, ein Australier, der im 19. Jahrhundert die Pferdezucht durch die Einführung des Familiennummersystems strukturiert hat, hat ein Schema formuliert in dem er vorschlägt, wie bei Pferden Familienzucht betrieben werden sollte. Dieses Schema zum "Gesetz" zu erheben, das darüber hinaus auch noch Gültigkeit bei Brieftauben haben soll, ist nicht nur nicht nachzuvollziehen, sondern sehr unwissenschaftlich.

Der Autor postuliert, dass aufgrund der Tatsache, dass das Geschlecht bei Vögeln durch die Weibchen übertragen wird, zur Erhaltung der Eigenschaften eines Stammtieres in die Mutterlinie zurückgepaart werden müsse. Verständlich wird diese Äußerung, durch den späteren Verweis auf Vansallen. Jedoch geht es hierbei nicht um die Frage, ob bestimmte Chromosomen überhaupt auf die Nachfahren übertragen werden, sondern um die Frage, ob man dem Übertrag eines der beiden väterlichen Z-Chromosomen nach der Paarung gesichert "folgen" kann.

Bis heute ist nicht geklärt welche und wie viele
Gene auf den geschlechtsbestimmenden Chromosomen der Taube sitzen, und es stellt nur eines von insgesamt 40 Chromosomen im Genom jeder Taube dar. Nach dem Unabhängigkeitsgesetz Mendels werden alle anderen 39 von 40 Chromsomen unabhängig von diesem einen vererbt. Welchen Sinn sollte es also machen eine Zuchtstrategie auf nur einem Chromosom von 40 auszurichten? Die Aussage, dass das Zurückpaaren in die Mutterlinie notwendig sei, um die (man beachte die allgemeine Formulierung!) Eigenschaften eines Stammtieres zu erhalten, ist sachlich falsch! Auf allen 40 Chromosomen der Tauben sind Eigenschaften kodiert und da nützt es nichts insbesondere das Geschlechtsbestimmende zu "verfolgen", denn von den anderen 40 Chromosomen des Stammtieres werden bei jeder Paarung bestimmt einige auf der Strecke bleiben.

An dieser Stelle zitiert der Autor darüber hinaus Vansallen (von dessen sehr guten Büchern und Artikeln ich übrigens ein großer Fan bin). Doch in der zitierten Quelle unterlag auch Vansallen der Versuchung bei der Konzentration auf die Nachvollziehbarkeit der Vererbung des Z Chromosoms die anderen 39 Chromosomen ausser Acht zu lassen. Auf diesen Umstand weist der Übersetzer Dr. Arno Meyer aber in diesem Buch ausdrücklich hin, um eben diese Aussage Vansallens zu relativieren. Kann es sein, dass Herr Prof. Dr.-Ing. Wächter dies absichtlich überlesen hat, da es seiner Argumentationsfolge nicht dienlich gewesen wäre?

Und abschließend sind geschlechtsgebunden vererbte Leistungseigenschaften meines Wissens bei Brieftauben bis heute weder indentifiziert, noch nachgewiesen worden. Und so kann ich nur empfehlen, die Geschlechterfolge bei der Paarung nur als ein Hilfsmittel zu Nachverfolgung eines väterlichen Z-Chromosoms zu sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Ebenso könnte man das Auftreten einer anderen dominanten Eigenschaft (z.B. der Schimmelfärbung) zur "Verfolgung" des Chromosomenstranges nutzen, auf dem das Gen hierfür sitzt. Was soll so etwas bringen, solange unbekannt ist, welche anderen Eigenschaften noch auf dem "verfolgten" Chromosom sitzen? Im Einzelfall mag die eine oder andere beobachtete Kopplung einer gewünschten Leistungseigenschaft mit der verfolgbaren Eigenschaft eine Hilfe sein, doch darf und kann man keine allgemeingültige Zuchtstrategie hierauf aufbauen!

Somit sollten Leser des Artikels von Herrn Prof. Dr.-Ing. Wächter sich die Zucht in Zukunft nicht schwerer machen, als sie ohnehin schon ist, und den Geschlechterwechsel bei der Verpaarung nicht ins Zentrum ihrer Zuchtbemühungen rücken. So etwas spielt, wenn überhaupt, nur eine sehr untergeordnete Rolle bei der Züchtung sehr guter Tauben. Und "Bruce Lowe" ist eine Meinung eines Pferdezüchters ohne Beleg, mehr nicht!



Noch ein Hinweis der ebenfalls zum Thema passt: An mancher Stelle (nicht im erwähnten Artikel) wird Wert auf die sogenannte Mutterlinie bei Tauben gelegt. Begründet wird dies durch Erbsubstanz, die sich nicht im Zellkern befindet, sondern in den Mitochondrien. Diese Erbsubstanz wird immer, und
zwar vollständig und unverändert, nur von der Mutter auf alle ihre Kinder übertragen. Dadurch führen alle Tauben die mitochondrale Erbsubstanz der Weibchen, die bei der klassischen Stammbaumdarstellung an der untersten "Kante" auftauchen. Es bleibt die Frage, ob man dieser Tatsache wesentliche Bedeutung zumessen sollte in der Zucht von Brieftauben, indem man versucht, bestimmte mitochondrale Erbsubstanz im Bestand zu erhalten.

Bis heute ist kaum etwas über die Funktionen der mitochondralen Erbsubstanz bekannt. Sehr umfangreich ist der genetische Code dort aber im Vergleich zum Zellkern nicht. Doch selbst wenn diese direkte Auswirkungen auf die Leistungseigenschaften einer Taube haben sollte, ist nach Jahrhunderten der Brieftaubenzucht und deren Selektion auf Leistung nicht zu erwarten, das wir heute noch "schlechter" mitochodraler Erbsubstanz einer Brieftauben begegnen. Bei jeder heute existierenden Taube wird man auf dieser untersten "Kante" des Stammbaumes irgendwann in der Vergangenheit (und sei es vor 30 Generationen!) auf eine herausragende Reisetäubin oder eine herausragende Zuchttäubin treffen. Und eben ihre mitochondrale Erbsubstanz konnte ja so "schlecht" nicht gewesen sein, und findet sich damit heute unverändert (von sehr selten auftretenden Mutationen einmal abgesehen) im Erbgut der betrachteten Gegenwartstaube.

Also, ich persönlich kann keine Notwendigkeit erkennen, auf die mitochondrale Erbsubstanz mehr Aufmerksamkeit, als auf alle anderen Gene zu legen. Nein, ganz im Gegenteil: Aufgrund der sehr hohen "Stabilität" dieser Erbsubstanz über -zig Generationen hinweg und der jahrhunderte langen Selektion, sehe ich bei Brieftauben sogar viele berechtigte Gründe, sie unberücksichtigt zu lassen.



Vielleicht wäre ein fachkompetentes Redigieren solcher Artikel, wie dem von Prof.Dr.-Ing. Wächter vor dem Abdruck z.B. durch Hr. Dr. Kamphausen oder Universitäten, mit denen der Verband in Sachen Forschung in Verbindung steht, für die Zukunft sinnvoll, damit derartig sachlich falsche, aber nach wissenschaftlicher Erkenntnis aussehende Artikel vermieden werden können. Und wenn dann noch häufiger wirkliche Fachartikel zum Thema Tauben erscheinen, könnte ich mir sogar vorstellen, irgendwann einmal "Die Brieftaube" nicht länger bei meinem Vater zu schnorren, sondern selber zu beziehen.

Montag, 20. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Zukunftskonzept (Teil 3)

Was hat das Bild mit dem Gemüsestand vom Wochenmarkt mit Taubensport zu tun, mögen sich manche vielleicht Fragen. Nein, es geht mir nicht um den Einkauf von vitaminreichem Grünzeug für unsere Lieblinge. Ähnlich wie ein Gemüsestand im Wettbewerb zu den anderen auf diesem Markt steht, steht der Taubensport im Wettbewerb zu anderen Freizeitbeschäftigungen.

Immer wieder hören wir, dass der Taubensport Nachwuchsprobleme hat, da "die jungen Leute" heute so viele andere Hobbies viel lieber machen. Nun in der Blütezeit des Taubensportes in Deutschland war die Freizeit-Industrie noch nicht so ausgebaut, wie heute. Das Leben war stärker als heute geprägt durch Arbeit und ein Hobby war auch ein wenig "Urlaub-Ersatz" denn den konnten sich viele noch gar nicht leisten.

Die Welt hat sich seit diesen Tagen deutlich verändert. Das Angebot an Freizeitbeschäftigungen ist seither explodiert, sprich wir haben nur noch einen von hunderten Gemüseständen auf diesem Markt. Auf diese grundlegende Veränderung hat der Taubensport aus meiner Sicht bis heute nicht reagiert. Wir hoffen weiterhin, dass die potentiellen "Kunden" unbeeindruckt von den hundert anderen zielsicher gerade unseren Gemüsestand finden. Was leider aber nicht passiert.

Aus der katastrophalen Mitgliederentwicklung (besonders, wenn man die Neumitgliederzahlen betrachtet) leiten wird dann ab, dass niemand mehr Taubensport betreiben möchte (sprich: dass unser Gemüse schlecht sei). Doch das ist FALSCH!

Weder hat die Faszination der Brieftaube auf uns Züchter nachgelassen, noch sind andere Rahmenbedingungen, wie der Besitz von Wohneigentum, das für Freizeitzwecke verfügbare Einkommen, die Menge der verfügbaren Freizeit, sowie das Bedürfnis der Menschen der Natur nahe zu sein, oder sich im spielerischen Wettkampf zu messen in den letzten Jahrzehnten geringer geworden!

Im Gegenteil: Vieles davon ist besser geworden! Wie in den vorherigen Teilen bereits geschrieben, gibt es sicher einige interne Gründe, die die Attraktivität des Brieftaubensportes derzeit stark behindern. Um im Bild zu bleiben: Wir sollten also so schnell wie möglich die wurmstichigen Möhren vom Stand nehmen. Doch eine andere, ganz wesentliche Sache für einen Zukunftserhalt des Brieftaubensportes ist es, das wir endlich "das Maul aufbekommen" und uns bemerkbar machen auf diesem Markt der Freizeitaktivitäten. Sprich, es liegt an uns, aktiv Werbung in unserer Sache zu machen, und nicht darauf zu warten, dass jemand über uns "stolpert"!


Konkrete Interessentenansprache
Wenn ich etwas verkaufen will, muß ich mir zunächst Gedanken darüber machen, wer denn ein Interesse daran haben könnte. Denn dann kann ich meine Kraft auf diese Personengruppe konzentrieren. Für uns heißt dies, dass wir zunächst die potentiellen Interessenten für den Taubensport identifizieren müssen.

Die Umfragen haben hierfür erste Hinweise geliefert: Die meisten Züchter sind von der Briefttaube als solches fasziniert. Sprich: Menschen, die sehr tierlieb sind, die sich ohnehin schon für Kleintiere interessieren und zur Kleintierhaltung Kontakt haben, sind aussichtsreiche Interessenten. Konkrete Werbemaßnahmen sollten also beispielsweise an Kleintierzüchter, deren Vereine und Verbände gerichtet sein.

Desweiteren hat die Analyse gezeigt, dass viele Taubensportler ihr Hobby öfter einmal unterbrechen (müssen). Aber es besteht eine gewisse "Sucht", die ehemalige Brieftaubenzüchter wieder "rückfällig" werden läßt, weil unsere kleinen Freunde eben so faszinierend sind. Und eben hier liegt eine sehr chancenreiche Klientel verborgen:
Menschen, die in ihrem Leben bereits Kontakt zum Taubensport hatten, aber entweder damit aufgehört haben, oder aber bis heute noch nicht über ein konkretes Starten mit eigenen Tauben und Schlag nachgedacht hatten. Diese Personengruppe ist meiner Meinung nach die erfolgsversprechendste, um Menschen (wieder) für unser Hobby zu begeistern.

Doch auch diese Menschen müssen wir zunächst einmal kennen, um sie dann durch konkrete Ansprache und Hilfsmaßnahmen zum Start einer Taubenzüchterlaufbahn zu motivieren. Daher benötigen wir Strukturen und Mechanismen, mit denen wir diese Menschen identifizieren, um dann anschließend konkret für unser Hobby werben zu können. Wir benötigen also ganz klar ein zentral gesteuertes Marketing in eigener Sache. Und dies sogar dringlicher, als beispielsweise eine Zeitschrift oder die Verbandsklinik, die wir ja bereits haben. Nicht, dass ich etwas gegen die vorgenannten Einrichtungen hätte, ganz im Gegenteil, aber unsere Existenzsicherung hat schließlich die höchste Priorität.

Viele besonders der älteren Sportfreunde wissen auch heute noch sehr genau, wer früher alles Züchter war, wessen Vater oder Opa, Brieftauben hatte. Dieses Wissen ist wertvoll. Wir sollten so schnell wie möglich beginnen, diese Daten und Namen zu sammeln und zu erhalten, bevor dieses Wissen gänzlich verloren geht. In einer konzertierten Aktion und Anfrage
ausgehend vom "Marketing", über die RegVs und Rven auf die Vereine herunter gebrochen könnte dies geschehen.

Würden wir diese Namen und Adressen haben, so könnten wir gezielt auf diese Menschen zugehen, und durch eine Basisinformation über den Taubensport und die Möglichkeiten seiner Ausübung dieses Hobbies gegebenenfalls deren Interesse wecken. Dies könnten Einladungen an Familien und Interessenten im Rahmen von "Tagen der offenen Tür" bei Einsatzstellen oder Züchtern sein. Dies könnte eine persönliche Ansprache durch örtliche Züchter sein, dies könnte das Versenden einer Info- und Imagebroschüre, die als Appetitanreger dient und mit Kontaktadressen versehen ist, sein. Dies könnte die konkrete Bewerbung von "Endflug-Parties" bei One-Loft-Races sein. Hier ist vieles denkbar mit dem wir unsere Mitmenschen wieder in Kontakt mit unserem Hobby bringen. Und es würde seine Wirkung ganz sicher nicht verfehlen, der Funke wird wieder auf den einen oder anderen überspringen! Wir müssen nur endlich damit anfangen.


Leuchturm-Projekte
Wir leben im Medienzeitalter. Wenn wir die Medien für uns nutzen wollen, müssen wir interessante Dinge bieten, sozusagen Leuchttürme, die das Thema Taubensport weit über die Reichweite unserer eigenen Kontakte hinausstrahlen. Ein denkbares Beispiel: Ein hochrangiges (mit nationalen Ehren verbundenes) One-Loft-Race, auf das auch externe Wetten (sozusagen von Jedermann) angenommen werden, und dessen Werdegang und Abschlußrennen für das Fernsehen aufbereitet wird.

Dies ist natürlich nur eine Idee von vielem Möglichem. Wenn man sich dem Gedanken öffnet, dass die Neugierde, die Passanten des öfteren an unserem Hobby zeigen, wenn sie an unseren Schlägen vorbeispazieren oder unsere Auflässe beim Training beobachten, auf viele Menschen zutrifft, und dass dieses Interesse durchaus auch für Medien interessant sein kann, kommen sicher noch weitere gute Ideen zustande.



Hausaufgaben machen
Natürlich ist es wichtig, dass wir zunächst unsere Hausaufgaben machen. Zum einen also, wie oben bereits gesagt, dass wir die schlechten Möhren vom Stand nehmen, und unsere strukturellen Probleme in Angriff nehmen. Zum anderen, dass wir den potentiellen Interessenten und Neuanfängern direkt mit fertigen Lösungen den Einstieg so gut wie möglich erleichtern (siehe "Starter Paket" im Konzept Teil 2). Also nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen, direkt losrennen und werben, und die Interessenten dann aber alleine lassen mit unseren Problemen. So etwas wäre sogar kontraproduktiv.


Zusammenfassung
Die in meinen letzten Blogs geschriebenen Dinge mögen manchem Leser zu weit weg von der heutigen Realität erscheinen, oder schlicht nicht umsetzbar. Ich bin bewußt, dass ich als relativer "Neuzüchter", der noch nicht so sehr lange
Einblicke in die heutigen Strukturen und Mechanismen des Taubensportes in Deutschland hatte, ein wenig "von draussen" argumentiere und zu meinen Schlüssen komme.

Dennoch: Ich denke, dass gerade dieser Blick von draussen, ohne die jahrelangen (für manche oft desillusionierenden) Erfahrungen im Tagesgeschaft der Vereine, RVen und RegVs zu guten Ansätzen führen kann, da nicht sofort jeder neue Gedanke eine negative Assoziation und Abwehr-Reaktion hervorruft.
Ich möchte die wichtigsten Gedanken an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen:

1. Das oberste Ziel, an dem sich alles andere orientieren muss, ist die nachhaltige Gewinnung von Neuzüchtern

2. Brieftauben sind so faszinierend, dass sie fast "süchtig" machen. Die ist eine Riesenchance für uns!

3. Fortwährender Streit unter Züchtern über Auflässe, Reiserichtungen, Reisepläne sind ein aktuelles Hauptproblem. Der Schlüssel diese Situation zu entschärfen liegt in der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit des einzelnen Züchters.

4. Die freie Wahl der RV und eine Anerkennung von Preisflugergebnissen, die bei verschiedenen Veranstaltern errungen werden, würde viele Streitpunkte entschärfen, und würde einen Anreiz zu attraktiven Angeboten der einzelnen im Wettbewerb stehenden RVen schaffen. Dies käme der Attraktivität des Sportes insgesamt zugute.

5. Ein Drittel der jüngeren Züchterschaft hat zeitliche Probleme mit dem wöchentlichen Zwang, an der Reise teilnehmen zu müssen, um die wichtigsten Meisterschaften zu erringen. Streichergebnisse in allen Meisterschaftsmodi, bis hinunter auf RV-Ebene sollten daher eingeführt werden, damit die Züchter auch ohne Probleme mal ein Wochenende aussetzen können.

6. Die Kosten der eigenen Kabis führen bei den RVen und TGs zu einem für den Sport schädlichen Kampf um die reisenden Schläge. Eine Trennung des Transportes der Tauben von den anderen Aufgaben der RVen und eine überregionale Zusammenfassung der Transporte könnte die RVen von dem Zwang befreien, die Züchter in erster Linie nur noch als Einnahmequelle für den kaum noch zu finanzierenden Kabi zu sehen. Eine Transportorganisation könnte wöchentliche verschiedenste Auflassorte in den nachgefragten Himmelsrichtungen anfahren. Durch eine optimale Ausnutzung der Transportkapazitäten würden die Transportkostenanteile für den einzelnen Züchter drastisch gesenkt werden.

7. Das bestehende Anreizsystem für große Taubenbestände, welches durch die Meisterschaften mit Wertungen wie "X beste Tauben" gesetzt wird, schadet dem Taubensport enorm, da kleine Bestände gleichbedeutend mit geringeren Chancen sind. Somit fallen die Start-Investitionen für den Neuzüchter sehr hoch aus, wenn er Konkurrenzfähig sein möchte. Auch Platzbedarf, Betreuungsaufwand und laufende Kosten steigen mit der Bestandsgröße. Wenn auch kleine Bestände ähnliche Chancen hätten, würden es Neuzüchter sehr viel einfacher haben. Alle Meisterschaftsmodi müssen daher so umgestaltet werden, dass auch kleine Bestände ähnliche Chancen haben. (in eigener Sache: Mit einer Reisemannschaft von bis zu 48 Alttieren profitiere von den derzeitigen Anreizssystemen, und bin dennoch für eine Änderung!)

8. Eine weitere Absenkung der Starthürde für Neuzüchter kann durch ein Starter-Paket errreicht werden, in dem ein funktionierender günstiger Schlag, zusammen mit Checklisten, Infos und Ratgebern für den Neubeginn, angeboten wird. Ebenso könnte ein Gebrauchtgeräte Pool für Neuanfänger die Start-Investitionen absenken.

9. Um neue Züchter zu werben, müssen wir aktiv Marketing in eigener Sache betreiben. Wir dürfen nicht länger passiv bleiben.
Eine zentrale Stelle sollte diese Marketingaktivitäten koordinieren und steuern. Hierzu gehören, Erhebung von Adressen von potentiellen Interessenten, Bereitstellung von Informationsbroschüren, Schaffung eines "Starter-Paketes", Starten von konzertierten Aktionen...

10. Mit Hilfe von Leuchtturm-Projekten, das Interesse der Medien wecken und so (mehr oder minder subtil) für den Taubensport werben.


Freitag, 17. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Zukunftskonzept (Teil 2)

Die Befragungen (siehe Analyse Teil 1) haben gezeigt, dass Streit und fehlende Geselligkeit unter Züchtern zu den Hauptproblemen für den Taubensport gezählt werden. Die Hauptursachen für diese Unruhe zwischen den Züchtern sind Themen die direkt mit dem Reisegeschehen zu tun haben: Reiserichtungsentscheidungen, Auflassentscheidungen, Diskussionen über Vor und Nachteile der geografischen Lage und über Reisepläne.

Natürlich sind all dies sehr "konfliktschwangere" Themen, doch die Frage bleibt: Kann man hier durch strukturelle Veränderungen helfen, Konflikte zu vermeiden?
Ich bin der Meinung: Eindeutig ja! Das Zauberwort heißt Eigenverantwortung.



Mehr Eigenverantwortung

Ein typischer Züchter, der in den heutigen Strukturen seine Tauben in einer RV schickt, unterliegt vielen Zwängen: Zum einen geben der Verband und der RegV durch Meisterschaftsmodi ohne Streichergebnisse und letztendlich die RV durch ihren Reiseplan vor, dass wöchentlich Flüge abgehalten werden, welche Entfernungen diese Flüge haben müssen, und in welche Richtung die Tauben geschickt werden.

Zum anderen kann der Züchter nahezu jede wichtige Meisterschaft nur erreichen, wenn er allwöchentlich an den Flügen dieser RV teilnimmt. Daher ist ein Züchter heute nicht wirklich frei in seiner Entscheidung seine Tauben auf einen Wettflug zu setzen, oder auch nicht, denn er riskiert in den meisten Meisterschaften die Früchte der gesamten Saison zu verlieren. Aus diesem wichtigen Grund empfinden sich die Züchter umso stärker gezwungen/betrogen/geschädigt, wenn Flüge nicht optimal verlaufen.

Kommt es zu einem sehr harten Flug, obwohl für dieses Wochenende schon zuvor kein ideales Wetter gemeldet war, ist der Auflassleiter Schuld. Weht ein sehr starker Westwind, der den Züchtern im Westen des RegV kaum Chancen läßt, ist die Blöde große Fluggemeinschaft Schuld. Dauert bei einem 200 km Mitwindflug der Konkurs nur 4 Minuten, sind zu viele von diesen blöden kurzen Touren im Reiseplan. Zieht sich der Konkurs bei einem 600km Flug über zwei Stunden hin, oder es bleiben gegebenenfalls dabei einzelne Tiere aus, sind zu viele lange Touren im Reiseplan. Fällt der notwendige 600er genau auf ein Hitzewochenende ist der feste Termin im Reiseplan Schuld. Im übrigen ist natürlich immer auch der Verband unter den genannten Schuldigen zu finden! Es gibt genug Gründe für Streit während einer Saison.

Dabei könnten zwei wichtige Paradigmenwechsel hier wesentlich zur Entschärfung der Konflikte beitragen:

1.) Jeder Züchter darf in jeder RV (bei jedem Klub) seiner Umgebung schicken, wo er will. Wenn gewollt, auch in mehreren RVen an einem Wochenende gleichzeitig. Für alle Meisterschaften jenseits der RV-Ebene (Klub-Ebene) dürfen die Züchter alle errungenen Ergebnisse aller Flugveranstalter in die Wertung bringen, welche zu definierenden Mindestanforderungen an Züchterzahl und maximaler geografischer Ausdehnung des Preislistengebietes erfüllen (siehe unten).

2.) Es müssen bei den Hauptmeisterschaften auf allen Ebenen Streichergebnisse in den Modi vorgesehen werden, so dass der heutige Zwang, jede Woche einen Flug mitmachen zu müssen, nicht mehr bestehen bleibt.

Nun hat der einzelne Züchter die Wahl, ob er den einen oder anderen Flug eventuell aussetzen möchte, da ihm das Wetter an dem gewissen Wochenende nicht geheuer ist. Setzt er dennoch, ist es seine Entscheidung und seine Verantwortung. Sein Angriff gegenüber der Auflassleitung wird milder ausfallen müssen, da er sich seiner Mitverantwortung bewußter ist. Und wenn es ihm stinkt, dann schickt er halt mal ein paar Flüge mit einem anderen Klub.

Gefällt einem Züchter der Reiseplan der eigenen RV nicht, so kann er selbst durch Nutzung von Flügen anderer Klubs seinen "eigenen" Reiseplan erstellen. Er kann so ein Reiseprogramm für seine Tauben definieren, dass seinem Gusto am nächsten kommt. Wer auf 600er verzichten möchte, schickt an dem betreffenden Wochenende eben den 400er der Nachbar-RV, wer gerne häufiger über 600 km schickt, sucht sich eben ein paar solcher Flüge in seiner Umgebung zusammen. Wer mit Süd-Osten nicht zufrieden ist, geht eben zu einem Flugveranstalter, der Südwesten anbietet.

Die Folgen dieser Paradigmenwechsel kann man sich aus dem Blickwinkel des heutigen Systems heraus vielleicht nur schwer vorstellen, doch eines ist direkt erkennbar: Durch die deutlich höhere Eigenverantwortlichkeit eines jeden Züchters für sein persönliches Reiseprogramm würden einige der genannten zentralen Konfliktpunkte entschärft werden. Zudem würden durch die direkte Wettbewerbssituation der unterschiedlichen RVen und Klubs untereinander alle diese Anbieter versuchen, attraktiver zu sein, als die Anbieter in ihrer Nachbarschaft. Sei es durch attraktive interne Meisterschaftsmodi, sei es durch ein angenehmeres Umfeld, wie z.B. Grillen und Bierstube.

Hier ist manches denkbar. Die Anbieter mit guten "Leistungen" gewinnen Teilnehmer hinzu, die schlechteren verlieren Teilnehmer und müssen sich mehr anstrengen, oder sie verschwinden von der Bildfläche.

Durch attraktive interne Meisterschaften kann der jeweilige Veranstalter versuchen, die einzelnen Züchter regelmässig an sich zu binden. Eine Steigerung der Attraktivität des Angebotes wäre insgesamt die Folge. Und auch das könnte vorteilhaft für die Entwicklung des Taubensportes sein.



An die Kritiker
Kritiker mögen einwenden, dass es in einzelnen Gegenden Deutschlands schon heute kaum noch möglich ist, eine einzige RV auf die Beine zu stellen, und dass es daher dort wohl kaum zu den besprochenen Wahlmöglichkeiten kommen wird. Nun in allen Gegenden, wo auch heute bereits Züchter am Ende der Saison die RV verlassen und in eine Nachbar-RV wechseln, bestünden offensichtlich Wahlmöglichkeiten. Wenn es in manchen Gegenden jedoch derzeit keine Wahlmöglichkeiten gibt, heißt das nicht, dass sich keine Wahlmöglichkeiten entwickeln würden, sofern hier die "Wahlfreiheit" einkehren würde. Zwang lähmt, und Freiheit weckt ungeahnte Kräfte, dies ist keine neue Erkenntnis. Und wenn dann dennoch Gegenden übrig bleiben, in denen sich keine Wahlmöglichkeiten ergeben, dann ist das eben so. Gegen die geringe Züchterdichte in diesen Gegenden kann kein Konzept direkt etwas ausrichten und hier ein Allheilmittel sein! Diese Tatsache darf jedoch kein Alibi für Stillstand sein.

Ein weiterer Einwand mag sein, dass unter dem "Wettbewerbsdruck" einzelne RVen eventuell ganz zusammenbrechen würden, weil sie eventuell auch noch ihre letzten Züchter verlören. Wenn dem dann so ist, dann war diese RV nicht attraktiv genug. Es macht auf Dauer keinen Sinn eine unattraktive RV durch Zwänge künstlich am Leben zu erhalten. Züchter die dann unzufrieden sind, hören eben ganz mit dem Taubensport auf, aber bleiben dieser "unattraktiven" RV nicht erhalten.

Ein "Zusammenbruch" einer RV aus Kostengründen müßte ebenfalls nicht erfolgen, wenn (wie in "Zukunftskonzept Teil 1" vorgeschlagen) die RVen keinen eigenen Kabi mehr unterhalten, sondern nur noch Kabi-Kapazitäten bei einer übergreifenden Transportorganisation buchen.


Zusätzliche positive Effekte
Neben der Verminderung von Streitigkeiten durch die Stärkung der Entscheidungsfreiheit und der Eigenverantwortung jedes einzelnen Züchters und der Erhöhung der Attraktivität des Angebotes, böten diese beiden Paradigmenwechsel zusätzliche, positive Effekte, die weitere bereits genannte aktuelle Probleme des Taubensportes entschärfen würden.

Allem voran ist hier die enorme Flexibilität zu nennen, die ein Züchter dadurch erlangen würde. Er könnte beispielsweise einmal zwei Wochenenden aussetzen, um Urlaub mit der Familie zu machen und anschließend noch zwei nötige 400er Ergebnisse für die RegV Mittelstreckenmeisterschaft an einem Wochenende bei zwei Veranstaltern nachholen. Ein wichtiges Hemmnis insbesondere für die jüngere Züchterschaft könnte so beseitigt werden. Schließlich hat grob 1/3tel der befragten Züchter Probleme mit den terminlichen Zwängen des heutigen Reisesystems!

Auch Tierschutzaspekten könnte eher Rechnung getragen werden, wenn der einzelne Züchter freier als bisher über einen Einsatz der Tiere entscheidet, je nach Wetter oder Form der Tiere, und welche Entfernungen er seinen Tauben zumuten möchte, weil er sie eben am besten kennt.

Durch die "Sammeltransporte" der übergeordneten Transportorganisation käme es zudem zu einem geordeteren Auflassgeschehen an den Wochenenden, als heutzutage. Beispielsweise könnte ein Transport nach Würzburg Tauben von Klubs von Münster bis Gießen mitnehmen. Die einen nutzen ihn als 150km Flug, die anderen als 300km Flug. Doch letztendlich befindet sich hinter den verschiedenen Preislisten der einzelnen Anbieter ein gemeinsamer Auflass, der leicht mit den anderen Sammelauflässen am Wochenende zu koordinieren wäre und der aufgrund der erhöhten Taubenzahl gute Trainings- und Selektionskriterien an die Tauben stellt, auch wenn die Preisliste des einzelnen Veranstalters hinterher eventuell nur wenige hundert Tiere/dutzend Züchter umfasst.


Einschränkungen
Klar ist, dass in einem solchen System von Freiheit dennoch Standards für die Gültigkeit von Preislisten definiert werden müssen. Es sollten insbesondere auch Grenzen der maximalen geografischen Ausdehnung einer Preisliste definiert werden, da ein sehr großes Preislistengebiet ansonsten zu witterungsabhängig wäre, und die Ergebnisse dadurch zu sehr verzerrt würden (siehe hierzu auch den Beitrag "Lage und Wind" im Blog).
Anzumerken ist hierbei, dass die heutige Situation, in der die Zulassung von Preislisten ausschließlich an Mindesttaubenzahlen und Züchterzahlen festgemacht wird, bei zu hohen Zulassungsgrenzen sehr kontraproduktiv ist. Denn dadurch werden in züchterarmen Gegenden die Züchter aus einem zu großflächigen Gebiet in eine Preisliste gezwungen, welche dann aufgrund ihrer Witterungsabhängigkeit sportlich kaum noch zu rechtfertigen ist. Einer Begrenzung der "geografischen Ausdehnung" einer Preisliste ist aus sportlicher Sicht eine höhere Priorität einzuräumen, als der Mindestzüchterzahl oder Mindesttaubenzahl.

Darüber hinaus ist es so, dass sowohl die RegVs, als auch der Verband durch die Definition ihrer einzelnen übergeordneten Meisterschaften wichtige Steuerungselemente in der Hand behalten würden, trotz aller Freiheiten der Züchter. So könnte zum Beispiel durch Meisterschaftsbedingungen, bei denen Flüge verschiedener Klubs am selben Tag nur dann als unterschiedliche Flüge gezählt würden, wenn sie unterschiedliche Auflassorte hätten, gezielt ein unkontrolliertes und beliebiges "Verdoppeln" eines Fluges von einem Auflassort durch Nutzung verschiedener Anbieter verhindert werden. Auch könnte beispielsweise durch einen Modus für eine Allround-Meisterschaft ein Anreiz gesetzt werden, weiterhin möglichst alle Entfernungen zu beschicken.

Dennoch: Mehr Wahlfreiheit und Eigenverantwortung für die Züchter wäre ein Schlüssel zur Konfliktvermeidung, zur terminlichen Flexibilisierung und zur Steigerung der Attraktivität des Flugangebotes, und damit ein wichtiger Schritt in Richtung Erhalt des Brieftaubensportes.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Zukunftskonzept (Teil 1)

In den letzten Jahren wurde viel verändert im deutschen Taubensport. Es wurden Bezirke und Kreisverbände zu Regionalverbänden umgestaltet, und es wurden Meisterschaftsbedingungen und Mindestbedingungen für Flüge beinahe im Jahresrhythmus diskutiert und verändert. Doch hat es auf mich den Anschein, dass all diese Veränderungen nicht zum Ziele hatten, den Taubensport in Deutschland vor dem weiteren Verfall zu bewahren, sondern Detail-Lösungen für irgendwelchen Detail-Probleme darstellten.

Der älteste Vogel auf unserem Schlag ist derzeit 17 Jahre alt, und wenn ich ihn so betrachte, werde ich traurig. Denn es macht mich sehr nachdenklich, dass Jungtauben, die ich 2009 züchten werde, falls sie sein Alter erreichen, wohl noch das Ende des Taubensportes in Deutschland miterleben könnten, wenn wir die Grundprobleme nicht schnellstens und zielgerichtet angehen!

Alle zukünftigen Maßnahmen müssen sich dem einen existenziellen Ziel unterordnen: Nachhaltige Gewinnung neuer Mitglieder für den Taubensport.

Denn wenn es erst einmal zu wenig Mitglieder für das Reisegeschäft gibt, dann sind der Modus der deutschen Meisterschaft, die Mindestgrößen von Preislisten, die Frage, ob eine Brieftaubenausstellung in Dortmund oder Kassel stattfinden sollte oder wie hoch der Verbandsbeitrag sein darf,... überflüssig. Die Analyse (siehe Teil 2) hat jedoch gezeigt, dass eine solche Mitgliedersituation unausweichlich ist, wenn nicht quasi ab sofort gegengesteuert wird. Denn der traditionelle Weg, über den die Brieftaubenzüchter zu Brieftaubenzüchtern wurden, nämlich vom "Vater zum Sohne", funktioniert bereits seit Jahrzehnten nicht mehr, und eine Gewinnung von Neuzüchter aus der Gruppe der über 40-jährigen findet nahezu nicht statt, obwohl gerade diese Altersgruppe beste Voraussetzungen hätte: Familienplanung und Karriere ist unter Dach und Fach, oft wurde bereits Wohneigentum erworben und die Finanzen sind nicht mehr so angespannt, wie bei einem 20-30 Jährigen.

Die Analyse hat weiterhin gezeigt, dass es enorme Hindernisse gibt, für jemanden, der mit unserem schönen Hobby anfangen möchte:

- recht hohe laufende Kosten, aber insbesonders sehr hohe Startkosten bei Neubeginn
- Starke Unruhe und häufiger Streit unter den Züchtern
- Organisatorische Probleme durch die wöchentliche Pflicht zu Preisflügen


Kostenreduzierung auf der Züchterseite
Der größte Teil der Kosten, die auf der Seite des Züchters entstehen, hängt direkt von der Anzahl der gehaltenen Tauben ab: Kosten durch das Futter, Zusatzfuttermittel, Impfungen, Behandlungen, die notwendige Größe des Schlages,...
Eine nachhaltige Kostenreduzierung auf Seiten der Züchter ist also nur über eine REDUZIERUNG DER BESTANDSGRÖSSE, die für eine erfolgreiche Ausübung des Taubensportes notwendig ist, zu erreichen.

Oft wird an dieser Stelle als Gegenargument angeführt, dass doch jeder so viel oder so wenig Tauben halten könne, wie er möchte, und man die Züchter dort keinem Zwang aussetzen sollte. Dieser Meinung bin ich natürlich auch! Doch es wird übersehen, dass es derzeit quasi einen Zwang zu großen Beständen gibt! Alle Meisterschaften, bei denen die X besten Vögel/Weibchen/Jährigen ... eines Schlages zur Erlangung der Meisterschaften zählen, verschaffen Züchtern mit großen Beständen einen systematischen Vorteil, dies steht ausser Frage. Und dies betrifft fast alle für die Mehrheit der Züchter relevanten Meisterschaften (besonders die typischen RV Meisterschaftsmodi).

Wenn ich mit dem Taubensport beginne, möchte ich auch Chancen auf die Meisterschaften haben, sonst könnte ich auch Ziertauben züchten. Richte ich mich auf einen Winterbestand von z.B. nur 40 Tauben ein, weiß ich heutzutage eigentlich sofort, dass ich damit wohl nur sehr schwer, wenn überhaupt RV-Meister werden kann, solange dort die 5 besten Tauben eines Schlages in die Wertung gelangen. Denn es werden auch Züchter antreten, die alleine schon 40 Witwer an den Start bringen.

Flüge mit hohen Taubenzahlen in der Preisliste zeigen eine feinere Abstufung der AS-Punkte, so dass Preislisten mit großen Taubenzahlen für Spitzenzüchter attraktiver sind, da dort mit vier Spitzenpreisen oft höhere Punktzahlen gesammelt werden können. Auch die "Olympiadeformel" zur Berechnung der Punkte, die zur Teilnahme an Olympiaden berechtigen, begünstigt große Taubenzahlen.

Somit haben wir aktuell in Deutschland ohne Zweifel starke Anreize, große Taubenzahlen zu setzen, und große Taubenzahlen in gesammelten Preislisten zusammenzufassen. Ich persönlich freue mich auch über große Taubenzahlen auf einem Flug, es gibt mir ein wenig mehr das Gefühl, gegen eine große Konkurrenz bestehen zu müssen. Doch dürfen wir dabei nicht vergessen, dass nicht die große Taubenzahl die Konkurrenzsituation bestimmt, sondern die dahinter stehende Züchterzahl. Denn wenn beispielsweise 20 Züchter in einer Preislise vertreten sind, sind es 20 Konkurrenten, egal, ob jeder Züchter im Schnitt 10 Tauben oder 30 Tauben gesetzt hat. Allerdings sieht die Preiliste mit 600 Tauben optisch besser aus, als die Preisliste mit 200 Tauben.

Von dieser Denke müssen wir aber unbedingt wegkommen! Nicht die Zahl der Tauben in Deutschland sichert unsere Zukunft, sondern die Zahl der Züchter in Deutschland. Kostenreduktion auf Seiten der Züchter meint immer auch Reduzierung der zum Erfolg notwendigen Bestandsgröße! Liebe Kritiker, ich weiß was ihr jetzt denkt, doch zum Thema Korbgeld werde ich mich weiter unten äussern, es wurde von mir nicht ausser Acht gelassen!

Um die Einstiegshürde für Neuzüchter abzusenken, und um möglichst vielen bestehenden Züchtern die erfolgreiche Ausübung unseres Hobbies auch in Zukunft finanziell zu ermöglichen, müssen DRINGEND auf ALLEN EBENEN die bestehenden Anreizsystem für große Taubenbestände und deren systematische Bevorteilung bei Meisterschaften abgebaut werden. In allen Meisterschaften müssen auch Züchter mit 10 reisenden Tauben ähnliche Chancen zur Erringung der jeweiligen Meisterschaft haben, wie Züchter mit 100 reisenden Tauben! Ich persönlich halte diesen Paradigmenwechsel für den Kernpunkt einer erfolgreichen Zukunftsstrategie!

Zudem ermöglicht ein kleinerer Bestand auch deutlich mehr Menschen auf ihrem Grundstück einen (kleinen) Schlag zu errichten. Denn hier schränken heutzutage zum einen die örtlichen Bebauungspläne, kleiner gewordene Grundstücksparzellen und die aktuellen Richtersprüche in Bezug auf zu duldende Bestandsgrößen die Ausübungsmöglichkeiten des Taubensportes drastisch ein. Und auf diese Veränderungen (insbesondere in den Ballungsräumen) hat der Taubensport bis heute überhaupt nicht reagiert.

Erinnern wir uns an dieser Stelle doch auch einmal daran, wie "groß" die Bestandsgrößen der meisten Züchter in den 50er und 60er Jahren waren, als der Taubensport einen enormen Boom erfuhr?


Kostenreduzierung auf Seiten der RVen
Im Zusammenhang mit einer Diskussion über Taubenzahlen wird reflexartig immer wieder das Korbgeld als Argument angeführt. Es ist heutzutage von den Züchtern so stark verinnerlicht worden, dass weniger Tauben auf einem Flug ein höheres Korbgeld bedeuten, dass sie daraus schließen, dieser Umstand sei mit höheren Reisekosten pro Jahr gleichzusetzen. Um es ganz klar zu sagen: DAS IST BLÖDSINN! DEM IST EINDEUTIG NICHT SO!

Die Reisekosten eines Züchters sind quasi sein Anteil an den Reisekosten seiner RV. Diese Reisekosten einer RV hängen hauptsächlich von fixen Faktoren (wie Abschreibungen des Kabis, Versicherungen, Fahrerentgeld,...) ab. Und die wichtigsten nicht fixen Kosten hängen von den zu fahrenden Kilometern des Kabis ab. Es gibt keine Kosten einer RV, die mit einer steigenden Anzahl der transportierten Tauben sinken würden! Eine hohe Zahl zu transportierender Tauben senkt niemals die Kosten einer RV! Eher steigen die Kosten dadurch sogar, denn durch ein höheres Gewicht verbraucht der Kabi mehr Sprit, es wird mehr Futter benötigt, die Reinigung nach einem Flug dauert länger, es werden mehr Pappen benötigt, der Fahrzeugverschleiß könnte ansteigen,...

Sämtliche Kosten einer RV müssen von den Mitgliedern einer RV getragen werden. Das bedeutet, die Höhe des Anteils eines einzelnen Züchters an den Kosten einer RV hängt in erster Linie von der Zahl der Züchter in einer RV ab, nicht von der Taubenzahl. Damit Züchter, die mehr Tauben setzen, einen höheren Anteil an diesen Kosten tragen, wurde das Korbgeld als eine Umlage der Kosten pro Taube eingeführt. Würden also alle Züchter weniger Tauben schicken, würde sich schlimmstenfalls dieser Verteilungsschlüssel ändern, nicht aber die durchschnittliche Kostenbelastung der Züchter.

Ich hoffe dies ist endlich auch beim letzten Leser dieser Zeilen angekommen, denn das immer wieder auch von Verantwortlichen in den RVen, RegVs und des Verbandes angeführte "Korbgeld-Finanzierungs-Argument", wenn es darum geht, für möglichst hohe Taubenzahlen zu argumentieren, läßt mich fast verzweifeln, da es bar jeder Logik ist!

Wenn man die Verteilung der Kosten einer RV auch weiterhin so gestalten möchte, dass Züchter mit größeren Beständen einen größeren Anteil der RV-Kosten tragen, steht dem nichts im Wege. Alternativ zu einem taubenbezogenen Korbgeld könnten hier aber auch die Zahl der ausgegebenen Verbandsringe, die Größe des Winterbestandes oder andere Kriterien herangezogen werden. Hier ist Phantasie gefragt, jedoch nicht verbohrtes Festhalten an alten Verfahrensweisen, die einer fundamentalen Erneuerung im Wege stehen!

Es ist oben bereits deutlich geworden: Der größte Kostenblock einer RV entsteht durch den eigenen Kabi. Ich will nicht wissen, wie viele der Streitereien unter Züchtern, zwischen RVen und innerhalb von RegVs darauf zurückzuführen sind, dass die RVen irgendwie versuchen, die Kosten für ihren eigenen Kabi reinzubekommen. Da werden Züchter, die eine RV wechseln zu Assets (geldwerte Anlageobjekte), da werden Reisepläne zur Existenzfrage für RVen.

Die Reisekostenanteile der Züchter an den Kosten der RVen haben heute bereits schon mehrere hundert Euro pro Jahr erreicht. Zur Kostenreduzierung auf der Züchterseite gehört damit auch zwingend eine Kostenreduzierung auf der Seite der RVen. Mittelfristig wird es die Entwicklung der Mitgliederzahlen in den RVen ohnehin nicht mehr ermöglichen, dass die RVen auch jeweils ihren eigenen Kabi unterhalten. Je eher wir dies erkennen und eine kostengünstigere Organisationsform finden, desto besser ist dies für den Taubensport.

In vielen anderen Ländern (z.B. Niederlande, Belgien, Österreich) finden wir gute Beispiele, wie es um einiges günstiger geht: Der Transport von Tauben wird übergreifend organisiert und finanziert. Die RVen (Clubs) sind dort eine Zusammenfassung von Züchtern die ihre Tauben zusammen einsetzen, aber sie sind nicht länger eine Zusammenfassung von Züchtern, die zwingend ihren eigenen Kabi finanzieren müssen.

Würden von einer übergreifenden Organisation Kabi-Transportkapazitäten zur Verfügung gestellt, und unterschiedliche RVen würden ein Transportkontingent bei dieser Organisation buchen, hätte das einige Vorteile. Die Transport-Organisation kann durch mehrere RVen in einem Kabi für eine sehr viel bessere Auslastung der Kabis sorgen. Und dies ist der Schlüssel zur Kostensenkung: Maximale Ausnutzung der Kabis!

Würde zusätzlich eine solche Transport-Organisation als Solidarpakt aller Züchter einer Region oder am besten sogar deutschlandweit verstanden werden, könnten mittlere Transportkosten überall gleich hoch sein. Dies könnte dem durch explodierene Transportkosten selbstbeschleunigenden Verfall des Taubensportes in züchterarmen Gegenden entgegen wirken.

Auch würden durch ähnliche Reisekosten in den verschiedenen RVen der "Krieg um die Mitglieder", der derzeit zwischen manchen RVen stattfindet (siehe verschiedene Ehrengerichtsverfahren zum § 10 der Verbandssatzung) aufhören.

Als nachteilig werden manche Leser sicher den Verlust der liebgewonnenen Selbstständigkeit bei der obigen Verfahrensweise anführen. Doch zum einen wird diese Selbstständigkeit der RVen ohnehin nicht mehr sehr lange erhalten bleiben können, und die Bildung von größeren Transportgemeinschaften deuten die obige Entwicklung ja heute bereits an. Zum anderen hat diese Selbstständigkeit dazu geführt, dass heutzutage jede RV hinter einem anderen Busch auflässt. Kreuzende Schwärme sind immer wieder (wie in diesem Reisejahr besonders leidvoll festzustellen war) für sehr schwere Flugverläufe verantwortlich. Es wurde sogar extra eine Verbandskommission gegründet, um diesen Wildwuchs an Auflässen und Auflassorten einzudämmen und zu koordinieren. Ein Schritt in die obengenannte Richtung würde also mehrer Probleme gleichzeitig helfen, zu verringern.



Weitere Kostenreduzierung für Neuanfänger
Nicht nur die laufenden Kosten, sondern ganz besonders die Startkosten für Neuanfänger sind heutzutage problematisch. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, so dass es wieder attraktiv ist, auch mit einem kleinen Taubenbestand zu starten, da es auch damit noch realistische Chancen auf Meisterschaften gibt, können wir den Start eines Neuzüchters nochmals erheblich erleichtern, wenn wir die Startkosten zusätzlich reduzieren können.

Denkbare Unterstützungsmaßnahmen sind hier:
1.) Sammlung von funktionstüchtigem, gebrauchtem Konstatier- und Schlagequipment innerhalb eines Regionalverbandes, welches dann Neuzüchtern kostengünstig/kostenlos bei Neubeginn zur Verfügung gestellt wird. Da leider immer wieder Schläge aufgelöst werden oder Sportfreunde versterben, wird die Menge dieses gebrauchten Equipments eher zu statt abnehmen. Insbesondere potentiellen Neuzüchtern mit geringerer finanzieller Ausstattung (und dies müssen eben nicht immer nur Jugendliche sein!) könnte hierdurch ein Start deutlich erleichtert werden. Die zentrale Sammlung dieses "Parks für gebrauchtes Equipment" hat für Neulinge in unserem Sport den Vorteil, dass es einen dauerhaft bestehenden Anlaufpunkt in dieser Frage gibt. Diesen Service am potentiellen Neuzüchter kann man dann auch entsprechend bewerben und publik machen. So würde man dem Image, mit dem Taubensport zu beginnen, wäre sehr teuer, wirkungsvoll entgegenwirken!

2.) Für einen kleinen Winterbestand von z.B. 40 Tauben ließe sich sicherlich eine Art "VOLKSSCHLAG" konstruieren. Dieser könnte besonders kostengünstig produziert werden, wenn der Verband als übergeordnete Organisation diesen Schlag in Form eines Starter-Paketes (z.B. zusammen mit Checklisten und Hilfen wie Bauanträgen, Zeichnungen für Genehmigungen und einer Info-Broschüre mit Grundlagen über die erfolgreiche Ausübung des Taubensportes) bewirbt und "vermarktet". Denn so könnten entsprechend große Stückzahlen abgesetzt werden. Wichtig ist aber, dass dieser "Volksschlag" ein erfolgreiches Reisen und Züchten ermöglichen muss. Alle notwendigen Elemente für eine erfolgreiche Ausübung des Taubensportes müssen im Schlag abgebildet werden können. Und er muß möglichst flexibel aufstellbar
(da klein) sein. Eine Runde von sehr erfahrenen Top-Züchtern und Schlagherstellern könnte hier sicherlich ein sehr gutes Konzept entwickeln!
Mit einem solchen Volksschlag würde also die notwendige Investition in den ersten Schlag möglichst gering ausfallen. Und durch flankierende Maßnahmen, wie Hilfe bei Planung und Genehmigung des Schlages und Gundlegenden Infos zur Haltung der Tauben, könnte so die Anfangshürde für Neuzüchter drastisch herabgesetzt werden!

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Analyse (Teil 2)

Im vorherigen Teil habe ich die Ergebnisse einer Umfrage diskutiert, die nach den größten Hindernissen für den Taubensport fragte. Zwei wichtige Aspekte dieser Umfrage möche ich noch einmal detaillierter beleuchten. Zum einen gaben nahezu 41% die hohe Kostenbelastung bei der Ausübung des Taubensportes an, zum anderen verwiesen nahezu 51% auf die Alterstruktur als großes Hindernis.


Ist der Taubensport (zu) teuer?
Nahezu immer, wenn über den Taubensport in der heutigen Zeit gesprochen wird, wird auch auf die "hohen Kosten", die dieses Hobby bereitet, verwiesen. Um nicht einfach nur Oftgenanntes zu wiederholen, sondern eine Quantifizierung der Situation zu versuchen, damit gegebenenfalls Ansatzpunkte für Veränderungen entdeckt werden können, habe ich detaillierter nachgefragt.
Wieviel geben wir Taubenzüchter denn eigentlich pro Jahr so für unsere Tauben aus? Da die Bestandsgrößen sehr unterschiedlich sind und jahreszeitlich auch noch stark schwanken, wurde nach den Ausgaben gefragt, die man pro Taube, welche überwintert, derzeit bezahlt. Da ein Großteil der heutigen Kostenpunkte tatsächlich proportional von derAnzahl der gehaltenen Tauben abhängt (Korbgelder, Futter, Präparate, Impfungen, Ringe, elektronische Ringe,...), sollte das Ergebnis ungefäre Rückschlüsse auf die tatsächlichen monatlichen Kosten unseres Hobbies zulassen.

Wenn wir von einer durchschnittlichen Bestandsgröße von 80 Tieren im Winter ausgehen, geben etwa 20% aller Züchter nicht mehr als 100€ pro Monat (1200€/Jahr) als laufende Kosten für ihre Tauben aus. 100,-€ pro Monat entspricht in etwa einer 700 km Fahrt mit dem Auto, oder einer Schachtel Zigaretten alle zwei Tage. Taubensport, selbst in einer kostenreduzierten Version ist also nicht umsonst, jedoch für die Mehrheit der Bevölkerung derzeit sicher bezahlbar. Es zeigt sich zudem, dass es prinzipiel möglich ist, mit einem realtiv geringen Betrag die laufenden Kosten unseres Hobbies zu decken.


Die Tatsache, dass 80% der Befragten deutlich mehr (grob 45% sogar viel mehr als das Doppelte) für unser Hobby pro Monat aufbringen, zeigt zudem, dass nach wie vor eine Zahlungbereitschaft unter den vorhandenen Züchtern für ihr Hobby existiert, die teilweise deutlich über das Minimum von grob 100,-€ pro Monat hinaus geht. Vergleicht man die aktuellen laufenden Kosten für den Taubensport mit den Kosten anderer Hobbies (z.B. Skifahren, Tennis, Surfen, ein teureres Auto,....), oder betrachtet man sich die Preise, die Tauben im Schnitt in Auktionen erzielen, so wird deutlich, dass Kosten in der Diskussion um die Zukunftsfähigkeit unseres Hobbies sicher relevant sind. Die laufenden Kosten können aber sachlich betrachtet nicht der wesentliche Grund für die heutige und sich abzeichnende Mitglieder-Misere sein.

Sicher ist auch die aktuelle Diskussion über eine mögliche Erhöhung der Verbandsmitgliederbeiträge um 23,50€ pro Jahr verständlich, falls die Ursache dafür in Versäumnissen von Verantwortlichen liegen sollte (worüber ich mir aber kein Urteil erlauben kann und auch nicht erlauben möchte). Doch ist diese Diskussion über 23,50€ angesichts dessen, was Züchter tatsächlich pro Jahr für ihre Tauben aufwenden, lachhaft. Erst recht, wenn dann auch noch ernsthaft Konsequenzen diskutiert werden, wie "man benötige keinen Verband", oder "man werde dadurch den Taubensport drangeben". Ursachen für Letzteres liegen sicher tiefer, als in zusätzlichen 23,50€ begründet zu sein!

Dennoch: Wissenschaftler in der Ökonomie haben bewiesen, dass Geld zu verlieren zweimal stärker schmerzt, als Geld zu bekommen glücklich macht. Die subjektive Wirkung von Kosten auf die Mitgliederentwicklung, insbesondere in Form des letzten Quäntchens, "das ein Züchterfass zum Überlaufen bringt", darf nicht unterschätzt werden.
Dies zeigt auch eine weitere Umfrage, in der explizit gefragt wurde, ob sich die Befragten den Taubensport derzeit noch leisten können.


Grob 1/10tel aller Befragten antworteten hier mit "kaum noch aufzubringen" oder mit "nicht mehr aufzubringen". Grob 1/3tel der Züchter gaben an, nur mit Einschränkungen das Geld aufbringen zu können (zusammen also grob 44% und damit eine Plausibilitätsbestätigung der Zahl von 41% aus der im ersten Teil beschriebenen Umfrage).
Es gibt also keinen Zweifel: Auch wenn die Situation der laufenden Kosten für den einzelnen Züchter derzeit noch nicht im sehr kritischen Bereich ist, MUSS ein Zukunftskonzept Ansätze zur systemischen Reduzierung der Laufenden Kosten des Taubensportes beinhalten!

Zudem kommen neben den laufenden Kosten auf einen potentiellen Neuzüchter ja erhebliche Investitionskosten von ca. 3.000-10.000,-€ zu, die er hauptsächlich für Schläge, Schlageinrichtungen, Konstatierequipment und Tauben investieren muß. Diese Einstiegsshürde MUSS durch ein Zukunftskonzept ebenfalls abgesenkt werden, sonst wird die Gewinnung neuer Züchter tatsächlich an den relativ hohen Startkosten unseres Hobbies scheitern!

Und last not least ist die Kostensituation der RVen ein bereits akut kritisches Thema. Durch den immensen Mitglieder-Rückgang leben viele RVen derzeit nur noch von der Substanz oder einzelnen privaten Gönnern. Ein Zusammenbruch dieser Strukturen ist jedoch bereits heute schon bei notwendigen Großanschaffungen (wie z.B. einem neuen Kabi) kaum noch zu verhindern. Ein Zukunftskonzept MUSS also zusätzlich nachhaltig finanzierbare Strukturen fördern, damit auch in Zukunft kleine Einheiten den Taubensport bezahlbar organisieren können.



Wie wurden wir Taubenzüchter?
Mit einer Betrachtung der Altersstruktur der Mitglieder ist derzeit immer auch der daraus folgende abzusehende dramatische Mitglieder-Rückgang in den nächsen Jahren zu sehen. Wenn man über diesen starken Mitgliederschwund spricht, muss im gleichen Zuge über Möglichkeiten zur Mitgliedergewinnung gesprochen werden. Und insbesondere bei der Beantwortung dieser Frage ist es sehr wichtig, zunächst einmal zu verstehen, wie die aktuellen Mitglieder eigentlich zum Taubensport gekommen sind.


Wenn wir uns anschauen, seit wann heutige Taubenzüchter einen eigenen Schlag besitzen und eigenverantwortlich Reisen, wird deutlich, dass grob 2/3tel aller Züchter bereits vor dem 20. Lebensjahr zum Taubensport gefunden haben. Sie sind es somit wahrscheinlich über das Elternhaus, in dem bereits Tauben existierten geworden. Jenseits eines Alters von 40 Jahren haben dagegen nur grob 6% neu mit dem Taubensport begonnen. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der heutigen Altersstruktur in den RVen nur als niederschmetternd zu bezeichnen!

Da wir heute in kaum einer RV noch mehr als einen jungen Züchter unter 20 Jahren finden und nur sehr wenige unter 40 Jahren, und da bisher über 40-jährige praktisch nie für unser Hobby gewonnen werden konnten, wie diese Umfrage zeigt, bedeuten diese Zahlen nicht weniger, als dass unser Hobby in grob 20 (maximal 30) Jahren komplett verschwunden ist. Denn die dann noch verbliebenen potentiell 1 - 2000 Züchter können über Deutschland verteilt keine Wettflüge oder ähnliches mehr ausrichten!

Wer derzeit immer noch der Meinung ist, dass der Taubensport in Deutschland sich zwar zukünftig verändern wird, man wohl etwas weiter fahren wird müssen, aber dass er dennoch weiter bestehen wird, muss einsehen, dass dem nicht so ist.

Der Taubensport wird aufhören zu existieren, wenn wir es nicht schaffen neue Wege der Mitgliederwerbung über das Traditionelle "vom Vater zum Sohne" hinaus zu etablieren, denn dieser traditionelle Weg der Mitgliederwerbung funktioniert seit grob 20 Jahren nicht mehr. Dies sind Fakten! Mitgliederwerbung und möglichst günstige Bedingungen für Neuzüchter zu schaffen MÜSSEN daher zentrale Punkte eines Zukunftskonzeptes sein, denen ALLES andere unterzuordnen ist.


Gibt es Hoffnung?
Doch es gibt sogar sehr berechtigte Hoffnung, zukünftig Züchter für unser Hobby zu gewinnen. Zunächst zeigte das Ergebnis der Umfrage "Würdest du wieder mit Brieftauben anfangen?", dass grob 85% der Befragten auch zukünftig dieses Hobby beginnen würden.


Dieser Wert ist als sehr hoch einzustufen, da ja bereits zuvor grob 44% angaben, unter den Kosten zu leiden, und jeweils grob 50% zuviel Streit und zu wenig Geselligkeit in der Züchterschaft sehen! Die Erklärung für diesen hohen Wert liefert diese Umfrage gleich mit: Tauben machen quasi "süchtig"! Über 36% der Befragten gaben an, dass sie bezüglich eines Wiederanfanges zwar skeptisch wären, aber dass sie wohl nicht von den Tauben loskommen würden.


In einer weiteren Umfrage in der Züchter, die bereits einmal mit Brieftauben aufhören mußten, gefragt wurden, wann sie wieder mit den Tauben anfingen, zeigte sich ein sehr ähnlicher Verlauf, wie in der Umfrage nach dem Einstiegsalter, nur eben um ein paar Jahre versetzt. Dies zeigt, wer einmal Tauben hatte, fängt gemeinhin nach 5 bis 10 Jahren wieder damit an. Solche Pausen im Züchterleben sind nichts ungewöhnliches,denn grob 60% aller Befragten (77 von 132) antworteten auf diese Umfrage, die sich ja nur an solche Züchter richtete, die bereits das Hobby mal unterbrechen mußten.

Ein Zukunftskonzept sollte also die Mitgliederwerbung bei Menschen, die bereits früher Kontakt mit Tauben hatten beinhalten, da dort ein besonders fruchtbarer Boden für die Idee, Brieftauben zu halten, vorhanden ist. Und dass die Zahl dieser und anderer Personen, die eventuell dem Brieftaubensport zugetan wären, nicht gerade gering ist, zeigte dann eine weitere Umfrage sehr deutlich.


Auf die Frage, wieviele Personen die Befragten kennen, die man realistischer Weise zum Taubensport bewegen könnte, antworteten zwar grob 2/3tel mit "niemanden". Doch 1/3tel kannten eine bis über drei Personen dieser Art.

Aus den genannten Zahlen ergäbe sich ein Potential von grob 70 potentiellen Neuzüchtern auf 100 Befragte! Ein enormer Wert. Selbst wenn man beachtet, dass wohl die ältere Züchtergeneration (die an der Umfrage nur stark unterrepräsentiert teilnahm) weniger Leute kennen würde, und ein paar Befragte eventuell ein und die selbe Person vor Augen hatten, und man daher den genannten Wert somit beispielsweise durch drei teilen würde, ergäbe sich dennoch ein bereits bekanntes Potential von grob 6500 Interessenten, die man durch geeignete Mitgliederwerbe-Maßnahmen gegebenenfalls (wieder) zur Taubenzucht motivieren könnte.

Darüber hinaus gibt es immer ein verborgenes Potential, das wir noch nicht erkennen könnnen, und sich erst zeigen würde, wenn wir aktiv nach neuen Züchtern suchen würden.

Es ist die enorme Faszination der Kreatur Brieftaube, die uns retten kann! Hinzu kommt, dass Tierliebe immer Konjunktur hat. Auch ist heutzutage die Kaufkraft deutlich höher, als zu Zeiten des Booms des Taubensportes. Zudem ist die Eigenheimquote (in/auf Mieteigentum ist Taubenhaltung eher selten möglich) höher als damals, und die Menge an Freizeit hat in den letzten Jahrzehnten ebenfalls eher zu statt abgenommen. Es sollte also sachlich gesehen möglich sein, den Verfall aufzuhalten. So schlecht sind die Vorraussetzungen dafür zumindest nicht.

Grundvorraussetzung ist jedoch, dass die Zukunft aktiv gestaltet wird, und wir Taubenzüchter nicht wie gelähmt in die Schlange blicken und uns in unser sonst absehbares Schicksal ergeben.

Konkrete Ideen als mögliche Teile eines Zukunftskonzeptes möchte ich in den nächsten Beiträgen versuchen zu entwickeln.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Analyse (Teil 1)

Dem Brieftaubensport in Deutschland geht es nicht gerade gut. Er ist ein kranken Patient, und sein Leiden ist sicher vielschichtiger Natur. Doch wie ernst ist es tatsächlich? Woran leidet er im Detail, und ist der Verfallsprozeß aufzuhalten? Als ein Züchter, der gerne noch Jahrzehnte lang dieses faszinierende Hobby ausüben möchte und als Mensch, der an die Kraft guter Ideen glaubt, möchte ich versuchen, mich dem Thema zu nähern.

Zunächst einmal möchte ich versuchen eine Analyse des Status Quo durchzuführen. Im Forum der bekannten Internet Seite www.internet-taubenschlag.de hatte ich im Sommer 2008 zu diesem Zweck verschiedene Umfragen gestartet.

Dieses Forum wird regelmäßig von hunderten von Züchtern besucht. Die Alterstruktur dieser Besucher entspricht natürlich nicht einem repräsentativen Querschnitt durch die Züchterschaft. In einer Umfrage vom 28.01.08 zeigte sich, dass nur grob 1/10tel der Forumsteilnehmer im Rentneralter sind, wohingegen sogar 1/3tel der Forumsteilnehmer unter 40 Jahren jung sind. Dies entspricht ganz sicher nicht der Alterstruktur der Züchterschaft und ist daher bei der Bewertung der späteren Umfragen zu berücksichtigen. Dennoch repräsentiert diese Zusammensetzung relativ gut die Klientel der jüngeren Züchter, auf die die nächsten Jahrzehnte des Brieftaubensportes auszurichten sind, da sie die Züchterschaft der nächsten 10 bis 20 Jahre stellen.

Eine weitere Umfrage vom 30.01.08 zeigte zudem, dass etwa die Hälfte der dieses Forum besuchenden Züchter zu den besser spielenden Züchtern gehört. Jedenfalls gaben sie an, zu den besten 10% in ihrer RV zu gehören. Auch dies ist bei der Beurteilung der folgenden Umfragen zu beachten und ggf. bei der Interpretation mit einzubeziehen.

Auf einige bemerkenswerte Ergebnisse möchte ich hier zunächst eingehen.


Warum züchten wir Brieftauben?
Um Ideen zu entwickeln, wie wir den Mitgliederschwund aufhalten können, ist die Beantwortung dieser trivialen Frage von grundlegender Bedeutung. Ebenso ist es wichtig, zu beleuchten, warum einige von uns keine Tauben mehr halten, und was die Hinderungsgründe und aktuellen Hindernisse hierbei gewesen sind. Viel ist dazu sicher andernorts bereits geschrieben und gemutmaßt worden. Doch hat die direkte Befragung einige wichtige zusätzliche Aspekte geliefert.

(Durch anklicken wird das Bild vergrößert dargestellt)

Das Ergebnis dieser Umfrage (mehrere Antworten waren erlaubt) ist gleich in mehreren Punkten bemerkenswert:
1.) Grob 80% der Befragten züchten Brieftauben aufgrund der Faszination, die von diesen einzigartigen Geschöpfen ausgeht. Es ist also die Liebe zu diesen Tieren, die mit sehr weitem Abstand alle anderen Gründe hinter sich gelassen hat. Insbesondere auf diese Tierliebe muß sich also auch eine Zukunftsstrategie gründen.

2.) Als zweithäufigst genannter Punkt wird der "Zeitvertreib" mit und bei den Tauben genannt. Das heißt also, "auf dem Schlag die Seele baumeln lassen", sprich die Entspannung die wir durch die durch die Tiere erfahren, hat einen enorm hohen Stellenwert.

3.) Die anspruchsvolle Aufgabe sehr gute Tauben zu züchten, wurde als dritthäufigster Grund genannt.

Somit sind von der weit überwiegenden Anzahl der Befragten Gründe genannt worden, die NICHTS direkt mit Meisterschaftsmodi, Reiserichtungen, oder Organisationsformen zu tun haben. Doch genau auf diese Gebiete schien sich die Diskussion über die Zukunft des Taubensportes bisher zu fokussieren.

Klar ist, dass erhebliche strukturelle Probleme zu lösen sind und dass es hier tatsächlich ein deutliche Anpassungen braucht. Doch müssen sich Veränderungen der Meisterschaftsmodi des Reisegeschehens und der Organisationsformen ausschließlich an dem Ziel, den Brieftaubensport zu erhalten, orientieren und dürfen kein Selbstzweck sein! Denn bei alledem darf die Grundmotivation für unser schönes Hobby nicht aus den Augen verloren werden: Die Taube!

Zudem ist als Ergebnis dieser Umfrage wichtig festzuhalten, dass die immer wieder geäußerten "negativen" Motive, die vielen Sportfreunde bei der Ausübung des Taubensportes unterstellt werden, nämlich die Absicht immer nur "Geld mit Tauben verdienen zu wollen" und auch Ehrgeiz, keine wesentliche Rolle in den angegebenen Motivationen spielen. Zwar gab grob 1/5tel der Befragten an, Tauben zu halten, um Meister werden zu wollen, doch ist dies ein bemerkenswert niedriger Wert, wenn man bedenkt, dass die Hälfte der befragten Züchter ja selbst zu den erfolgreicheren Züchtern ihrer RVen gehören. Die weniger Erfolgreichen werden sicher in keinem höheren Prozentsatz die Meisterwürden als Motivation anführen.

Als Konsequenz, wäre es der Diskussion über die Zukunft des Taubensportes also sehr dienlich, wenn sich alle Diskussionsteilnehmer mit Vorwürfen wie, es ginge ja nur um die Besitzstandswahrung einiger Top-Leute oder um den Kommerz, zurückhalten würden und sich ausschließlich mit der Sachlage der eigentlichen Probleme auseinandersetzen würden.

Und somit sind wir auch schon bei der Frage nach den Hemmnissen und Hindernissen für den Taubensport.


Was sind die aktuellen Hindernisse?
Auch hier konnten die Befragten mehrere Gründe anführen. Besonders auffallend ist zunächst, dass auf 7 von 10 vorgegebenen Gründen nennenswerte Stimmenanteile entfielen. Dies verdeutlicht die große Verunsicherung in der Züchterschaft, die sehr viele unterschiedliche Gründe sieht und hieraus folgend wohl auch eine gewisse Ohnmacht empfindet. Eventuell liefert dies eine Erklärung für den unerklärlichen Stillstand in der Reform des Taubensportes und dem tatenlosen Zusehen seines Niederganges.

Die Altersstruktur der Züchterschaft wurde erwartungsgemäß als häufigster Grund für die Misere genannt, schließlich hat jeder Züchter diese Entwicklung Woche für Woche vor Augen. Doch weitaus bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die Punkte "Schwindendes Gemeinschaftsgefühl" und "Streit unter Züchtern" mit jeweils grob 50% nahezu ebensohäufig genannt wurden. Schon aus der oben genannten Umfrage ging hervor, dass die Züchter lieber bei ihren Tauben sind, als mit Züchterkollegen gesellig zusammenzusitzen, doch hier wird ein wichtiger Kern des Problems sehr deutlich:

Es gibt zu viele Punkte an denen bei der Ausübung des Taubensportes Streit unter den Züchtern innerhalb einer RV entstehen kann. Die Züchter stehen natürlich untereinander im Wettkampf. Und dass hieraus ein Spannungsgefüge entsteht, ist sicher normal. Doch die Heftigkeit und Häufigkeit mit der hier derzeit untereinander gestritten wird, ist sehr auffällig. Dies habe ich als Wiedereinsteiger in den Taubensport bereits sehr leidlich erfahren müssen, und dies empfindet ein großer Teil der Züchterschaft offensichtlich ebenso.
Eine Zukunftstrategie, die Erfolg haben will, MUSS diese Streitpunkte beseitigen. Da man, wie Eltern wissen, nicht jeden Streit lösen kann, sollte alternativ auch "die Wegnahme des jeweiligen Spielszeuges, über dass die 'Kinder' sich streiten" erwogen werden.

Der Punkt der hohen zeitlichen Belastung wurde mit grob 45% als vierthäufigstes genannt. Dies ist vor dem Hintergrund der anteilig doch relativ jungen Züchter, die an den Umfragen teilnahmen, ebenfalls keine Überraschung. Sie zeigt, wie sehr insbesondere gerade die Züchter, die die Zukunft für den Taubensport bedeuten, mit der aktuellen Organisationsform zu kämpfen haben.


Dies wurde auch in einer weiteren durchgeführten Umfrage ("Wie gut ist die Saisongestaltung mit wöchentlichen Flügen für dich machbar?") sehr deutlich. Hierbei gaben 34% (1/3tel!) aller Befragten Antworten an, die von "nur mit Einschränkungen machbar" bis "nicht machbar" reichten.

Wie will der Taubensport Nachwuchs und Neuzüchter gewinnen, wenn unter der jüngeren Züchterschaft 1/3tel zeitliche Probleme mit der aktuellen Organisationsform haben? Ein Zukunftskonzept MUSS auch hier eine Lösung finden. Die Interessen der jüngeren/neueren Züchter müssen gegenüber der strukturellen Mehrheit der ältere Züchter-Generation nicht nur gewahrt bleiben, sondern notfalls durchgesetzt werden, sonst gibt es keine Zukunft! Über Mehrheitsentscheidungen an der Basis werden hier wohl schwer Veränderungen zu erreichen sein, eben wegen der strukturellen Minderheit der betroffenen jüngeren Züchtergeneration!

Der Punkt der "finanziellen Belastung" wurde ebenfalls mit grob 40% sehr häufig genannt. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man allein schon die Entwicklung der Futterpreise in 2007 betrachtet. Dennoch muss dieser Punkt detaillierter betrachtet werden, was in einem späteren Teil geschehen wird.


Worüber wird so oft gestritten?
Um den Ursachen der Streitigkeiten unter den Züchtern etwas näher zu kommen wurde in einer Ergänzungsumfrage nach den Ursachen und Themen gefragt, über die so viel Streit und Unruhe ausbricht.

Es ist klar, dass ein Konzept zur Sicherung der Zukunft des Taubensportes keinen Streit schlichten kann. Zumal, wie die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, grob 1/3tel der Streitigkeiten wohl rein persönliche Gründe besitzen oder für Aussenstehende schlicht nicht nachvollziehbar sind. Dennoch ist bemerkenswert, dass Züchter untereinander wohl so ziemlich über alles streiten, nur nicht über Zucht und Reisemethoden! Also genau das, was eigentlich Gegenstand des Taubensportes ist, ist nicht Gegenstand der Streitereien. Das gibt berechtigten Grund zur Hoffnung, dass es sich nicht um ein Taubensport immanentes Problem handelt!

Zudem ist sehr auffällig, dass alle anderen wichtigen Streitpunkte jenseits der Streitigkeiten, die aus Erfolg und Misserfolg von Züchtern entstehen (und die es sicher in jedem Sport gibt, da es immer Gewinner und Verlierer geben wird), auf Dingen beruhen, die auf der Organisation des Reisegeschehens beruhen: "Lage und deren Vor und Nachteile", "Richtungswechsel/Reiserichtung", Auflassentscheidungen" und "Reiseplan"!
Das heißt in einer Reformation des Reisegeschehens liegen auch Ansatzpunkte einen Teil dieser Streitigkeiten zu verhindern oder zumindest abzumildern!

Streit zwischen verschiedenen Parteien entsteht immer dann, wenn eine Gruppe von einer Situation/Entscheidung betroffen ist, und eine andere Gruppe für diese Situation/Entscheidung Verantwortung trägt. Ein Schlüssel zur Entschärfung einiger Konflikt könnte daher sicherlich eine Neuverteilung der Verantwortlichkeiten sein.
Bei der Entschärfung des Konfliktpunktes "Lage und die daraus resultierenden Vor- und Nachteile" ist es sinnvoll, nicht irgendeine Meisterschaftsphilosophie in den Vordergrund eines Lösungsansatzes zu stellen, sondern sich an den objektiv vorhandenen physikalischen Abhängigkeiten, die diesem Problem zugrunde liegen, zu orientieren (siehe auch meinen Blog-Beitrag "Die Lage und und der Wind").