Donnerstag, 16. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Zukunftskonzept (Teil 1)

In den letzten Jahren wurde viel verändert im deutschen Taubensport. Es wurden Bezirke und Kreisverbände zu Regionalverbänden umgestaltet, und es wurden Meisterschaftsbedingungen und Mindestbedingungen für Flüge beinahe im Jahresrhythmus diskutiert und verändert. Doch hat es auf mich den Anschein, dass all diese Veränderungen nicht zum Ziele hatten, den Taubensport in Deutschland vor dem weiteren Verfall zu bewahren, sondern Detail-Lösungen für irgendwelchen Detail-Probleme darstellten.

Der älteste Vogel auf unserem Schlag ist derzeit 17 Jahre alt, und wenn ich ihn so betrachte, werde ich traurig. Denn es macht mich sehr nachdenklich, dass Jungtauben, die ich 2009 züchten werde, falls sie sein Alter erreichen, wohl noch das Ende des Taubensportes in Deutschland miterleben könnten, wenn wir die Grundprobleme nicht schnellstens und zielgerichtet angehen!

Alle zukünftigen Maßnahmen müssen sich dem einen existenziellen Ziel unterordnen: Nachhaltige Gewinnung neuer Mitglieder für den Taubensport.

Denn wenn es erst einmal zu wenig Mitglieder für das Reisegeschäft gibt, dann sind der Modus der deutschen Meisterschaft, die Mindestgrößen von Preislisten, die Frage, ob eine Brieftaubenausstellung in Dortmund oder Kassel stattfinden sollte oder wie hoch der Verbandsbeitrag sein darf,... überflüssig. Die Analyse (siehe Teil 2) hat jedoch gezeigt, dass eine solche Mitgliedersituation unausweichlich ist, wenn nicht quasi ab sofort gegengesteuert wird. Denn der traditionelle Weg, über den die Brieftaubenzüchter zu Brieftaubenzüchtern wurden, nämlich vom "Vater zum Sohne", funktioniert bereits seit Jahrzehnten nicht mehr, und eine Gewinnung von Neuzüchter aus der Gruppe der über 40-jährigen findet nahezu nicht statt, obwohl gerade diese Altersgruppe beste Voraussetzungen hätte: Familienplanung und Karriere ist unter Dach und Fach, oft wurde bereits Wohneigentum erworben und die Finanzen sind nicht mehr so angespannt, wie bei einem 20-30 Jährigen.

Die Analyse hat weiterhin gezeigt, dass es enorme Hindernisse gibt, für jemanden, der mit unserem schönen Hobby anfangen möchte:

- recht hohe laufende Kosten, aber insbesonders sehr hohe Startkosten bei Neubeginn
- Starke Unruhe und häufiger Streit unter den Züchtern
- Organisatorische Probleme durch die wöchentliche Pflicht zu Preisflügen


Kostenreduzierung auf der Züchterseite
Der größte Teil der Kosten, die auf der Seite des Züchters entstehen, hängt direkt von der Anzahl der gehaltenen Tauben ab: Kosten durch das Futter, Zusatzfuttermittel, Impfungen, Behandlungen, die notwendige Größe des Schlages,...
Eine nachhaltige Kostenreduzierung auf Seiten der Züchter ist also nur über eine REDUZIERUNG DER BESTANDSGRÖSSE, die für eine erfolgreiche Ausübung des Taubensportes notwendig ist, zu erreichen.

Oft wird an dieser Stelle als Gegenargument angeführt, dass doch jeder so viel oder so wenig Tauben halten könne, wie er möchte, und man die Züchter dort keinem Zwang aussetzen sollte. Dieser Meinung bin ich natürlich auch! Doch es wird übersehen, dass es derzeit quasi einen Zwang zu großen Beständen gibt! Alle Meisterschaften, bei denen die X besten Vögel/Weibchen/Jährigen ... eines Schlages zur Erlangung der Meisterschaften zählen, verschaffen Züchtern mit großen Beständen einen systematischen Vorteil, dies steht ausser Frage. Und dies betrifft fast alle für die Mehrheit der Züchter relevanten Meisterschaften (besonders die typischen RV Meisterschaftsmodi).

Wenn ich mit dem Taubensport beginne, möchte ich auch Chancen auf die Meisterschaften haben, sonst könnte ich auch Ziertauben züchten. Richte ich mich auf einen Winterbestand von z.B. nur 40 Tauben ein, weiß ich heutzutage eigentlich sofort, dass ich damit wohl nur sehr schwer, wenn überhaupt RV-Meister werden kann, solange dort die 5 besten Tauben eines Schlages in die Wertung gelangen. Denn es werden auch Züchter antreten, die alleine schon 40 Witwer an den Start bringen.

Flüge mit hohen Taubenzahlen in der Preisliste zeigen eine feinere Abstufung der AS-Punkte, so dass Preislisten mit großen Taubenzahlen für Spitzenzüchter attraktiver sind, da dort mit vier Spitzenpreisen oft höhere Punktzahlen gesammelt werden können. Auch die "Olympiadeformel" zur Berechnung der Punkte, die zur Teilnahme an Olympiaden berechtigen, begünstigt große Taubenzahlen.

Somit haben wir aktuell in Deutschland ohne Zweifel starke Anreize, große Taubenzahlen zu setzen, und große Taubenzahlen in gesammelten Preislisten zusammenzufassen. Ich persönlich freue mich auch über große Taubenzahlen auf einem Flug, es gibt mir ein wenig mehr das Gefühl, gegen eine große Konkurrenz bestehen zu müssen. Doch dürfen wir dabei nicht vergessen, dass nicht die große Taubenzahl die Konkurrenzsituation bestimmt, sondern die dahinter stehende Züchterzahl. Denn wenn beispielsweise 20 Züchter in einer Preislise vertreten sind, sind es 20 Konkurrenten, egal, ob jeder Züchter im Schnitt 10 Tauben oder 30 Tauben gesetzt hat. Allerdings sieht die Preiliste mit 600 Tauben optisch besser aus, als die Preisliste mit 200 Tauben.

Von dieser Denke müssen wir aber unbedingt wegkommen! Nicht die Zahl der Tauben in Deutschland sichert unsere Zukunft, sondern die Zahl der Züchter in Deutschland. Kostenreduktion auf Seiten der Züchter meint immer auch Reduzierung der zum Erfolg notwendigen Bestandsgröße! Liebe Kritiker, ich weiß was ihr jetzt denkt, doch zum Thema Korbgeld werde ich mich weiter unten äussern, es wurde von mir nicht ausser Acht gelassen!

Um die Einstiegshürde für Neuzüchter abzusenken, und um möglichst vielen bestehenden Züchtern die erfolgreiche Ausübung unseres Hobbies auch in Zukunft finanziell zu ermöglichen, müssen DRINGEND auf ALLEN EBENEN die bestehenden Anreizsystem für große Taubenbestände und deren systematische Bevorteilung bei Meisterschaften abgebaut werden. In allen Meisterschaften müssen auch Züchter mit 10 reisenden Tauben ähnliche Chancen zur Erringung der jeweiligen Meisterschaft haben, wie Züchter mit 100 reisenden Tauben! Ich persönlich halte diesen Paradigmenwechsel für den Kernpunkt einer erfolgreichen Zukunftsstrategie!

Zudem ermöglicht ein kleinerer Bestand auch deutlich mehr Menschen auf ihrem Grundstück einen (kleinen) Schlag zu errichten. Denn hier schränken heutzutage zum einen die örtlichen Bebauungspläne, kleiner gewordene Grundstücksparzellen und die aktuellen Richtersprüche in Bezug auf zu duldende Bestandsgrößen die Ausübungsmöglichkeiten des Taubensportes drastisch ein. Und auf diese Veränderungen (insbesondere in den Ballungsräumen) hat der Taubensport bis heute überhaupt nicht reagiert.

Erinnern wir uns an dieser Stelle doch auch einmal daran, wie "groß" die Bestandsgrößen der meisten Züchter in den 50er und 60er Jahren waren, als der Taubensport einen enormen Boom erfuhr?


Kostenreduzierung auf Seiten der RVen
Im Zusammenhang mit einer Diskussion über Taubenzahlen wird reflexartig immer wieder das Korbgeld als Argument angeführt. Es ist heutzutage von den Züchtern so stark verinnerlicht worden, dass weniger Tauben auf einem Flug ein höheres Korbgeld bedeuten, dass sie daraus schließen, dieser Umstand sei mit höheren Reisekosten pro Jahr gleichzusetzen. Um es ganz klar zu sagen: DAS IST BLÖDSINN! DEM IST EINDEUTIG NICHT SO!

Die Reisekosten eines Züchters sind quasi sein Anteil an den Reisekosten seiner RV. Diese Reisekosten einer RV hängen hauptsächlich von fixen Faktoren (wie Abschreibungen des Kabis, Versicherungen, Fahrerentgeld,...) ab. Und die wichtigsten nicht fixen Kosten hängen von den zu fahrenden Kilometern des Kabis ab. Es gibt keine Kosten einer RV, die mit einer steigenden Anzahl der transportierten Tauben sinken würden! Eine hohe Zahl zu transportierender Tauben senkt niemals die Kosten einer RV! Eher steigen die Kosten dadurch sogar, denn durch ein höheres Gewicht verbraucht der Kabi mehr Sprit, es wird mehr Futter benötigt, die Reinigung nach einem Flug dauert länger, es werden mehr Pappen benötigt, der Fahrzeugverschleiß könnte ansteigen,...

Sämtliche Kosten einer RV müssen von den Mitgliedern einer RV getragen werden. Das bedeutet, die Höhe des Anteils eines einzelnen Züchters an den Kosten einer RV hängt in erster Linie von der Zahl der Züchter in einer RV ab, nicht von der Taubenzahl. Damit Züchter, die mehr Tauben setzen, einen höheren Anteil an diesen Kosten tragen, wurde das Korbgeld als eine Umlage der Kosten pro Taube eingeführt. Würden also alle Züchter weniger Tauben schicken, würde sich schlimmstenfalls dieser Verteilungsschlüssel ändern, nicht aber die durchschnittliche Kostenbelastung der Züchter.

Ich hoffe dies ist endlich auch beim letzten Leser dieser Zeilen angekommen, denn das immer wieder auch von Verantwortlichen in den RVen, RegVs und des Verbandes angeführte "Korbgeld-Finanzierungs-Argument", wenn es darum geht, für möglichst hohe Taubenzahlen zu argumentieren, läßt mich fast verzweifeln, da es bar jeder Logik ist!

Wenn man die Verteilung der Kosten einer RV auch weiterhin so gestalten möchte, dass Züchter mit größeren Beständen einen größeren Anteil der RV-Kosten tragen, steht dem nichts im Wege. Alternativ zu einem taubenbezogenen Korbgeld könnten hier aber auch die Zahl der ausgegebenen Verbandsringe, die Größe des Winterbestandes oder andere Kriterien herangezogen werden. Hier ist Phantasie gefragt, jedoch nicht verbohrtes Festhalten an alten Verfahrensweisen, die einer fundamentalen Erneuerung im Wege stehen!

Es ist oben bereits deutlich geworden: Der größte Kostenblock einer RV entsteht durch den eigenen Kabi. Ich will nicht wissen, wie viele der Streitereien unter Züchtern, zwischen RVen und innerhalb von RegVs darauf zurückzuführen sind, dass die RVen irgendwie versuchen, die Kosten für ihren eigenen Kabi reinzubekommen. Da werden Züchter, die eine RV wechseln zu Assets (geldwerte Anlageobjekte), da werden Reisepläne zur Existenzfrage für RVen.

Die Reisekostenanteile der Züchter an den Kosten der RVen haben heute bereits schon mehrere hundert Euro pro Jahr erreicht. Zur Kostenreduzierung auf der Züchterseite gehört damit auch zwingend eine Kostenreduzierung auf der Seite der RVen. Mittelfristig wird es die Entwicklung der Mitgliederzahlen in den RVen ohnehin nicht mehr ermöglichen, dass die RVen auch jeweils ihren eigenen Kabi unterhalten. Je eher wir dies erkennen und eine kostengünstigere Organisationsform finden, desto besser ist dies für den Taubensport.

In vielen anderen Ländern (z.B. Niederlande, Belgien, Österreich) finden wir gute Beispiele, wie es um einiges günstiger geht: Der Transport von Tauben wird übergreifend organisiert und finanziert. Die RVen (Clubs) sind dort eine Zusammenfassung von Züchtern die ihre Tauben zusammen einsetzen, aber sie sind nicht länger eine Zusammenfassung von Züchtern, die zwingend ihren eigenen Kabi finanzieren müssen.

Würden von einer übergreifenden Organisation Kabi-Transportkapazitäten zur Verfügung gestellt, und unterschiedliche RVen würden ein Transportkontingent bei dieser Organisation buchen, hätte das einige Vorteile. Die Transport-Organisation kann durch mehrere RVen in einem Kabi für eine sehr viel bessere Auslastung der Kabis sorgen. Und dies ist der Schlüssel zur Kostensenkung: Maximale Ausnutzung der Kabis!

Würde zusätzlich eine solche Transport-Organisation als Solidarpakt aller Züchter einer Region oder am besten sogar deutschlandweit verstanden werden, könnten mittlere Transportkosten überall gleich hoch sein. Dies könnte dem durch explodierene Transportkosten selbstbeschleunigenden Verfall des Taubensportes in züchterarmen Gegenden entgegen wirken.

Auch würden durch ähnliche Reisekosten in den verschiedenen RVen der "Krieg um die Mitglieder", der derzeit zwischen manchen RVen stattfindet (siehe verschiedene Ehrengerichtsverfahren zum § 10 der Verbandssatzung) aufhören.

Als nachteilig werden manche Leser sicher den Verlust der liebgewonnenen Selbstständigkeit bei der obigen Verfahrensweise anführen. Doch zum einen wird diese Selbstständigkeit der RVen ohnehin nicht mehr sehr lange erhalten bleiben können, und die Bildung von größeren Transportgemeinschaften deuten die obige Entwicklung ja heute bereits an. Zum anderen hat diese Selbstständigkeit dazu geführt, dass heutzutage jede RV hinter einem anderen Busch auflässt. Kreuzende Schwärme sind immer wieder (wie in diesem Reisejahr besonders leidvoll festzustellen war) für sehr schwere Flugverläufe verantwortlich. Es wurde sogar extra eine Verbandskommission gegründet, um diesen Wildwuchs an Auflässen und Auflassorten einzudämmen und zu koordinieren. Ein Schritt in die obengenannte Richtung würde also mehrer Probleme gleichzeitig helfen, zu verringern.



Weitere Kostenreduzierung für Neuanfänger
Nicht nur die laufenden Kosten, sondern ganz besonders die Startkosten für Neuanfänger sind heutzutage problematisch. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, so dass es wieder attraktiv ist, auch mit einem kleinen Taubenbestand zu starten, da es auch damit noch realistische Chancen auf Meisterschaften gibt, können wir den Start eines Neuzüchters nochmals erheblich erleichtern, wenn wir die Startkosten zusätzlich reduzieren können.

Denkbare Unterstützungsmaßnahmen sind hier:
1.) Sammlung von funktionstüchtigem, gebrauchtem Konstatier- und Schlagequipment innerhalb eines Regionalverbandes, welches dann Neuzüchtern kostengünstig/kostenlos bei Neubeginn zur Verfügung gestellt wird. Da leider immer wieder Schläge aufgelöst werden oder Sportfreunde versterben, wird die Menge dieses gebrauchten Equipments eher zu statt abnehmen. Insbesondere potentiellen Neuzüchtern mit geringerer finanzieller Ausstattung (und dies müssen eben nicht immer nur Jugendliche sein!) könnte hierdurch ein Start deutlich erleichtert werden. Die zentrale Sammlung dieses "Parks für gebrauchtes Equipment" hat für Neulinge in unserem Sport den Vorteil, dass es einen dauerhaft bestehenden Anlaufpunkt in dieser Frage gibt. Diesen Service am potentiellen Neuzüchter kann man dann auch entsprechend bewerben und publik machen. So würde man dem Image, mit dem Taubensport zu beginnen, wäre sehr teuer, wirkungsvoll entgegenwirken!

2.) Für einen kleinen Winterbestand von z.B. 40 Tauben ließe sich sicherlich eine Art "VOLKSSCHLAG" konstruieren. Dieser könnte besonders kostengünstig produziert werden, wenn der Verband als übergeordnete Organisation diesen Schlag in Form eines Starter-Paketes (z.B. zusammen mit Checklisten und Hilfen wie Bauanträgen, Zeichnungen für Genehmigungen und einer Info-Broschüre mit Grundlagen über die erfolgreiche Ausübung des Taubensportes) bewirbt und "vermarktet". Denn so könnten entsprechend große Stückzahlen abgesetzt werden. Wichtig ist aber, dass dieser "Volksschlag" ein erfolgreiches Reisen und Züchten ermöglichen muss. Alle notwendigen Elemente für eine erfolgreiche Ausübung des Taubensportes müssen im Schlag abgebildet werden können. Und er muß möglichst flexibel aufstellbar
(da klein) sein. Eine Runde von sehr erfahrenen Top-Züchtern und Schlagherstellern könnte hier sicherlich ein sehr gutes Konzept entwickeln!
Mit einem solchen Volksschlag würde also die notwendige Investition in den ersten Schlag möglichst gering ausfallen. Und durch flankierende Maßnahmen, wie Hilfe bei Planung und Genehmigung des Schlages und Gundlegenden Infos zur Haltung der Tauben, könnte so die Anfangshürde für Neuzüchter drastisch herabgesetzt werden!

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