Montag, 20. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Zukunftskonzept (Teil 3)

Was hat das Bild mit dem Gemüsestand vom Wochenmarkt mit Taubensport zu tun, mögen sich manche vielleicht Fragen. Nein, es geht mir nicht um den Einkauf von vitaminreichem Grünzeug für unsere Lieblinge. Ähnlich wie ein Gemüsestand im Wettbewerb zu den anderen auf diesem Markt steht, steht der Taubensport im Wettbewerb zu anderen Freizeitbeschäftigungen.

Immer wieder hören wir, dass der Taubensport Nachwuchsprobleme hat, da "die jungen Leute" heute so viele andere Hobbies viel lieber machen. Nun in der Blütezeit des Taubensportes in Deutschland war die Freizeit-Industrie noch nicht so ausgebaut, wie heute. Das Leben war stärker als heute geprägt durch Arbeit und ein Hobby war auch ein wenig "Urlaub-Ersatz" denn den konnten sich viele noch gar nicht leisten.

Die Welt hat sich seit diesen Tagen deutlich verändert. Das Angebot an Freizeitbeschäftigungen ist seither explodiert, sprich wir haben nur noch einen von hunderten Gemüseständen auf diesem Markt. Auf diese grundlegende Veränderung hat der Taubensport aus meiner Sicht bis heute nicht reagiert. Wir hoffen weiterhin, dass die potentiellen "Kunden" unbeeindruckt von den hundert anderen zielsicher gerade unseren Gemüsestand finden. Was leider aber nicht passiert.

Aus der katastrophalen Mitgliederentwicklung (besonders, wenn man die Neumitgliederzahlen betrachtet) leiten wird dann ab, dass niemand mehr Taubensport betreiben möchte (sprich: dass unser Gemüse schlecht sei). Doch das ist FALSCH!

Weder hat die Faszination der Brieftaube auf uns Züchter nachgelassen, noch sind andere Rahmenbedingungen, wie der Besitz von Wohneigentum, das für Freizeitzwecke verfügbare Einkommen, die Menge der verfügbaren Freizeit, sowie das Bedürfnis der Menschen der Natur nahe zu sein, oder sich im spielerischen Wettkampf zu messen in den letzten Jahrzehnten geringer geworden!

Im Gegenteil: Vieles davon ist besser geworden! Wie in den vorherigen Teilen bereits geschrieben, gibt es sicher einige interne Gründe, die die Attraktivität des Brieftaubensportes derzeit stark behindern. Um im Bild zu bleiben: Wir sollten also so schnell wie möglich die wurmstichigen Möhren vom Stand nehmen. Doch eine andere, ganz wesentliche Sache für einen Zukunftserhalt des Brieftaubensportes ist es, das wir endlich "das Maul aufbekommen" und uns bemerkbar machen auf diesem Markt der Freizeitaktivitäten. Sprich, es liegt an uns, aktiv Werbung in unserer Sache zu machen, und nicht darauf zu warten, dass jemand über uns "stolpert"!


Konkrete Interessentenansprache
Wenn ich etwas verkaufen will, muß ich mir zunächst Gedanken darüber machen, wer denn ein Interesse daran haben könnte. Denn dann kann ich meine Kraft auf diese Personengruppe konzentrieren. Für uns heißt dies, dass wir zunächst die potentiellen Interessenten für den Taubensport identifizieren müssen.

Die Umfragen haben hierfür erste Hinweise geliefert: Die meisten Züchter sind von der Briefttaube als solches fasziniert. Sprich: Menschen, die sehr tierlieb sind, die sich ohnehin schon für Kleintiere interessieren und zur Kleintierhaltung Kontakt haben, sind aussichtsreiche Interessenten. Konkrete Werbemaßnahmen sollten also beispielsweise an Kleintierzüchter, deren Vereine und Verbände gerichtet sein.

Desweiteren hat die Analyse gezeigt, dass viele Taubensportler ihr Hobby öfter einmal unterbrechen (müssen). Aber es besteht eine gewisse "Sucht", die ehemalige Brieftaubenzüchter wieder "rückfällig" werden läßt, weil unsere kleinen Freunde eben so faszinierend sind. Und eben hier liegt eine sehr chancenreiche Klientel verborgen:
Menschen, die in ihrem Leben bereits Kontakt zum Taubensport hatten, aber entweder damit aufgehört haben, oder aber bis heute noch nicht über ein konkretes Starten mit eigenen Tauben und Schlag nachgedacht hatten. Diese Personengruppe ist meiner Meinung nach die erfolgsversprechendste, um Menschen (wieder) für unser Hobby zu begeistern.

Doch auch diese Menschen müssen wir zunächst einmal kennen, um sie dann durch konkrete Ansprache und Hilfsmaßnahmen zum Start einer Taubenzüchterlaufbahn zu motivieren. Daher benötigen wir Strukturen und Mechanismen, mit denen wir diese Menschen identifizieren, um dann anschließend konkret für unser Hobby werben zu können. Wir benötigen also ganz klar ein zentral gesteuertes Marketing in eigener Sache. Und dies sogar dringlicher, als beispielsweise eine Zeitschrift oder die Verbandsklinik, die wir ja bereits haben. Nicht, dass ich etwas gegen die vorgenannten Einrichtungen hätte, ganz im Gegenteil, aber unsere Existenzsicherung hat schließlich die höchste Priorität.

Viele besonders der älteren Sportfreunde wissen auch heute noch sehr genau, wer früher alles Züchter war, wessen Vater oder Opa, Brieftauben hatte. Dieses Wissen ist wertvoll. Wir sollten so schnell wie möglich beginnen, diese Daten und Namen zu sammeln und zu erhalten, bevor dieses Wissen gänzlich verloren geht. In einer konzertierten Aktion und Anfrage
ausgehend vom "Marketing", über die RegVs und Rven auf die Vereine herunter gebrochen könnte dies geschehen.

Würden wir diese Namen und Adressen haben, so könnten wir gezielt auf diese Menschen zugehen, und durch eine Basisinformation über den Taubensport und die Möglichkeiten seiner Ausübung dieses Hobbies gegebenenfalls deren Interesse wecken. Dies könnten Einladungen an Familien und Interessenten im Rahmen von "Tagen der offenen Tür" bei Einsatzstellen oder Züchtern sein. Dies könnte eine persönliche Ansprache durch örtliche Züchter sein, dies könnte das Versenden einer Info- und Imagebroschüre, die als Appetitanreger dient und mit Kontaktadressen versehen ist, sein. Dies könnte die konkrete Bewerbung von "Endflug-Parties" bei One-Loft-Races sein. Hier ist vieles denkbar mit dem wir unsere Mitmenschen wieder in Kontakt mit unserem Hobby bringen. Und es würde seine Wirkung ganz sicher nicht verfehlen, der Funke wird wieder auf den einen oder anderen überspringen! Wir müssen nur endlich damit anfangen.


Leuchturm-Projekte
Wir leben im Medienzeitalter. Wenn wir die Medien für uns nutzen wollen, müssen wir interessante Dinge bieten, sozusagen Leuchttürme, die das Thema Taubensport weit über die Reichweite unserer eigenen Kontakte hinausstrahlen. Ein denkbares Beispiel: Ein hochrangiges (mit nationalen Ehren verbundenes) One-Loft-Race, auf das auch externe Wetten (sozusagen von Jedermann) angenommen werden, und dessen Werdegang und Abschlußrennen für das Fernsehen aufbereitet wird.

Dies ist natürlich nur eine Idee von vielem Möglichem. Wenn man sich dem Gedanken öffnet, dass die Neugierde, die Passanten des öfteren an unserem Hobby zeigen, wenn sie an unseren Schlägen vorbeispazieren oder unsere Auflässe beim Training beobachten, auf viele Menschen zutrifft, und dass dieses Interesse durchaus auch für Medien interessant sein kann, kommen sicher noch weitere gute Ideen zustande.



Hausaufgaben machen
Natürlich ist es wichtig, dass wir zunächst unsere Hausaufgaben machen. Zum einen also, wie oben bereits gesagt, dass wir die schlechten Möhren vom Stand nehmen, und unsere strukturellen Probleme in Angriff nehmen. Zum anderen, dass wir den potentiellen Interessenten und Neuanfängern direkt mit fertigen Lösungen den Einstieg so gut wie möglich erleichtern (siehe "Starter Paket" im Konzept Teil 2). Also nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen, direkt losrennen und werben, und die Interessenten dann aber alleine lassen mit unseren Problemen. So etwas wäre sogar kontraproduktiv.


Zusammenfassung
Die in meinen letzten Blogs geschriebenen Dinge mögen manchem Leser zu weit weg von der heutigen Realität erscheinen, oder schlicht nicht umsetzbar. Ich bin bewußt, dass ich als relativer "Neuzüchter", der noch nicht so sehr lange
Einblicke in die heutigen Strukturen und Mechanismen des Taubensportes in Deutschland hatte, ein wenig "von draussen" argumentiere und zu meinen Schlüssen komme.

Dennoch: Ich denke, dass gerade dieser Blick von draussen, ohne die jahrelangen (für manche oft desillusionierenden) Erfahrungen im Tagesgeschaft der Vereine, RVen und RegVs zu guten Ansätzen führen kann, da nicht sofort jeder neue Gedanke eine negative Assoziation und Abwehr-Reaktion hervorruft.
Ich möchte die wichtigsten Gedanken an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen:

1. Das oberste Ziel, an dem sich alles andere orientieren muss, ist die nachhaltige Gewinnung von Neuzüchtern

2. Brieftauben sind so faszinierend, dass sie fast "süchtig" machen. Die ist eine Riesenchance für uns!

3. Fortwährender Streit unter Züchtern über Auflässe, Reiserichtungen, Reisepläne sind ein aktuelles Hauptproblem. Der Schlüssel diese Situation zu entschärfen liegt in der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit des einzelnen Züchters.

4. Die freie Wahl der RV und eine Anerkennung von Preisflugergebnissen, die bei verschiedenen Veranstaltern errungen werden, würde viele Streitpunkte entschärfen, und würde einen Anreiz zu attraktiven Angeboten der einzelnen im Wettbewerb stehenden RVen schaffen. Dies käme der Attraktivität des Sportes insgesamt zugute.

5. Ein Drittel der jüngeren Züchterschaft hat zeitliche Probleme mit dem wöchentlichen Zwang, an der Reise teilnehmen zu müssen, um die wichtigsten Meisterschaften zu erringen. Streichergebnisse in allen Meisterschaftsmodi, bis hinunter auf RV-Ebene sollten daher eingeführt werden, damit die Züchter auch ohne Probleme mal ein Wochenende aussetzen können.

6. Die Kosten der eigenen Kabis führen bei den RVen und TGs zu einem für den Sport schädlichen Kampf um die reisenden Schläge. Eine Trennung des Transportes der Tauben von den anderen Aufgaben der RVen und eine überregionale Zusammenfassung der Transporte könnte die RVen von dem Zwang befreien, die Züchter in erster Linie nur noch als Einnahmequelle für den kaum noch zu finanzierenden Kabi zu sehen. Eine Transportorganisation könnte wöchentliche verschiedenste Auflassorte in den nachgefragten Himmelsrichtungen anfahren. Durch eine optimale Ausnutzung der Transportkapazitäten würden die Transportkostenanteile für den einzelnen Züchter drastisch gesenkt werden.

7. Das bestehende Anreizsystem für große Taubenbestände, welches durch die Meisterschaften mit Wertungen wie "X beste Tauben" gesetzt wird, schadet dem Taubensport enorm, da kleine Bestände gleichbedeutend mit geringeren Chancen sind. Somit fallen die Start-Investitionen für den Neuzüchter sehr hoch aus, wenn er Konkurrenzfähig sein möchte. Auch Platzbedarf, Betreuungsaufwand und laufende Kosten steigen mit der Bestandsgröße. Wenn auch kleine Bestände ähnliche Chancen hätten, würden es Neuzüchter sehr viel einfacher haben. Alle Meisterschaftsmodi müssen daher so umgestaltet werden, dass auch kleine Bestände ähnliche Chancen haben. (in eigener Sache: Mit einer Reisemannschaft von bis zu 48 Alttieren profitiere von den derzeitigen Anreizssystemen, und bin dennoch für eine Änderung!)

8. Eine weitere Absenkung der Starthürde für Neuzüchter kann durch ein Starter-Paket errreicht werden, in dem ein funktionierender günstiger Schlag, zusammen mit Checklisten, Infos und Ratgebern für den Neubeginn, angeboten wird. Ebenso könnte ein Gebrauchtgeräte Pool für Neuanfänger die Start-Investitionen absenken.

9. Um neue Züchter zu werben, müssen wir aktiv Marketing in eigener Sache betreiben. Wir dürfen nicht länger passiv bleiben.
Eine zentrale Stelle sollte diese Marketingaktivitäten koordinieren und steuern. Hierzu gehören, Erhebung von Adressen von potentiellen Interessenten, Bereitstellung von Informationsbroschüren, Schaffung eines "Starter-Paketes", Starten von konzertierten Aktionen...

10. Mit Hilfe von Leuchtturm-Projekten, das Interesse der Medien wecken und so (mehr oder minder subtil) für den Taubensport werben.


1 Kommentar:

  1. Dieses Zukunftskonzept finde ich sehr gut! Interessanter Bericht! Sehr informativ! Vielen Dank!

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