Dienstag, 14. Oktober 2008

Taubensport in Deutschland. Analyse (Teil 1)

Dem Brieftaubensport in Deutschland geht es nicht gerade gut. Er ist ein kranken Patient, und sein Leiden ist sicher vielschichtiger Natur. Doch wie ernst ist es tatsächlich? Woran leidet er im Detail, und ist der Verfallsprozeß aufzuhalten? Als ein Züchter, der gerne noch Jahrzehnte lang dieses faszinierende Hobby ausüben möchte und als Mensch, der an die Kraft guter Ideen glaubt, möchte ich versuchen, mich dem Thema zu nähern.

Zunächst einmal möchte ich versuchen eine Analyse des Status Quo durchzuführen. Im Forum der bekannten Internet Seite www.internet-taubenschlag.de hatte ich im Sommer 2008 zu diesem Zweck verschiedene Umfragen gestartet.

Dieses Forum wird regelmäßig von hunderten von Züchtern besucht. Die Alterstruktur dieser Besucher entspricht natürlich nicht einem repräsentativen Querschnitt durch die Züchterschaft. In einer Umfrage vom 28.01.08 zeigte sich, dass nur grob 1/10tel der Forumsteilnehmer im Rentneralter sind, wohingegen sogar 1/3tel der Forumsteilnehmer unter 40 Jahren jung sind. Dies entspricht ganz sicher nicht der Alterstruktur der Züchterschaft und ist daher bei der Bewertung der späteren Umfragen zu berücksichtigen. Dennoch repräsentiert diese Zusammensetzung relativ gut die Klientel der jüngeren Züchter, auf die die nächsten Jahrzehnte des Brieftaubensportes auszurichten sind, da sie die Züchterschaft der nächsten 10 bis 20 Jahre stellen.

Eine weitere Umfrage vom 30.01.08 zeigte zudem, dass etwa die Hälfte der dieses Forum besuchenden Züchter zu den besser spielenden Züchtern gehört. Jedenfalls gaben sie an, zu den besten 10% in ihrer RV zu gehören. Auch dies ist bei der Beurteilung der folgenden Umfragen zu beachten und ggf. bei der Interpretation mit einzubeziehen.

Auf einige bemerkenswerte Ergebnisse möchte ich hier zunächst eingehen.


Warum züchten wir Brieftauben?
Um Ideen zu entwickeln, wie wir den Mitgliederschwund aufhalten können, ist die Beantwortung dieser trivialen Frage von grundlegender Bedeutung. Ebenso ist es wichtig, zu beleuchten, warum einige von uns keine Tauben mehr halten, und was die Hinderungsgründe und aktuellen Hindernisse hierbei gewesen sind. Viel ist dazu sicher andernorts bereits geschrieben und gemutmaßt worden. Doch hat die direkte Befragung einige wichtige zusätzliche Aspekte geliefert.

(Durch anklicken wird das Bild vergrößert dargestellt)

Das Ergebnis dieser Umfrage (mehrere Antworten waren erlaubt) ist gleich in mehreren Punkten bemerkenswert:
1.) Grob 80% der Befragten züchten Brieftauben aufgrund der Faszination, die von diesen einzigartigen Geschöpfen ausgeht. Es ist also die Liebe zu diesen Tieren, die mit sehr weitem Abstand alle anderen Gründe hinter sich gelassen hat. Insbesondere auf diese Tierliebe muß sich also auch eine Zukunftsstrategie gründen.

2.) Als zweithäufigst genannter Punkt wird der "Zeitvertreib" mit und bei den Tauben genannt. Das heißt also, "auf dem Schlag die Seele baumeln lassen", sprich die Entspannung die wir durch die durch die Tiere erfahren, hat einen enorm hohen Stellenwert.

3.) Die anspruchsvolle Aufgabe sehr gute Tauben zu züchten, wurde als dritthäufigster Grund genannt.

Somit sind von der weit überwiegenden Anzahl der Befragten Gründe genannt worden, die NICHTS direkt mit Meisterschaftsmodi, Reiserichtungen, oder Organisationsformen zu tun haben. Doch genau auf diese Gebiete schien sich die Diskussion über die Zukunft des Taubensportes bisher zu fokussieren.

Klar ist, dass erhebliche strukturelle Probleme zu lösen sind und dass es hier tatsächlich ein deutliche Anpassungen braucht. Doch müssen sich Veränderungen der Meisterschaftsmodi des Reisegeschehens und der Organisationsformen ausschließlich an dem Ziel, den Brieftaubensport zu erhalten, orientieren und dürfen kein Selbstzweck sein! Denn bei alledem darf die Grundmotivation für unser schönes Hobby nicht aus den Augen verloren werden: Die Taube!

Zudem ist als Ergebnis dieser Umfrage wichtig festzuhalten, dass die immer wieder geäußerten "negativen" Motive, die vielen Sportfreunde bei der Ausübung des Taubensportes unterstellt werden, nämlich die Absicht immer nur "Geld mit Tauben verdienen zu wollen" und auch Ehrgeiz, keine wesentliche Rolle in den angegebenen Motivationen spielen. Zwar gab grob 1/5tel der Befragten an, Tauben zu halten, um Meister werden zu wollen, doch ist dies ein bemerkenswert niedriger Wert, wenn man bedenkt, dass die Hälfte der befragten Züchter ja selbst zu den erfolgreicheren Züchtern ihrer RVen gehören. Die weniger Erfolgreichen werden sicher in keinem höheren Prozentsatz die Meisterwürden als Motivation anführen.

Als Konsequenz, wäre es der Diskussion über die Zukunft des Taubensportes also sehr dienlich, wenn sich alle Diskussionsteilnehmer mit Vorwürfen wie, es ginge ja nur um die Besitzstandswahrung einiger Top-Leute oder um den Kommerz, zurückhalten würden und sich ausschließlich mit der Sachlage der eigentlichen Probleme auseinandersetzen würden.

Und somit sind wir auch schon bei der Frage nach den Hemmnissen und Hindernissen für den Taubensport.


Was sind die aktuellen Hindernisse?
Auch hier konnten die Befragten mehrere Gründe anführen. Besonders auffallend ist zunächst, dass auf 7 von 10 vorgegebenen Gründen nennenswerte Stimmenanteile entfielen. Dies verdeutlicht die große Verunsicherung in der Züchterschaft, die sehr viele unterschiedliche Gründe sieht und hieraus folgend wohl auch eine gewisse Ohnmacht empfindet. Eventuell liefert dies eine Erklärung für den unerklärlichen Stillstand in der Reform des Taubensportes und dem tatenlosen Zusehen seines Niederganges.

Die Altersstruktur der Züchterschaft wurde erwartungsgemäß als häufigster Grund für die Misere genannt, schließlich hat jeder Züchter diese Entwicklung Woche für Woche vor Augen. Doch weitaus bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die Punkte "Schwindendes Gemeinschaftsgefühl" und "Streit unter Züchtern" mit jeweils grob 50% nahezu ebensohäufig genannt wurden. Schon aus der oben genannten Umfrage ging hervor, dass die Züchter lieber bei ihren Tauben sind, als mit Züchterkollegen gesellig zusammenzusitzen, doch hier wird ein wichtiger Kern des Problems sehr deutlich:

Es gibt zu viele Punkte an denen bei der Ausübung des Taubensportes Streit unter den Züchtern innerhalb einer RV entstehen kann. Die Züchter stehen natürlich untereinander im Wettkampf. Und dass hieraus ein Spannungsgefüge entsteht, ist sicher normal. Doch die Heftigkeit und Häufigkeit mit der hier derzeit untereinander gestritten wird, ist sehr auffällig. Dies habe ich als Wiedereinsteiger in den Taubensport bereits sehr leidlich erfahren müssen, und dies empfindet ein großer Teil der Züchterschaft offensichtlich ebenso.
Eine Zukunftstrategie, die Erfolg haben will, MUSS diese Streitpunkte beseitigen. Da man, wie Eltern wissen, nicht jeden Streit lösen kann, sollte alternativ auch "die Wegnahme des jeweiligen Spielszeuges, über dass die 'Kinder' sich streiten" erwogen werden.

Der Punkt der hohen zeitlichen Belastung wurde mit grob 45% als vierthäufigstes genannt. Dies ist vor dem Hintergrund der anteilig doch relativ jungen Züchter, die an den Umfragen teilnahmen, ebenfalls keine Überraschung. Sie zeigt, wie sehr insbesondere gerade die Züchter, die die Zukunft für den Taubensport bedeuten, mit der aktuellen Organisationsform zu kämpfen haben.


Dies wurde auch in einer weiteren durchgeführten Umfrage ("Wie gut ist die Saisongestaltung mit wöchentlichen Flügen für dich machbar?") sehr deutlich. Hierbei gaben 34% (1/3tel!) aller Befragten Antworten an, die von "nur mit Einschränkungen machbar" bis "nicht machbar" reichten.

Wie will der Taubensport Nachwuchs und Neuzüchter gewinnen, wenn unter der jüngeren Züchterschaft 1/3tel zeitliche Probleme mit der aktuellen Organisationsform haben? Ein Zukunftskonzept MUSS auch hier eine Lösung finden. Die Interessen der jüngeren/neueren Züchter müssen gegenüber der strukturellen Mehrheit der ältere Züchter-Generation nicht nur gewahrt bleiben, sondern notfalls durchgesetzt werden, sonst gibt es keine Zukunft! Über Mehrheitsentscheidungen an der Basis werden hier wohl schwer Veränderungen zu erreichen sein, eben wegen der strukturellen Minderheit der betroffenen jüngeren Züchtergeneration!

Der Punkt der "finanziellen Belastung" wurde ebenfalls mit grob 40% sehr häufig genannt. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man allein schon die Entwicklung der Futterpreise in 2007 betrachtet. Dennoch muss dieser Punkt detaillierter betrachtet werden, was in einem späteren Teil geschehen wird.


Worüber wird so oft gestritten?
Um den Ursachen der Streitigkeiten unter den Züchtern etwas näher zu kommen wurde in einer Ergänzungsumfrage nach den Ursachen und Themen gefragt, über die so viel Streit und Unruhe ausbricht.

Es ist klar, dass ein Konzept zur Sicherung der Zukunft des Taubensportes keinen Streit schlichten kann. Zumal, wie die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, grob 1/3tel der Streitigkeiten wohl rein persönliche Gründe besitzen oder für Aussenstehende schlicht nicht nachvollziehbar sind. Dennoch ist bemerkenswert, dass Züchter untereinander wohl so ziemlich über alles streiten, nur nicht über Zucht und Reisemethoden! Also genau das, was eigentlich Gegenstand des Taubensportes ist, ist nicht Gegenstand der Streitereien. Das gibt berechtigten Grund zur Hoffnung, dass es sich nicht um ein Taubensport immanentes Problem handelt!

Zudem ist sehr auffällig, dass alle anderen wichtigen Streitpunkte jenseits der Streitigkeiten, die aus Erfolg und Misserfolg von Züchtern entstehen (und die es sicher in jedem Sport gibt, da es immer Gewinner und Verlierer geben wird), auf Dingen beruhen, die auf der Organisation des Reisegeschehens beruhen: "Lage und deren Vor und Nachteile", "Richtungswechsel/Reiserichtung", Auflassentscheidungen" und "Reiseplan"!
Das heißt in einer Reformation des Reisegeschehens liegen auch Ansatzpunkte einen Teil dieser Streitigkeiten zu verhindern oder zumindest abzumildern!

Streit zwischen verschiedenen Parteien entsteht immer dann, wenn eine Gruppe von einer Situation/Entscheidung betroffen ist, und eine andere Gruppe für diese Situation/Entscheidung Verantwortung trägt. Ein Schlüssel zur Entschärfung einiger Konflikt könnte daher sicherlich eine Neuverteilung der Verantwortlichkeiten sein.
Bei der Entschärfung des Konfliktpunktes "Lage und die daraus resultierenden Vor- und Nachteile" ist es sinnvoll, nicht irgendeine Meisterschaftsphilosophie in den Vordergrund eines Lösungsansatzes zu stellen, sondern sich an den objektiv vorhandenen physikalischen Abhängigkeiten, die diesem Problem zugrunde liegen, zu orientieren (siehe auch meinen Blog-Beitrag "Die Lage und und der Wind").

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen