Im vorherigen Teil habe ich die Ergebnisse einer Umfrage diskutiert, die nach den größten Hindernissen für den Taubensport fragte. Zwei wichtige Aspekte dieser Umfrage möche ich noch einmal detaillierter beleuchten. Zum einen gaben nahezu 41% die hohe Kostenbelastung bei der Ausübung des Taubensportes an, zum anderen verwiesen nahezu 51% auf die Alterstruktur als großes Hindernis.
Ist der Taubensport (zu) teuer?
Nahezu immer, wenn über den Taubensport in der heutigen Zeit gesprochen wird, wird auch auf die "hohen Kosten", die dieses Hobby bereitet, verwiesen. Um nicht einfach nur Oftgenanntes zu wiederholen, sondern eine Quantifizierung der Situation zu versuchen, damit gegebenenfalls Ansatzpunkte für Veränderungen entdeckt werden können, habe ich detaillierter nachgefragt.
Wieviel geben wir Taubenzüchter denn eigentlich pro Jahr so für unsere Tauben aus? Da die Bestandsgrößen sehr unterschiedlich sind und jahreszeitlich auch noch stark schwanken, wurde nach den Ausgaben gefragt, die man pro Taube, welche überwintert, derzeit bezahlt. Da ein Großteil der heutigen Kostenpunkte tatsächlich proportional von derAnzahl der gehaltenen Tauben abhängt (Korbgelder, Futter, Präparate, Impfungen, Ringe, elektronische Ringe,...), sollte das Ergebnis ungefäre Rückschlüsse auf die tatsächlichen monatlichen Kosten unseres Hobbies zulassen.
Wenn wir von einer durchschnittlichen Bestandsgröße von 80 Tieren im Winter ausgehen, geben etwa 20% aller Züchter nicht mehr als 100€ pro Monat (1200€/Jahr) als laufende Kosten für ihre Tauben aus. 100,-€ pro Monat entspricht in etwa einer 700 km Fahrt mit dem Auto, oder einer Schachtel Zigaretten alle zwei Tage. Taubensport, selbst in einer kostenreduzierten Version ist also nicht umsonst, jedoch für die Mehrheit der Bevölkerung derzeit sicher bezahlbar. Es zeigt sich zudem, dass es prinzipiel möglich ist, mit einem realtiv geringen Betrag die laufenden Kosten unseres Hobbies zu decken.
Die Tatsache, dass 80% der Befragten deutlich mehr (grob 45% sogar viel mehr als das Doppelte) für unser Hobby pro Monat aufbringen, zeigt zudem, dass nach wie vor eine Zahlungbereitschaft unter den vorhandenen Züchtern für ihr Hobby existiert, die teilweise deutlich über das Minimum von grob 100,-€ pro Monat hinaus geht. Vergleicht man die aktuellen laufenden Kosten für den Taubensport mit den Kosten anderer Hobbies (z.B. Skifahren, Tennis, Surfen, ein teureres Auto,....), oder betrachtet man sich die Preise, die Tauben im Schnitt in Auktionen erzielen, so wird deutlich, dass Kosten in der Diskussion um die Zukunftsfähigkeit unseres Hobbies sicher relevant sind. Die laufenden Kosten können aber sachlich betrachtet nicht der wesentliche Grund für die heutige und sich abzeichnende Mitglieder-Misere sein.
Sicher ist auch die aktuelle Diskussion über eine mögliche Erhöhung der Verbandsmitgliederbeiträge um 23,50€ pro Jahr verständlich, falls die Ursache dafür in Versäumnissen von Verantwortlichen liegen sollte (worüber ich mir aber kein Urteil erlauben kann und auch nicht erlauben möchte). Doch ist diese Diskussion über 23,50€ angesichts dessen, was Züchter tatsächlich pro Jahr für ihre Tauben aufwenden, lachhaft. Erst recht, wenn dann auch noch ernsthaft Konsequenzen diskutiert werden, wie "man benötige keinen Verband", oder "man werde dadurch den Taubensport drangeben". Ursachen für Letzteres liegen sicher tiefer, als in zusätzlichen 23,50€ begründet zu sein!
Dennoch: Wissenschaftler in der Ökonomie haben bewiesen, dass Geld zu verlieren zweimal stärker schmerzt, als Geld zu bekommen glücklich macht. Die subjektive Wirkung von Kosten auf die Mitgliederentwicklung, insbesondere in Form des letzten Quäntchens, "das ein Züchterfass zum Überlaufen bringt", darf nicht unterschätzt werden.
Dies zeigt auch eine weitere Umfrage, in der explizit gefragt wurde, ob sich die Befragten den Taubensport derzeit noch leisten können.
Grob 1/10tel aller Befragten antworteten hier mit "kaum noch aufzubringen" oder mit "nicht mehr aufzubringen". Grob 1/3tel der Züchter gaben an, nur mit Einschränkungen das Geld aufbringen zu können (zusammen also grob 44% und damit eine Plausibilitätsbestätigung der Zahl von 41% aus der im ersten Teil beschriebenen Umfrage).
Es gibt also keinen Zweifel: Auch wenn die Situation der laufenden Kosten für den einzelnen Züchter derzeit noch nicht im sehr kritischen Bereich ist, MUSS ein Zukunftskonzept Ansätze zur systemischen Reduzierung der Laufenden Kosten des Taubensportes beinhalten!
Zudem kommen neben den laufenden Kosten auf einen potentiellen Neuzüchter ja erhebliche Investitionskosten von ca. 3.000-10.000,-€ zu, die er hauptsächlich für Schläge, Schlageinrichtungen, Konstatierequipment und Tauben investieren muß. Diese Einstiegsshürde MUSS durch ein Zukunftskonzept ebenfalls abgesenkt werden, sonst wird die Gewinnung neuer Züchter tatsächlich an den relativ hohen Startkosten unseres Hobbies scheitern!
Und last not least ist die Kostensituation der RVen ein bereits akut kritisches Thema. Durch den immensen Mitglieder-Rückgang leben viele RVen derzeit nur noch von der Substanz oder einzelnen privaten Gönnern. Ein Zusammenbruch dieser Strukturen ist jedoch bereits heute schon bei notwendigen Großanschaffungen (wie z.B. einem neuen Kabi) kaum noch zu verhindern. Ein Zukunftskonzept MUSS also zusätzlich nachhaltig finanzierbare Strukturen fördern, damit auch in Zukunft kleine Einheiten den Taubensport bezahlbar organisieren können.
Wie wurden wir Taubenzüchter?
Mit einer Betrachtung der Altersstruktur der Mitglieder ist derzeit immer auch der daraus folgende abzusehende dramatische Mitglieder-Rückgang in den nächsen Jahren zu sehen. Wenn man über diesen starken Mitgliederschwund spricht, muss im gleichen Zuge über Möglichkeiten zur Mitgliedergewinnung gesprochen werden. Und insbesondere bei der Beantwortung dieser Frage ist es sehr wichtig, zunächst einmal zu verstehen, wie die aktuellen Mitglieder eigentlich zum Taubensport gekommen sind.
Wenn wir uns anschauen, seit wann heutige Taubenzüchter einen eigenen Schlag besitzen und eigenverantwortlich Reisen, wird deutlich, dass grob 2/3tel aller Züchter bereits vor dem 20. Lebensjahr zum Taubensport gefunden haben. Sie sind es somit wahrscheinlich über das Elternhaus, in dem bereits Tauben existierten geworden. Jenseits eines Alters von 40 Jahren haben dagegen nur grob 6% neu mit dem Taubensport begonnen. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der heutigen Altersstruktur in den RVen nur als niederschmetternd zu bezeichnen!
Da wir heute in kaum einer RV noch mehr als einen jungen Züchter unter 20 Jahren finden und nur sehr wenige unter 40 Jahren, und da bisher über 40-jährige praktisch nie für unser Hobby gewonnen werden konnten, wie diese Umfrage zeigt, bedeuten diese Zahlen nicht weniger, als dass unser Hobby in grob 20 (maximal 30) Jahren komplett verschwunden ist. Denn die dann noch verbliebenen potentiell 1 - 2000 Züchter können über Deutschland verteilt keine Wettflüge oder ähnliches mehr ausrichten!
Wer derzeit immer noch der Meinung ist, dass der Taubensport in Deutschland sich zwar zukünftig verändern wird, man wohl etwas weiter fahren wird müssen, aber dass er dennoch weiter bestehen wird, muss einsehen, dass dem nicht so ist.
Der Taubensport wird aufhören zu existieren, wenn wir es nicht schaffen neue Wege der Mitgliederwerbung über das Traditionelle "vom Vater zum Sohne" hinaus zu etablieren, denn dieser traditionelle Weg der Mitgliederwerbung funktioniert seit grob 20 Jahren nicht mehr. Dies sind Fakten! Mitgliederwerbung und möglichst günstige Bedingungen für Neuzüchter zu schaffen MÜSSEN daher zentrale Punkte eines Zukunftskonzeptes sein, denen ALLES andere unterzuordnen ist.
Gibt es Hoffnung?
Doch es gibt sogar sehr berechtigte Hoffnung, zukünftig Züchter für unser Hobby zu gewinnen. Zunächst zeigte das Ergebnis der Umfrage "Würdest du wieder mit Brieftauben anfangen?", dass grob 85% der Befragten auch zukünftig dieses Hobby beginnen würden.
Dieser Wert ist als sehr hoch einzustufen, da ja bereits zuvor grob 44% angaben, unter den Kosten zu leiden, und jeweils grob 50% zuviel Streit und zu wenig Geselligkeit in der Züchterschaft sehen! Die Erklärung für diesen hohen Wert liefert diese Umfrage gleich mit: Tauben machen quasi "süchtig"! Über 36% der Befragten gaben an, dass sie bezüglich eines Wiederanfanges zwar skeptisch wären, aber dass sie wohl nicht von den Tauben loskommen würden.
In einer weiteren Umfrage in der Züchter, die bereits einmal mit Brieftauben aufhören mußten, gefragt wurden, wann sie wieder mit den Tauben anfingen, zeigte sich ein sehr ähnlicher Verlauf, wie in der Umfrage nach dem Einstiegsalter, nur eben um ein paar Jahre versetzt. Dies zeigt, wer einmal Tauben hatte, fängt gemeinhin nach 5 bis 10 Jahren wieder damit an. Solche Pausen im Züchterleben sind nichts ungewöhnliches,denn grob 60% aller Befragten (77 von 132) antworteten auf diese Umfrage, die sich ja nur an solche Züchter richtete, die bereits das Hobby mal unterbrechen mußten.
Ein Zukunftskonzept sollte also die Mitgliederwerbung bei Menschen, die bereits früher Kontakt mit Tauben hatten beinhalten, da dort ein besonders fruchtbarer Boden für die Idee, Brieftauben zu halten, vorhanden ist. Und dass die Zahl dieser und anderer Personen, die eventuell dem Brieftaubensport zugetan wären, nicht gerade gering ist, zeigte dann eine weitere Umfrage sehr deutlich.
Auf die Frage, wieviele Personen die Befragten kennen, die man realistischer Weise zum Taubensport bewegen könnte, antworteten zwar grob 2/3tel mit "niemanden". Doch 1/3tel kannten eine bis über drei Personen dieser Art.
Aus den genannten Zahlen ergäbe sich ein Potential von grob 70 potentiellen Neuzüchtern auf 100 Befragte! Ein enormer Wert. Selbst wenn man beachtet, dass wohl die ältere Züchtergeneration (die an der Umfrage nur stark unterrepräsentiert teilnahm) weniger Leute kennen würde, und ein paar Befragte eventuell ein und die selbe Person vor Augen hatten, und man daher den genannten Wert somit beispielsweise durch drei teilen würde, ergäbe sich dennoch ein bereits bekanntes Potential von grob 6500 Interessenten, die man durch geeignete Mitgliederwerbe-Maßnahmen gegebenenfalls (wieder) zur Taubenzucht motivieren könnte.
Darüber hinaus gibt es immer ein verborgenes Potential, das wir noch nicht erkennen könnnen, und sich erst zeigen würde, wenn wir aktiv nach neuen Züchtern suchen würden.
Es ist die enorme Faszination der Kreatur Brieftaube, die uns retten kann! Hinzu kommt, dass Tierliebe immer Konjunktur hat. Auch ist heutzutage die Kaufkraft deutlich höher, als zu Zeiten des Booms des Taubensportes. Zudem ist die Eigenheimquote (in/auf Mieteigentum ist Taubenhaltung eher selten möglich) höher als damals, und die Menge an Freizeit hat in den letzten Jahrzehnten ebenfalls eher zu statt abgenommen. Es sollte also sachlich gesehen möglich sein, den Verfall aufzuhalten. So schlecht sind die Vorraussetzungen dafür zumindest nicht.
Grundvorraussetzung ist jedoch, dass die Zukunft aktiv gestaltet wird, und wir Taubenzüchter nicht wie gelähmt in die Schlange blicken und uns in unser sonst absehbares Schicksal ergeben.
Konkrete Ideen als mögliche Teile eines Zukunftskonzeptes möchte ich in den nächsten Beiträgen versuchen zu entwickeln.
Mittwoch, 15. Oktober 2008
Taubensport in Deutschland. Analyse (Teil 2)
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