Nach dem zuvor Geschriebenen stellt sich natürlich die Frage, ob und wie die Inzucht sinnvoll in eine Zuchtstrategie einzubauen ist. Stellt sie etwa die zu verteufelnde Büchse der Pandora dar, die von manchen Autoren immer wieder beschworen wird? Führt sie wirklich zu nichts Gutem?
Oder aber ist sie das Mittel, mit dem man sich als Züchter unsterblichlich macht, da man mit ihr extrem qualitätsreiche Brieftauben hervorbringt, wie einst die Gebrüder Janssen.
Nun, Inzucht ist keines von beidem. Inzucht ist für sich allein betrachtet gar nicht zu bewerten. Denn es ist zusätzlich sehr wichtig zu betrachten, in welchem Grade Inzucht betrieben wird, welchem Ausleseprozess die Nachzucht unterworfen wird, und was wir mit der Inzucht erreichen wollen.
Inzucht, ein Weg in die Degeneration?
Durch fortschreitende Inzucht steigt der Grad der homozygoten Gene stetig an. Die Folge kann eine Inzuchtdepression sein, die die Leistungsfähigkeit der Nachkommen stark beeinträchtigt. Im Brieftaubensport gab und gibt es immer wieder Beispiele von berühmten Züchtern, die in diese "Falle" der Inzucht getappt sind: Die Gebrüder Janssen gehören ebenso in diese Gruppe, wie Karel Meulemans, Toni v. Ravenstein mit seiner Cäsar-Linie, Günter Prange mit seinen reinen roten Delbars, und einige weitere sehr bekannte Züchter.
Wenn schon solche Kapazitäten im Taubensport an der Inzucht "gescheitert" sind, sollte man dann nicht besser die Finger ganz von der Inzucht lassen? Ja, es ist möglich komplett auf Inzucht zu verzichten. Man benötigt dazu allerdings einen realtiv großen Bestand an Tauben, oder man führt ständig eine ordentliche Anzahl an fremden Tauben neu in den Bestand ein. Denn führt man keine Tiere ein, sind bereits nach sehr wenigen Generation die meisten Leistungsträger mit einander verwandt, man käme also um Inzucht nicht mehr herum, oder man akzeptiert zu große Kompromisse bei der Selektion auf die Zuchtziele (siehe auch Teil 7).
Führt man ständig neue Tiere ein, bergen diese das Risiko mit ihnen auch neue Krankheits-Keime einzuführen. Zudem wird meiner Meinung nach hierbei oft unterschätzt, dass die eingeführten Tiere aufgrund der für sie "ungewohnten" Keimflora mehrere Monate benötigen, bis sie den selben guten Gesundheitsstatus erreichen, wie die restlichen Bestandstiere. Darüber hinaus mögen die neu Eingeführten zwar gute Tauben sein, aber gegebenenfalls passen sie einfach gar nicht zur bisherigen eigenen Sorte. Ausgiebiges Testen in der Zucht ist hierbei also ein Muss.
Als Konsequenz aus diesen Unsicherheiten und Risiken, wird praktisch auf jedem Schlag ein wenig Inzucht betrieben. Und selbst Hans Zurhöfer, der die Inzucht so vehement verteufelte, verpaarte Verwandte 5. Grades und sah hierin keine Inzucht mehr. Doch letzteres ist natürlich auch Inzucht, nur in geringerem Maße (Inzuchtkoeffizient von 3,1% bei einem gemeinsamen Verwandten).
Bei den oben genannten Züchterbeispielen habe ich das Wort "gescheitert" bewußt in Gänsefüßchen gesetzt. Denn bei Meulemans ingezüchtetem Stamkoppel Nachwuchs, bei den Janssen-Tauben der 80er und 90er und auch bei den reinen Prange Delbars der Gegenwart (wie z.B. bei der Mutter des 802, der 665) sollte man nicht von Scheitern sprechen! Diese Tiere waren, wenn man sie direkt auf der Reise einsetzte vielleicht nicht mehr zu Top-Leistungen fähig. Doch als Vererber in Kreuzungspaarungen haben sie Weltruhm erlangt. Durch ihren hohen Homozygotiegrad bei vorwiegend "guten" Genen sind sie in der Weitergabe "guter" Gene den Kreuzungstauben meist deutlich überlegen. Dies ist ein Fakt, über das energische Gegner der Inzucht gerne hinweg sehen.
Das heißt mit einem hohen Inzuchtkoeffizienten erkaufe ich mir gesicherte Vererbung von Eigenschaften und Genen auf die Nachkommen mit dem Preis der Inzuchtdepression. Es ist also in gewisser Weise ein Handel mit dem Teufel, bei dem man sehr auf der Hut sein muß. Die Inzuchtdepression geht aber in einer anschließenden Kreuzungspaarung wieder verloren.
Inzucht zur "Reinigung" des Erbgutes
In seinem Buch "Die Kunst des Züchtens" schreibt Prof. Alfons Anker, dass eine stärker sichtbare Inzuchtdepression ein Beleg für einen höheren Homozygotiegrad sei. Diese These wurde in der Genetik mittlerweile klar widerlegt. Welche Gene durch Inzucht homozygot werden, und ob diese dadurch Negatives oder Positives bewirken, hängt vom Ausgangsmaterial mit dem Inzucht betrieben wird und vom Zufall ab.
Befinden sich unter den Zuchttieren Tiere, die rezessive "Schad"-Gene im Genom haben, so könnten durch die Inzucht natürlich auch diese Gene konzentriert werden, und in homozygoter Form ihre Schadwirkung entfalten. Dies ist natürlich in keiner Weise ein Qualitätsbeleg (im Sinne einer hohen Homozygotie) für das Nachzuchttier. Solche Tiere müssen statt dessen selektiert werden. Und zusätzlich sind die Elterntiere und ihre Nachzucht von der Zucht auszuschließen, da die Inzucht hier ja bewiesen hat, dass sowohl Vater als auch Mutter Träger des "Schad"-Gens sind, welches wir ja nicht weiter im Bestand verbreiten wollen.
Man kann also diesen Effekt des Auftretens von verborgenen schlechten Eigenschaften durch starke Inzucht auch bewußt nutzen, um die Qualität der verborgenen Eigenschaften einer Linie zu testen. Und man kann dadurch quasi seinen Bestand von solchen Genen "reinigen", indem man die gesamte Linie entfernt. In der Hundezucht ist so etwas bei Erbkrankheiten durchaus üblich.
Wenn ich also starke Inzucht auf ein Top-Tier betreibe, und die Nachzucht weisst überdurchschnittlich viele Mängel auf, so ist nicht nur die Inzuchtnachzucht zu verwerfen, sondern man sollte auch darauf verzichten seine Zuchtbestrebungen für die Zukunft auf dieses "Top-Tier" zu gründen!
Möchte ich eine Abschätzung des Homozygotiegrades haben, sollte ich also nicht auf Inzuchtdepression aussein, sondern lieber den Inzuchtkoeffizienten ausrechnen. Und ist dieser hoch, und die Qualität der Zuchttaube und ihrer Nachzucht ebenfalls sehr hoch in Bezug auf meine Zuchtsziele, dann habe ich ein sehr wertvolles Tier für die Zucht, da es seine guten Gene mit einer hohen Wahrscheinlichkeit und damit an viele Jungtiere weitergibt.
Inzucht zur Festigung von neuen Eigenschaften
Wenn etwas völlig neues im Genom entsteht, da dort Fehler beim Kopieren der Information während der Meiose geschehen, spricht man von MUTATIONEN. Mutationen sind sehr selten. Und zwar so selten, dass sie den meisten Taubenzüchtern während ihre gesamten Züchter Karriere kaum begegnen. Daher spielen sie in der Brieftaubenzucht praktisch keine Rolle. In der Zucht der verschiedenen Taubenrassen haben Mutationen jedoch die wesentliche Rolle gespielt. Seien es die verschiedenen Farbschläge, Zeichnungen, dicke Nasenwarzen, belatschte Füsse, die Halskrause, und vieles mehr. All diese Merkmale traten bei der Wildform unserer Tauben, der Felsentaube nicht auf.
Als jedoch zum Beispiel das rezessive Merkmal der Halskrause zum ersten Mal auftauchte, waren die Züchter quasi gezwungen diese Mutation durch Inzucht zu festigen und dadurch eine signifikante Anzahl von Tauben mit Halskrause zu züchten. Schließlich mußten ja verwandte Nachfahren des ersten Mutanten, die beide das neue rezessive Gen trugen, miteinander verpaart werden, damit die Nachzucht eine sichtbare Halskrause zeigte. Jedes spätere Auftreten der Halskrause ist quasi der Beweis für die Verwandtschaft mit dem ersten Mutanten sowohl über den Vater, als auch über die Mutter.
Das Prinzip der Inzucht ist in der Natur ein wesentliches Element, dass zur Entstehung neuer Arten beiträgt. Inzucht hat ebenso zur Entstehung der Felsentaube beigetragen, wie sie zur Entstehung des Menschen beigetragen hat. Somit ist Inzucht nicht per se als schädlich oder verwerflich zu verteufeln. In der Zucht erfüllt sie den wichtigen Zweck der Festlegung von Eigenschaften in einer breiteren Population.
Inzucht im Überblick
Gilt es neue Aufgaben zu lösen, ist eine Population mit vielen verschiedenen Alternativen im Genom (möglichst Heterozygote Genome also) deutlich anpassungsfähiger, als eine ingezüchtete Population (hohe Homozygotie) mit wenigen genetischen Varianten.
Im Taubensport wird in Bezug auf manche Anforderung wie zum Beispiel "Schnelles Fliegen" eine immer wieder gleiche Aufgabe gestellt, sofern sich dies auf ähnliche Flugdistanzen bezieht. Somit ist die Inzucht hier ein wertvolles Mittel Eigenschaften wie beispielsweise die "hohe Fluggeschwindigkeit" im Bestand zu festigen.
Bei Inzucht muss beachtet werden, dass sowohl "schlechte", wie auch "gute" Gene angereichert werden können. Daher ist Inzucht alleine kein Hilfsmittel, dass uns weiterbringt. Nur Inzucht kombiniert mit sehr strenger Auswahl der ingezogenen Nachzucht nach unseren Zuchtzielen bringt die gewollte Anreicherung der "guten" Gene.
Dass Inzucht-Tiere generell zur Reise bzw. ausgiebigen Zuchtprüfung nicht taugen, haben die Janssen Brüder -zig mal widerlegt. Schon der "Oude Merckx" mit seinen 18 1.Konkursen war mit einem Inzuchtkoeffizienten von über 12,7% stärker ingezogen, als es Junge einer Vater-Enkel-Paarung wären. Und der "Jonge Merckx" flog mit einem Inzuchtkoeffizienten von über 45% noch 15 1.Konkurse. Das Ausgangsmaterial der Janssens war offensichtlich erstklassig und weitgehend frei von "Schad"-Genen, die durch die starke Inzucht in den Vordergrund hätten treten können. Zudem betrieben die Janssens (zumindest in den Anfangsjahren, wie auch Prof. Anker berichtet) eine sehr strenge Auswahl bei der Nachzucht. Der Ausschuß bei Inzucht-Nachwuchs ist erwartungsgemäß deutlich höher, als bei Kreuzungs-Nachwuchs.
Inzucht-Tiere können allerdings durch Epistasie Effekte an Vitalität und Leistungsfähigkeit verlieren, ohne, dass unbedingt die Anreicherung von "Schad"-Genen die Ursache sein muss. Daher ist bei fortwährender Inzucht ohne Kreuzung auf Dauer ein Leistungseinbruch zu erwarten, selbst wenn eine noch so starke Selektion auf die Zuchtziele hin betrieben wird.
Sehr erfolgversprechend ist aber meines Erachtens der Wechsel von stärkster Inzucht, harter Selektion und anschließender Kreuzung mit einer völlig unverwandten Linie, wie sie z.B. auch Günter Prange seit den 90er betreibt.
Im ersten Schritt verspricht eine starke Inzucht zwischen Leistungstauben (oder Top-Zuchttauben) und ihren besten (in Bezug auf unsere Zuchtziele) Kindern oder Geschwistern eine hohe Anreicherung von Genen. Durch die anschließende strenge Selektion bleiben die Inzucht-Tiere übrig, die möglichst viele unserer "Wunschgene" enthalten.
Im letzten Schritt, der "Gebrauchskreuzung", wird der schädliche Einfluß des großen Homozygotiegrades auf die Vitalität durch Kreuzung mit einem völlig unverwandten Partner aufgehoben. Auch dieser Partner könnte natürlich einer Inzucht-Linie entspringen, muss er aber nicht. Entscheidend ist vielmehr seine ebenfalls hohe Qualität und seine Passerfähigkeit.
Mit Passerfähigkeit ist hier gemeint, dass durch die Paarung ein möglichst hoher Heterosis Effekt erzielt werden soll. Wenn dies nicht geschieht, würden ja die negativen Einflüsse der Inzuchtdepression nur zum Teil aufgehoben werden, und die Nachzucht kann ihr volles genetisches Potental nicht ausspielen. Die "genetische Distanz" (die genetische Unterschiedlichkeit zu den homozygot vorliegenden Genen des Inzuchttieres) zwischen den Paarungspartnern sollte also möglichst groß sein.
Da Inzuchttiere einen höheren Homozygotiegrad besitzen, der einen gesicherten Übergang eines Teils der "guten" Gene auf die Nachzucht gewährleistet, werden aus sehr guten Inzuchttieren auch beständiger gute Jungtiere gezogen, als aus Kreuzungstieren mit einem geringeren Homozygotiegrad.
Umgekehrt ist aber auch festzustellen, dass aus schlechten Inzuchttieren auch beständiger schlechte Nachzucht gezogen wird!
Die Inzucht dient also zur Steigerung der Vorhersagbarkeit des Zuchtergebnisses. Für die Steigerung der Qualität ist hingegen die konsequente Selektion zuständig, nicht die Inzucht.
Montag, 29. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 9)
Im ersten Teil habe ich kurz von Ödipus berichtet, der einem Fluch folgend seine eigene Mutter zur Frau nahm und Kinder mit ihr zeugte. Die zu recht existierende moralische Ächtung von Inzucht in der menschlichen Gesellschaft beeinflußt auch unsere Sichtweise von Inzucht in der Tierzucht. So schrieb beispielsweise Hans Zurhöfer (ein hervorragender Taubenzüchter in den 50er-70er Jahren und Begründer der Totalen Witwerschaft) in seinen Büchern voller Entrüstung gegen Inzucht bei Tauben an, da sie widernatürlich sei und nur Verfall die Folge sein könne.
Doch wie ist die Inzucht aus Sicht der Polpulationsgenetik zu beurteilen?
Inzucht, was passiert im Detail?
Von Inzucht sprechen wir in der Populationsgenetik strenggenommen immer dann, wenn Vater und Muttertier gemeinsame Vorfahren haben. Je näher die beiden Tiere verwand sind, desto stärker ist die Inzucht. Durch Inzucht wird von väterlicher und mütterlicher Seite teilweise das selbe Genmaterial mit eingebracht. Dies bedeutet, dass sich beim Jungtier an diesen Stellen im Genom gleiche Allele der Gene treffen, also die Anzahl homozygoter Genepaare erhöht wird. Diese homozyoten Genpaare habe zur Folge, dass die direkten Nachkommen dieses Tieres gesichert immer ein solches homozygot vorkommendes Allel weitervererbt bekommen. Das heißt, je höher der Homozygotiegrad des Genoms eines Tieres ist, desto sicherer kann man vorhersagen, welche Gene die Kinder bekommen werden. Doch ein Hinweis ist an dieser Stelle sehr wichtig: Dies sagt noch nichts darüber aus, ob diese Gene "gute" oder "schlechte" Gene sind!
Der Inzuchtkoeffizient, eine wichtige Kenngröße
Was nun "enger verwand" meint läßt sich konkret berechnen. Wenn z.B. eine Tochter an ihren Vater gepaart wird, so erhalten die Jungtiere ja die Hälfte der Gene vom Vater und die Häfte der Gene von der Mutter. Doch die Hälfte der mütterlichen Gene sind ja bereits schon Gene, die vom Vater stammen. Wenn diese Gene jeweils eine zufällige Auswahl des väterlichen Genoms darstellen, ist davon auszugehen, dass 25% der Gene des Jungtieres homozygot vorliegen, da sich hier jeweils Gene des Vater und Gene des Vaters über die Mutter kommend getroffen haben (50% Vatergene besitzen eine Wahrscheinlichkeit von 50% auf ein weiteres Vatergen zu treffen ergibt 25% Gen-Paare mit gleichen Allelen).
Pro Generation/Geburt, die zwischen den gleichen Verwandten liegt, erniedrigt sich die Wahrscheinlich auf gleiche Gene zu treffen, um den Faktor zwei (wegen der Spaltung der 40 Chromosomenpaare in zwei Gruppen je 40 Einzelsträngen während der Meiose). Somit wäre also die Wahrscheinlichkeit auf homozygot vorliegende Gene bei Vater x Enkel-Paarungen nur noch 12,5% und bei Halbgeschwisterpaarungen ebenfalls 12,5% (jeweils drei Geburten).
Doch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit Gene homozygot vorliegen zu haben natürlich mit jedem gemeinsamen Vorfahren, und diese Wahrscheinlichkeiten werden dann einfach addiert. Somit liegt der zu erwartende Homozygotiegrad bei einer Vollgeschwisterpaarung wiederum bei 25% (zwei gemeinsame Vorfahren und jeweils drei Geburten). Diesen aufgrund von gleichen Vorfahren und zufälliger Genverteilung zu erwartenden Homozygotiegrad im Genom des Jungtieres nennt man den INZUCHTKOEFFIZIENTEN. Die konkrete Berechnungsformel kann man leicht googlen und führt an dieser Stelle zu weit.
Die Berechnung per Hand ist insbesondere über viele Generationen etwas mühsam. Vor diesem Hintergrund ist es mir bis heute unverständlich, warum kein einziges am Markt befindliches "Taubenzucht"-Programm die automatische Berechnung des Inzuchtkoeffizienten unterstützt. So ziemlich jedes Zuchtprogramm für Karnickel, Hunde, Hühner und Pferde kann dies! "Taubenzucht"-Programme scheinen leider nur zum Ausdruck schöner Stammbäume gedacht zu sein. Ein kostenloses Tool (da es eine abgespeckte Version eines Profitools ist) findet man hier: www.tenset.co.uk/fspeed/
Das Programm wir mit einer Tabelle "gefüttert", in der pro Zeile die Nummer des jeweiligen Tieres, des Vaters und der Mutter jeweils durch Komma getrennt geschrieben stehen.
Der Inzuchtkoeffizient am Beispiel des "Jonge Merckx"
Der "Jonge Merckx" ist eine der wichtigsten Tauben, die die Gebrüder Janssen gezüchtet haben, denn nicht nur, dass er 15 mal den 1.Preis flog, praktisch alle Vererber und guten Zuchtauben der jüngeren Vergangenheit der Gebrüder Janssen stammen von ihm ab. Als Beispiele nenne ich nur drei seiner Enkel: "Blauwe Winterjonge" (Vater von "Klamper" und "Vechter" (Legiest) und Opa "Lowieke"(v.d.Pasch)), "Afgekeurde" und "Raket" (wichtige Stammtaube für den Schlag G.&C. Koopman).
Soweit die Verwandschaftsbeziehungen dokumentiert waren, habe ich versucht den Verlauf von Inzuchtkoeffizienten im Stammbaum des "Jonge Merckx" zu berechnen.
Da die ich die genauen Verwandschaftsverhältnisse der Janssen Tauben vor 1950 nicht komplett herausfinden konnte, die Gebrüder Janssen aber bereits zuvor Verwandschaftzzucht betrieben haben, ist von insgesamt höheren Inzuchtkoeffizienten als den angegebenen auszugehen, dennoch kann man an diesem Beispiel einige Dinge gut zeigen.
Durch einen Click auf die Abbildung wird die Abstammung vergrößert angezeigt.
Der "Jonge Merckx" besaß also nach meinen Recherchen mindestens einen Inzuchtkoeffizienten (im Stammbaum IZK abgekürzt) von 45%. Dies heißt 45% seines Erbgutes lagen wahrscheinlich Homozygot vor, wurde also gesichert auf seine Nachzucht übertragen. Es ist also kein Zufall, dass gerade er als ein so nachhaltiger Vererber bekannt wurde.
45% ist ein enorm hoher Wert, denn dies ist ja fast doppelt so hoch, wie der Inzuchtkoeffizient eines Tochter x Vater Produktes! Man kann zudem sehen, wie die Inzucht von Generation zu Generation stetig zunahm, da immer häufiger gleiche Verwandschaft im Stammbaum auftrat (ein Teil des Stammbaumes, jenseits der 5. Generation ist nicht abgebildet). Zudem ist ersichtlich, dass es für die Betrachtung von Inzucht innerhalb einer Zuchtstrategie sehr wohl wichtig ist, einen Stammbaum so komplett und so weit zurückführend wie möglich zu kennen.
Die immer wieder geäußerte Ansicht, dass Stammbäume bei der Zuchtplanung nicht wichtig seien, da sie ja "nicht fliegen" können, ist gefährlich, da man wichtige Verwandschaftsbeziehungen aus dem Blick verlieren könnte und somit zum Beispiel in Inzucht paart, ohne dass man sich dessen bewußt ist, weil die gleichen Verwandten bereits länger zurück liegen. Man hätte z.B. die Paarung der Eltern der "Kleintje van 65" gar nicht als Verwandschaftszucht erkannt, obwohl bei ihr bereits ein Inzuchtkoeffizient von 9,4% vorliegt (also mehr als bei einer Vater x Enkel Verpaarung).
Allerdings hat der "Jonge Merckx" selbst nie direkt ein herausragend gut fliegendes Jungtier produziert, Erfolge fanden sich mehr in den folgenden Generationen und sie wurden meist bei anderen Züchtern gefeiert. Und ohnehin gingen die Reiseleistungen der Gebrüder Janssen ab diesem Zeitpunkt, den 70er Jahren, bergab! Was war passiert? Schließlich hatte der "Jonge Merckx" doch offensichtlich ein dickes Paket an "guten" Genen, die er an seine Nachzucht weitergab. Warum wurden die Erfolge dann bei den Janssens immer schlechter?
Inzuchtdepression und Heterosis
Die Konzentration von Genen mittels Inzucht konzentriert die Gene eines gemeinsamen Vorfahren in zufälliger Zusammensetzung und nicht nur die "guten" Gene. Wenn ein gemeinsamer Verwandter z.B. ein sehr seltenes rezessives Gen für eine bestimmte Krankheitsanfälligkeit besitzt, so wird sich dieses Gen in Paarungen mit nicht verwandten Tieren wohl nie negativ auswirken, da er im Bestand die einzige Taube mit diesem Gen ist. Wird aber später seine Nachzucht miteinander in Inzucht verpaart, so kann dieses Gen plötzlich homozygot auftreten, und damit phänotypisch sichtbar werden. Sprich die Krankheitsanfälligkeit würde bei diesem Nachzuchttier auftreten.
Durch Inzucht können also rezessiv vererbte seltene Eigenschaften zu Tage treten, und manche davon können einen negativen Einfluß auf den Phänotyp haben. Somit ist klar, je höher der Homozygotiegrad ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche negativen Effekte zu Tage treten.
Des weiteren beeinflussen sich verschiedene Gene ja auch gegenseitig (Epistasie oder auch Überdominanz genannt). Je mehr Homozygotie im Genom vorhanden ist, desto wahrscheinlicher sind epistatische Wechselwirkungen. Und auch hier gilt: manche hiervon wirken sich negativ auf den Phänotyp aus.
Je stärker also die Inzucht ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass negative bisher im Erbgut versteckte Eigenschaften sichtbar werden. Bei diesem Effekt spricht man gemeinhin von INZUCHTDEPRESSION.
Ein weiterer Effekt der Inzucht ist es, dass die genetische Variationsbreite der ingezüchteten Tiere in dem Maße abnimmt, in dem die Zahl der verschiedenen Vorfahren abnimmt. Dies kann den positiven Effekt haben, dass man das Erbgut weniger sehr guter Tiere konzentriert vorliegen hat. Dies kann aber ebenso den negativen Effekt haben, dass die Anpassungsfähigkeit dieser Tiere auf veränderte Umweltbedingungen nachlässt. Denn ein Allel, das "weggezüchtet" wurde, ist unwiederbringlich verloren.
Der extrem hohe Inzuchtgrad des "Jonge Merckx" verdeutlicht, wie aussergewöhlich gut das Ausgangsmaterial der Janssens einst gewesen sein muß, mit dem sie ihre Zucht begannen. Denn es finden sich in der Literatur Hinweise, dass Inzuchtdepression oft schon bei einem Inzuchtkoeffizienten von 10% negative Auswirkungen zeigt. Doch der "Jonge Merckx" war trotz des Wertes von 45% mit 15 1.Konkursen fliegerisch eine Ausnahmetaube. Bei ihm waren offensichtlich hauptsächlich "gute" Gene konzentiert worden. Darüber hinaus zeigt der hohe Wert des "Jonge Merckx" aber auch, dass er nur noch über eine sehr viel geringere gentische Variationsbreite verfügte, als die Tauben anderer Züchter. Bei den Janssens selbst konnte er nur mit wiederum mit ihm verwandten Tieren verpaart werden, so dass die genetische Verarmung und der Inzuchtgrad seiner reinen Janssen-Kinder eher noch zunahm. Veränderte Anforderungen (z.B. durch neue Krankheitskeime) und zunehmende Inzuchtdepression bereiteten den Erfolgen der Janssens damit ein absehbares Ende.
Ungebrochen hoch bis in die 90er Jahre war jedoch die Qualität der Janssen-Tauben als Vererber von Spitzenpreisen (insbesondere auf Kurz- und Mittelstrecken). Sie zeigten diese Fähigkeit insbesondere dann, wenn sie mit absolut nicht verwandten Tieren eines anderen Züchters gekreuzt wurden. Und es ist schnell klar warum: Mit einem Schlag (also schon in der ersten Paarung) wird der hohe Homozygotiegrad, der hauptsächlich für die Probleme verantwortlich ist, auf einen Inzuchtkoeffizienten von 0% reduziert. Die negativen Folgen der starken Inzucht sind damit ebenfalls mit einem Schlag verschwunden. Aber im Gegenzug erhalten die Kinder ein großes Paket von den "guten" Genen des "Jonge Merckx", die über ihre additive Genwirkung weiterhin wirken.
Diese plötzliche Verbesserung des Phänotyps in seiner Leistungsfähigkeit, bei Jungtieren einer Kreuzungspaarung, nennt man HETEROSIS. Sie ist sozusagen das Gegenstück zur Inzuchtdepression.
Doch wie ist die Inzucht aus Sicht der Polpulationsgenetik zu beurteilen?
Inzucht, was passiert im Detail?
Von Inzucht sprechen wir in der Populationsgenetik strenggenommen immer dann, wenn Vater und Muttertier gemeinsame Vorfahren haben. Je näher die beiden Tiere verwand sind, desto stärker ist die Inzucht. Durch Inzucht wird von väterlicher und mütterlicher Seite teilweise das selbe Genmaterial mit eingebracht. Dies bedeutet, dass sich beim Jungtier an diesen Stellen im Genom gleiche Allele der Gene treffen, also die Anzahl homozygoter Genepaare erhöht wird. Diese homozyoten Genpaare habe zur Folge, dass die direkten Nachkommen dieses Tieres gesichert immer ein solches homozygot vorkommendes Allel weitervererbt bekommen. Das heißt, je höher der Homozygotiegrad des Genoms eines Tieres ist, desto sicherer kann man vorhersagen, welche Gene die Kinder bekommen werden. Doch ein Hinweis ist an dieser Stelle sehr wichtig: Dies sagt noch nichts darüber aus, ob diese Gene "gute" oder "schlechte" Gene sind!
Der Inzuchtkoeffizient, eine wichtige Kenngröße
Was nun "enger verwand" meint läßt sich konkret berechnen. Wenn z.B. eine Tochter an ihren Vater gepaart wird, so erhalten die Jungtiere ja die Hälfte der Gene vom Vater und die Häfte der Gene von der Mutter. Doch die Hälfte der mütterlichen Gene sind ja bereits schon Gene, die vom Vater stammen. Wenn diese Gene jeweils eine zufällige Auswahl des väterlichen Genoms darstellen, ist davon auszugehen, dass 25% der Gene des Jungtieres homozygot vorliegen, da sich hier jeweils Gene des Vater und Gene des Vaters über die Mutter kommend getroffen haben (50% Vatergene besitzen eine Wahrscheinlichkeit von 50% auf ein weiteres Vatergen zu treffen ergibt 25% Gen-Paare mit gleichen Allelen).
Pro Generation/Geburt, die zwischen den gleichen Verwandten liegt, erniedrigt sich die Wahrscheinlich auf gleiche Gene zu treffen, um den Faktor zwei (wegen der Spaltung der 40 Chromosomenpaare in zwei Gruppen je 40 Einzelsträngen während der Meiose). Somit wäre also die Wahrscheinlichkeit auf homozygot vorliegende Gene bei Vater x Enkel-Paarungen nur noch 12,5% und bei Halbgeschwisterpaarungen ebenfalls 12,5% (jeweils drei Geburten).
Doch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit Gene homozygot vorliegen zu haben natürlich mit jedem gemeinsamen Vorfahren, und diese Wahrscheinlichkeiten werden dann einfach addiert. Somit liegt der zu erwartende Homozygotiegrad bei einer Vollgeschwisterpaarung wiederum bei 25% (zwei gemeinsame Vorfahren und jeweils drei Geburten). Diesen aufgrund von gleichen Vorfahren und zufälliger Genverteilung zu erwartenden Homozygotiegrad im Genom des Jungtieres nennt man den INZUCHTKOEFFIZIENTEN. Die konkrete Berechnungsformel kann man leicht googlen und führt an dieser Stelle zu weit.
Die Berechnung per Hand ist insbesondere über viele Generationen etwas mühsam. Vor diesem Hintergrund ist es mir bis heute unverständlich, warum kein einziges am Markt befindliches "Taubenzucht"-Programm die automatische Berechnung des Inzuchtkoeffizienten unterstützt. So ziemlich jedes Zuchtprogramm für Karnickel, Hunde, Hühner und Pferde kann dies! "Taubenzucht"-Programme scheinen leider nur zum Ausdruck schöner Stammbäume gedacht zu sein. Ein kostenloses Tool (da es eine abgespeckte Version eines Profitools ist) findet man hier: www.tenset.co.uk/fspeed/
Das Programm wir mit einer Tabelle "gefüttert", in der pro Zeile die Nummer des jeweiligen Tieres, des Vaters und der Mutter jeweils durch Komma getrennt geschrieben stehen.
Der Inzuchtkoeffizient am Beispiel des "Jonge Merckx"
Der "Jonge Merckx" ist eine der wichtigsten Tauben, die die Gebrüder Janssen gezüchtet haben, denn nicht nur, dass er 15 mal den 1.Preis flog, praktisch alle Vererber und guten Zuchtauben der jüngeren Vergangenheit der Gebrüder Janssen stammen von ihm ab. Als Beispiele nenne ich nur drei seiner Enkel: "Blauwe Winterjonge" (Vater von "Klamper" und "Vechter" (Legiest) und Opa "Lowieke"(v.d.Pasch)), "Afgekeurde" und "Raket" (wichtige Stammtaube für den Schlag G.&C. Koopman).
Soweit die Verwandschaftsbeziehungen dokumentiert waren, habe ich versucht den Verlauf von Inzuchtkoeffizienten im Stammbaum des "Jonge Merckx" zu berechnen.
Da die ich die genauen Verwandschaftsverhältnisse der Janssen Tauben vor 1950 nicht komplett herausfinden konnte, die Gebrüder Janssen aber bereits zuvor Verwandschaftzzucht betrieben haben, ist von insgesamt höheren Inzuchtkoeffizienten als den angegebenen auszugehen, dennoch kann man an diesem Beispiel einige Dinge gut zeigen.
Durch einen Click auf die Abbildung wird die Abstammung vergrößert angezeigt.
Der "Jonge Merckx" besaß also nach meinen Recherchen mindestens einen Inzuchtkoeffizienten (im Stammbaum IZK abgekürzt) von 45%. Dies heißt 45% seines Erbgutes lagen wahrscheinlich Homozygot vor, wurde also gesichert auf seine Nachzucht übertragen. Es ist also kein Zufall, dass gerade er als ein so nachhaltiger Vererber bekannt wurde.
45% ist ein enorm hoher Wert, denn dies ist ja fast doppelt so hoch, wie der Inzuchtkoeffizient eines Tochter x Vater Produktes! Man kann zudem sehen, wie die Inzucht von Generation zu Generation stetig zunahm, da immer häufiger gleiche Verwandschaft im Stammbaum auftrat (ein Teil des Stammbaumes, jenseits der 5. Generation ist nicht abgebildet). Zudem ist ersichtlich, dass es für die Betrachtung von Inzucht innerhalb einer Zuchtstrategie sehr wohl wichtig ist, einen Stammbaum so komplett und so weit zurückführend wie möglich zu kennen.
Die immer wieder geäußerte Ansicht, dass Stammbäume bei der Zuchtplanung nicht wichtig seien, da sie ja "nicht fliegen" können, ist gefährlich, da man wichtige Verwandschaftsbeziehungen aus dem Blick verlieren könnte und somit zum Beispiel in Inzucht paart, ohne dass man sich dessen bewußt ist, weil die gleichen Verwandten bereits länger zurück liegen. Man hätte z.B. die Paarung der Eltern der "Kleintje van 65" gar nicht als Verwandschaftszucht erkannt, obwohl bei ihr bereits ein Inzuchtkoeffizient von 9,4% vorliegt (also mehr als bei einer Vater x Enkel Verpaarung).
Allerdings hat der "Jonge Merckx" selbst nie direkt ein herausragend gut fliegendes Jungtier produziert, Erfolge fanden sich mehr in den folgenden Generationen und sie wurden meist bei anderen Züchtern gefeiert. Und ohnehin gingen die Reiseleistungen der Gebrüder Janssen ab diesem Zeitpunkt, den 70er Jahren, bergab! Was war passiert? Schließlich hatte der "Jonge Merckx" doch offensichtlich ein dickes Paket an "guten" Genen, die er an seine Nachzucht weitergab. Warum wurden die Erfolge dann bei den Janssens immer schlechter?
Inzuchtdepression und Heterosis
Die Konzentration von Genen mittels Inzucht konzentriert die Gene eines gemeinsamen Vorfahren in zufälliger Zusammensetzung und nicht nur die "guten" Gene. Wenn ein gemeinsamer Verwandter z.B. ein sehr seltenes rezessives Gen für eine bestimmte Krankheitsanfälligkeit besitzt, so wird sich dieses Gen in Paarungen mit nicht verwandten Tieren wohl nie negativ auswirken, da er im Bestand die einzige Taube mit diesem Gen ist. Wird aber später seine Nachzucht miteinander in Inzucht verpaart, so kann dieses Gen plötzlich homozygot auftreten, und damit phänotypisch sichtbar werden. Sprich die Krankheitsanfälligkeit würde bei diesem Nachzuchttier auftreten.
Durch Inzucht können also rezessiv vererbte seltene Eigenschaften zu Tage treten, und manche davon können einen negativen Einfluß auf den Phänotyp haben. Somit ist klar, je höher der Homozygotiegrad ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche negativen Effekte zu Tage treten.
Des weiteren beeinflussen sich verschiedene Gene ja auch gegenseitig (Epistasie oder auch Überdominanz genannt). Je mehr Homozygotie im Genom vorhanden ist, desto wahrscheinlicher sind epistatische Wechselwirkungen. Und auch hier gilt: manche hiervon wirken sich negativ auf den Phänotyp aus.
Je stärker also die Inzucht ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass negative bisher im Erbgut versteckte Eigenschaften sichtbar werden. Bei diesem Effekt spricht man gemeinhin von INZUCHTDEPRESSION.
Ein weiterer Effekt der Inzucht ist es, dass die genetische Variationsbreite der ingezüchteten Tiere in dem Maße abnimmt, in dem die Zahl der verschiedenen Vorfahren abnimmt. Dies kann den positiven Effekt haben, dass man das Erbgut weniger sehr guter Tiere konzentriert vorliegen hat. Dies kann aber ebenso den negativen Effekt haben, dass die Anpassungsfähigkeit dieser Tiere auf veränderte Umweltbedingungen nachlässt. Denn ein Allel, das "weggezüchtet" wurde, ist unwiederbringlich verloren.
Der extrem hohe Inzuchtgrad des "Jonge Merckx" verdeutlicht, wie aussergewöhlich gut das Ausgangsmaterial der Janssens einst gewesen sein muß, mit dem sie ihre Zucht begannen. Denn es finden sich in der Literatur Hinweise, dass Inzuchtdepression oft schon bei einem Inzuchtkoeffizienten von 10% negative Auswirkungen zeigt. Doch der "Jonge Merckx" war trotz des Wertes von 45% mit 15 1.Konkursen fliegerisch eine Ausnahmetaube. Bei ihm waren offensichtlich hauptsächlich "gute" Gene konzentiert worden. Darüber hinaus zeigt der hohe Wert des "Jonge Merckx" aber auch, dass er nur noch über eine sehr viel geringere gentische Variationsbreite verfügte, als die Tauben anderer Züchter. Bei den Janssens selbst konnte er nur mit wiederum mit ihm verwandten Tieren verpaart werden, so dass die genetische Verarmung und der Inzuchtgrad seiner reinen Janssen-Kinder eher noch zunahm. Veränderte Anforderungen (z.B. durch neue Krankheitskeime) und zunehmende Inzuchtdepression bereiteten den Erfolgen der Janssens damit ein absehbares Ende.
Ungebrochen hoch bis in die 90er Jahre war jedoch die Qualität der Janssen-Tauben als Vererber von Spitzenpreisen (insbesondere auf Kurz- und Mittelstrecken). Sie zeigten diese Fähigkeit insbesondere dann, wenn sie mit absolut nicht verwandten Tieren eines anderen Züchters gekreuzt wurden. Und es ist schnell klar warum: Mit einem Schlag (also schon in der ersten Paarung) wird der hohe Homozygotiegrad, der hauptsächlich für die Probleme verantwortlich ist, auf einen Inzuchtkoeffizienten von 0% reduziert. Die negativen Folgen der starken Inzucht sind damit ebenfalls mit einem Schlag verschwunden. Aber im Gegenzug erhalten die Kinder ein großes Paket von den "guten" Genen des "Jonge Merckx", die über ihre additive Genwirkung weiterhin wirken.
Diese plötzliche Verbesserung des Phänotyps in seiner Leistungsfähigkeit, bei Jungtieren einer Kreuzungspaarung, nennt man HETEROSIS. Sie ist sozusagen das Gegenstück zur Inzuchtdepression.
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Sonntag, 28. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 8)
Die Zucht von guten Brieftauben ist nicht ohne Grund eine große Herausforderung. Wie im vorherigen Teil beschrieben, ist unser Ziel, Asse zu züchten, immer auch von Umweltfaktoren abhängig. Das Klima auf dem Schlag, die Art und Qualität der Versorgung, das Wetter auf den Flügen, die Trainingsmethoden, all diese Umweltfaktoren wirken sich auf das Flugergebnis einer Brieftaube aus. Aus genau diesem Grunde ist aber die Bewertung der Qualität einer Brieftaube so schwierig. Denn es entscheidet nicht nur das genetische Potential, ob die Taube das Zeug zum As hat, sondern auch, ob und in welchem Umfang dieses Potential abgerufen wird.
Millionen von Kindern aus As-Tauben wechselten in der Geschichte des Taubensportes sicher schon den Besitzer, ohne bei ihrem neuen Besitzer (unter anderen Umweltbedingungen) jemals eine gute Reisetaube, geschweige denn ein As gebracht zu haben. Dies verdeutlicht sehr klar die starke Bedeutung von Umweltfaktoren in der Zuchtprüfung von Brieftauben. Hieraus zu schließen, man könne die Genetik und ihre Erkenntnisse für die Brieftaubenzucht dann schließlich auch vergessen, wäre aber ein fataler Fehler. Denn dass etwas schwierig ist, bedeutet nicht, dass etwas unmöglich ist. Zudem zeigt ein Blick in die Stammbäume der meisten As-Tauben, dass sehr gute Leistungen eben doch vererblich sind. Sehr oft sieht man hier in allen Generationen der Vorfahren Top-Tiere mit überdurchschnitlichen Leistungen als Reise- oder Zuchttier. Eine As-Taube, deren Vorfahren schon über Generationen keinen Leistungsnachweis erbrachten ist mir persönlich noch nicht begegnet.
Klare, reproduzierbare Kriterien bei der Zuchtprüfung
Eben weil die Umwelt einen so starken Einfluß auf die Leistungen unserer Brieftauben hat, sollten wir bei der Bewertung der Eigenschaften, auf die wir Züchten wollen, versuchen Umweltabhängigkeiten zu minimieren. Es ist daher gefährlich den Zuchtwert einer Taube ausschließlich über die Flugleistung der Tauben abzuschätzen, und erst recht dann, wenn man Flugleistungen von Tauben auf verschiedenen Schlägen und sogar aus verschiedenen Reisejahren vergleicht. Alternativ hierzu ist ein Ranking der Tauben innerhalb eines Schlages, die alle das gleiche Reiseprogramm bei gleichem Wetter absolvierten, unter Einbeziehung anderer Faktoren viel aussagekräftiger.
Ich mache es bei mir so, dass ich in Bezug auf die mir wichtigen Zuchtziele (siehe Teil 7) während einer Saison Punkte verteile. Wer in einem Kriterium eine auffälig gute Leistung erzielte bzw. ein auffällig positives Verhalten zeigte, bekommt hier Punkte. Immer wenn beispielsweise etwas Neues zu erlernen ist, bekommen die Tauben, die als erste "ins kalte Wasser zu springen" und es begreifen einen Punkt für Intelligenz. Reiseleistungen werden immer auch relativ zu ihren Schlagkameraden beurteilt. Dadurch versuche ich Umwelteinflüsse, wie eine besonders gute Reiseform auf dem Schlag, das Wetter auf den Flügen, verkrachte Flüge, ..., die ja immer alle Reisetauben eines Schlages betreffen,in der Bewertung zu eliminieren.
Aussergewöhnliche Flüge, wie z.B. Unwetterflüge oder "Verkrachte" werden genutzt, um Punkte für Ausdauer/Regenerationsvermögen und besondere Orientierungsfähigkeit zu vergeben. Flüge mit sehr ungünstigem Wind werden genutzt um Punkte für Orientierungsvermögen und Intelligenz zu vergeben. Das Verhalten während des Eingewöhnens von Jährigen auf dem neuen Schlag, und ebenso das Verhalten während der Brut werden genutzt, um Punkte für das Revierverhalten zu vergeben. Die Tiere werden also ganzjährig beobachtet und Punkte für die einzelnen Zuchtziele verteilt.
Wenn es um die Anpaarung geht, werden die Paare so zusammengesetzt, dass in ALLEN Zuchtzielen, eine möglichst hohe Punktzahl erreicht wird. Bei den Zuchtzielen wird keine Ausgleichspaarung betrieben, da ich dort ja eine fortschreitende Verbesserung erzielen möchte. In Bereichen, die nicht zu meinen Zuchtzielen gehören, wie z.B. bestimmte Körperproportionen, wird hingegen Ausgleichszucht betrieben, um hier keine Extreme zu produzieren.
Wenn Tauben von andern Schlägen eingeführt werden, versuche ich die Schläge so auszuwählen, dass die Auswahlkriterien auf diesem Schlag meinen ähneln. Ich würde z.B. nie eine Taube von einem Schlag einführen, der bevorzugt nach Augenzeichen selektiert, da ich an so etwas nicht glaube. Auf der anderen Seite habe ich Tauben eines belgischen Züchters eingeführt, der seine Tiere sehr häufig auf über 500km schickt, hohe Anforderungen an das angeborene Orientierungsvermögen der Tiere stellt, da er das Streckentraining kaum praktiziert, und eine Randlage in seinem Club besitzt. Alles ähnliche Anforderungen, die ich meinen Tauben auch stelle.
Top-Vererber
All dies machen wir, um dem Zufall in der Zucht eine gewollte Richtung zu verleihen. Doch machmal gibt es Tauben, die scheinen ganz besonders und sehr viel mehr als andere Tauben, ihre Eigenschaften auf die Nachkommen zu vererben. Wie kann das sein, wo wir es doch, wie in früheren Teilen gezeigt, mit einer zufälligen Verteilung der Gene der Eltern auf die Kinder zu tun haben? Auch sind die allermeisten Qualitäten, auf die wir bei Brieftauben züchten müssen, quantitative d.h. durch sehr viele Gene bestimmte Eigenschaften. Und deren Allele ergänzen sich additiv in ihren Eigenschaften. Es gibt also nicht das eine dominante Leistungs-Gen, das nur übertragen werden muß, damit der Nachfahre ein As wird.
Zu aller erst hat ein Top-Vererber ein besonders hohes Anreicherungsniveau an "guten" Genen in seinem Genom erreicht. Doch zusätzlich, es gibt hierbei zwei wichtige Aspekte zu beleuchten:
1. Die Kopplung von Genen. Bei der Meiose (der Reifung der Keimzellen) werden zwar die Chromosomen von Mutter und Vater gemischt und jeweils zur Hälfte auf die Keimzellen verteilt, aber die einzelnen Chromosomenfäden (40 von der Mutter und 40 vom Vater) bleiben jeweils dabei ganz! Das heißt: Wenn auf einem Chromosom des Vaters bereits sehr viele "gute" Gene für eine bestimmte Eigenschaft vorhanden sind, werden diese am Stück auf die Nachkommenschaft vererbt. Man spricht in diesem Falle auch von der KOPPLUNG dieser Gene. Das heißt jedes zweites Jungtier und wiederum jedes zweite Jungtier dieser Jungtiere, erhält den gesamten Block "guter" Gene vererbt. Die Kopplung wichtiger Gene ist also eine Erklärung für mache besonders guten Vererber über Generationen hinweg. (Gekoppelte Gene widersprechen übrigens der Unabhängigkeitsregel von Mendel)
Bei bestimmten Zuchtpaaren können auch einmal sehr selten Kopplungen zwischen qualitativen Eigenschaften (z.B. Gefiederfarbe) und Leistungseigenschaften auftreten, wenn z.B. das Allel für die Gefiederfarbe zufällig auch auf dem Chromosomenstrang sitzt, auf dem die vielen leistungsbegünstigenden Gene sitzen, und alle gemeinsam auf die Jungen übertragen werden. Wie gesagt, eine solche Kopplung ist ein absoluter Zufall und kann und darf nicht verallgemeinert werden. Nur weil bei den Jungtauben aus einem bestimmten Paar z.B. die "schmierig blauen" am besten fliegen, gilt dies nicht für alle "schmierig blauen" Tauben! Tritt sie auf, ist sie natürlich ein Glücksfall, da sie Hinweise für die Selektion gibt.
Ergänzend zur Kopplung muß man jedoch auch erwähnen, dass sich in seltenen Fällen während der Meiose der väterliche und der mütterliche Chromosomenfaden überkreuzen können und dann ein Teilabschnitt zwischen diesen beiden Chromosomen ausgetauscht werden kann. Man spricht hier vom CROSSING OVER. Das Crossing Over kann der Grund sein, warum dieser mit "guten" Genen beladene Chromosomenstrang des Topvererbers überhaupt entstanden ist. Es kann aber auch der Grund dafür sein, warum dieser Strang sich wieder "zerlegt", so dass die Nachzucht nicht mehr alle Top-Gene am Stück erbt.
2. Die Homozygotie: Ich hatte die Begriffe homozygot und heterozygot im Teil 3 erläutert. Wenn für ein Gen sowohl auf dem väterlichen, wie auch auf dem mütterlichen Chromosomenstrang das gleiche Allel existiert, nennt man dies reinerbig bzw. homozygot. Ein homozygot vorliegendes Gen wird gesichert auf die Kinder übertragen, da in allen Keimzellen des Elterntieres dieses eine Allel vorhanden ist. Wenn wir uns von der Betrachtung einzelner Gene lösen, und das gesamte Genom betrachten, stellt sich die Frage wie oft Gene homozygot auftreten. Sprich wie hoch ist der HOMOZYGOTIEGRAD des Ergutes dieses Tieres? Denn je höher der Homozygotiegrad des Genoms ist, desto sicherer werden einzelne Eigenschaften des Tieres auf seine Nachkommen vererbt! Ein Top-Vererber könnte seine aussergewöhliche Fähigkeit auch einem hohen Homozygotiegrad insbesondere bei den "guten" Genen zu verdanken haben. Dieser stellt dann sicher, dass ein Großteil seiner "guten" Gene auf die Kinder übergeht.
Das am meisten genutzte Werkzeug zum Erhöhen des Homozygotiegrades in der Zucht ist die Inzucht. Dies ist ein besonderes Thema, und daher werde ich es im Teil 9 gesondert erläutern.
Millionen von Kindern aus As-Tauben wechselten in der Geschichte des Taubensportes sicher schon den Besitzer, ohne bei ihrem neuen Besitzer (unter anderen Umweltbedingungen) jemals eine gute Reisetaube, geschweige denn ein As gebracht zu haben. Dies verdeutlicht sehr klar die starke Bedeutung von Umweltfaktoren in der Zuchtprüfung von Brieftauben. Hieraus zu schließen, man könne die Genetik und ihre Erkenntnisse für die Brieftaubenzucht dann schließlich auch vergessen, wäre aber ein fataler Fehler. Denn dass etwas schwierig ist, bedeutet nicht, dass etwas unmöglich ist. Zudem zeigt ein Blick in die Stammbäume der meisten As-Tauben, dass sehr gute Leistungen eben doch vererblich sind. Sehr oft sieht man hier in allen Generationen der Vorfahren Top-Tiere mit überdurchschnitlichen Leistungen als Reise- oder Zuchttier. Eine As-Taube, deren Vorfahren schon über Generationen keinen Leistungsnachweis erbrachten ist mir persönlich noch nicht begegnet.
Klare, reproduzierbare Kriterien bei der Zuchtprüfung
Eben weil die Umwelt einen so starken Einfluß auf die Leistungen unserer Brieftauben hat, sollten wir bei der Bewertung der Eigenschaften, auf die wir Züchten wollen, versuchen Umweltabhängigkeiten zu minimieren. Es ist daher gefährlich den Zuchtwert einer Taube ausschließlich über die Flugleistung der Tauben abzuschätzen, und erst recht dann, wenn man Flugleistungen von Tauben auf verschiedenen Schlägen und sogar aus verschiedenen Reisejahren vergleicht. Alternativ hierzu ist ein Ranking der Tauben innerhalb eines Schlages, die alle das gleiche Reiseprogramm bei gleichem Wetter absolvierten, unter Einbeziehung anderer Faktoren viel aussagekräftiger.
Ich mache es bei mir so, dass ich in Bezug auf die mir wichtigen Zuchtziele (siehe Teil 7) während einer Saison Punkte verteile. Wer in einem Kriterium eine auffälig gute Leistung erzielte bzw. ein auffällig positives Verhalten zeigte, bekommt hier Punkte. Immer wenn beispielsweise etwas Neues zu erlernen ist, bekommen die Tauben, die als erste "ins kalte Wasser zu springen" und es begreifen einen Punkt für Intelligenz. Reiseleistungen werden immer auch relativ zu ihren Schlagkameraden beurteilt. Dadurch versuche ich Umwelteinflüsse, wie eine besonders gute Reiseform auf dem Schlag, das Wetter auf den Flügen, verkrachte Flüge, ..., die ja immer alle Reisetauben eines Schlages betreffen,in der Bewertung zu eliminieren.
Aussergewöhnliche Flüge, wie z.B. Unwetterflüge oder "Verkrachte" werden genutzt, um Punkte für Ausdauer/Regenerationsvermögen und besondere Orientierungsfähigkeit zu vergeben. Flüge mit sehr ungünstigem Wind werden genutzt um Punkte für Orientierungsvermögen und Intelligenz zu vergeben. Das Verhalten während des Eingewöhnens von Jährigen auf dem neuen Schlag, und ebenso das Verhalten während der Brut werden genutzt, um Punkte für das Revierverhalten zu vergeben. Die Tiere werden also ganzjährig beobachtet und Punkte für die einzelnen Zuchtziele verteilt.
Wenn es um die Anpaarung geht, werden die Paare so zusammengesetzt, dass in ALLEN Zuchtzielen, eine möglichst hohe Punktzahl erreicht wird. Bei den Zuchtzielen wird keine Ausgleichspaarung betrieben, da ich dort ja eine fortschreitende Verbesserung erzielen möchte. In Bereichen, die nicht zu meinen Zuchtzielen gehören, wie z.B. bestimmte Körperproportionen, wird hingegen Ausgleichszucht betrieben, um hier keine Extreme zu produzieren.
Wenn Tauben von andern Schlägen eingeführt werden, versuche ich die Schläge so auszuwählen, dass die Auswahlkriterien auf diesem Schlag meinen ähneln. Ich würde z.B. nie eine Taube von einem Schlag einführen, der bevorzugt nach Augenzeichen selektiert, da ich an so etwas nicht glaube. Auf der anderen Seite habe ich Tauben eines belgischen Züchters eingeführt, der seine Tiere sehr häufig auf über 500km schickt, hohe Anforderungen an das angeborene Orientierungsvermögen der Tiere stellt, da er das Streckentraining kaum praktiziert, und eine Randlage in seinem Club besitzt. Alles ähnliche Anforderungen, die ich meinen Tauben auch stelle.
Top-Vererber
All dies machen wir, um dem Zufall in der Zucht eine gewollte Richtung zu verleihen. Doch machmal gibt es Tauben, die scheinen ganz besonders und sehr viel mehr als andere Tauben, ihre Eigenschaften auf die Nachkommen zu vererben. Wie kann das sein, wo wir es doch, wie in früheren Teilen gezeigt, mit einer zufälligen Verteilung der Gene der Eltern auf die Kinder zu tun haben? Auch sind die allermeisten Qualitäten, auf die wir bei Brieftauben züchten müssen, quantitative d.h. durch sehr viele Gene bestimmte Eigenschaften. Und deren Allele ergänzen sich additiv in ihren Eigenschaften. Es gibt also nicht das eine dominante Leistungs-Gen, das nur übertragen werden muß, damit der Nachfahre ein As wird.
Zu aller erst hat ein Top-Vererber ein besonders hohes Anreicherungsniveau an "guten" Genen in seinem Genom erreicht. Doch zusätzlich, es gibt hierbei zwei wichtige Aspekte zu beleuchten:
1. Die Kopplung von Genen. Bei der Meiose (der Reifung der Keimzellen) werden zwar die Chromosomen von Mutter und Vater gemischt und jeweils zur Hälfte auf die Keimzellen verteilt, aber die einzelnen Chromosomenfäden (40 von der Mutter und 40 vom Vater) bleiben jeweils dabei ganz! Das heißt: Wenn auf einem Chromosom des Vaters bereits sehr viele "gute" Gene für eine bestimmte Eigenschaft vorhanden sind, werden diese am Stück auf die Nachkommenschaft vererbt. Man spricht in diesem Falle auch von der KOPPLUNG dieser Gene. Das heißt jedes zweites Jungtier und wiederum jedes zweite Jungtier dieser Jungtiere, erhält den gesamten Block "guter" Gene vererbt. Die Kopplung wichtiger Gene ist also eine Erklärung für mache besonders guten Vererber über Generationen hinweg. (Gekoppelte Gene widersprechen übrigens der Unabhängigkeitsregel von Mendel)
Bei bestimmten Zuchtpaaren können auch einmal sehr selten Kopplungen zwischen qualitativen Eigenschaften (z.B. Gefiederfarbe) und Leistungseigenschaften auftreten, wenn z.B. das Allel für die Gefiederfarbe zufällig auch auf dem Chromosomenstrang sitzt, auf dem die vielen leistungsbegünstigenden Gene sitzen, und alle gemeinsam auf die Jungen übertragen werden. Wie gesagt, eine solche Kopplung ist ein absoluter Zufall und kann und darf nicht verallgemeinert werden. Nur weil bei den Jungtauben aus einem bestimmten Paar z.B. die "schmierig blauen" am besten fliegen, gilt dies nicht für alle "schmierig blauen" Tauben! Tritt sie auf, ist sie natürlich ein Glücksfall, da sie Hinweise für die Selektion gibt.
Ergänzend zur Kopplung muß man jedoch auch erwähnen, dass sich in seltenen Fällen während der Meiose der väterliche und der mütterliche Chromosomenfaden überkreuzen können und dann ein Teilabschnitt zwischen diesen beiden Chromosomen ausgetauscht werden kann. Man spricht hier vom CROSSING OVER. Das Crossing Over kann der Grund sein, warum dieser mit "guten" Genen beladene Chromosomenstrang des Topvererbers überhaupt entstanden ist. Es kann aber auch der Grund dafür sein, warum dieser Strang sich wieder "zerlegt", so dass die Nachzucht nicht mehr alle Top-Gene am Stück erbt.
2. Die Homozygotie: Ich hatte die Begriffe homozygot und heterozygot im Teil 3 erläutert. Wenn für ein Gen sowohl auf dem väterlichen, wie auch auf dem mütterlichen Chromosomenstrang das gleiche Allel existiert, nennt man dies reinerbig bzw. homozygot. Ein homozygot vorliegendes Gen wird gesichert auf die Kinder übertragen, da in allen Keimzellen des Elterntieres dieses eine Allel vorhanden ist. Wenn wir uns von der Betrachtung einzelner Gene lösen, und das gesamte Genom betrachten, stellt sich die Frage wie oft Gene homozygot auftreten. Sprich wie hoch ist der HOMOZYGOTIEGRAD des Ergutes dieses Tieres? Denn je höher der Homozygotiegrad des Genoms ist, desto sicherer werden einzelne Eigenschaften des Tieres auf seine Nachkommen vererbt! Ein Top-Vererber könnte seine aussergewöhliche Fähigkeit auch einem hohen Homozygotiegrad insbesondere bei den "guten" Genen zu verdanken haben. Dieser stellt dann sicher, dass ein Großteil seiner "guten" Gene auf die Kinder übergeht.
Das am meisten genutzte Werkzeug zum Erhöhen des Homozygotiegrades in der Zucht ist die Inzucht. Dies ist ein besonderes Thema, und daher werde ich es im Teil 9 gesondert erläutern.
Mittwoch, 24. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 7)
Das Erbgut enthält den Bauplan nachdem ein Lebewesen "gebaut" ist. Dies war in den vorhergegangenen Teilen ein von mir immer wieder gebrauchtes Bild. Doch wir haben im letzten Teil gesehen, dass die Umwelt auch ihr Schärflein zum "Aufbau" des jeweiligen Lebewesens beiträgt. Dieser Umwelteinfluß kann soweit gehen, dass er für die Ausprägung bestimmter Merkmale die maßgebende Instanz ist. Dies meint, dass das Erbgut an dieser Stelle gar nichts Konkretes bewirken kann.
Die Vererblichkeit (Heritabilität)
Betrachtet man z.B. die Äste eines Baumes, so wird schnell klar, dass nicht sein Erbgut definiert hat, wo genau welcher Ast wachsen wird, wie dick er ist, und wann er neue Quertriebe bringt. Das Erbgut beschreibt hier lediglich, nach welchen Regeln sich der Baum verhalten soll, wenn er Wind, Sonne und Astabrüchen ausgesetzt ist. Was dann letztendlich dabei heraus kommt, sieht jedesmal anders aus, ist einzigartig, selbst wenn es zwei Bäume mit identischem Erbgut wären.
Zwei andere Beispiele kennen wir auch vom Menschen: Der Fingerabdruck und auch die Iris sind individuell von Mensch zu Mensch verschieden, sogar bei Eineiigen Zwillingen. Und es sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt: Es ist nicht gerade unwahrscheinlich dass auch die Iriszeichnungen unserer Tauben nicht ausschließlich durch das Erbgut bestimmt werden, sondern individuelle Produkte der Natur sind, deren Aussehen im Detail die Folge von Umwelteinflüssen und Wachstumsprozessen sind. Sprich: Gerade die Details (die Detailzeichnungen des Taubenauges ,wie "Geschwindigkeitslinien, "Ausdauerlinien", ...) , worauf viele Züchter auch heute noch allzu gerne schauen, um die "Vererbungsstärke" von Brieftauben vorherzusagen, sind wahrscheinlich gar nicht direkt vom Erbgut der Taube abhängig, sondern zu einem guten Teil auf "Umwelteinflüsse" zurückzuführen! Zumindest aber sind die das Augenaussehen bestimmenden Faktoren qualitativ vererbte Merkmale, die auf nur wenige Gene zurückzuführen sind. Einen Schluß von diesen wenigen Genen auf das gesamte Genom einer Taube oder auf die von sehr vielen Genen abhängigen quantitativen Merkmale (wie z.B. Geschwindigkeit) zu ziehen, ist nicht zulässig (siehe auch hier unter dem Stichwort "Kopplung von Genen").
Das Merkmal eines Lebewesens , dass wir durch gerichtete Zuchtwahl verstärken bzw. abschwächen können, und dies auch vor dem Hintegrund, der durch die Umwelt diesem Merkmal hinzugefügten Variationsbreite wird in der Genetik als ein vererbliches Merkmal bezeichnet. Das heißt, das Merkmal muß sich trotz der Umweltvariation bis in den Phänotyp erkennbar durchsetzen können.
Der relative Fortschritt (relativ zur Selektionsgrenze), den man bei der Zuchtwahl von einer zur nächsten Generation erzielt, wird in der Populationsgenetik HERITABILITÄT genannt. Dies läßt sich wohl am besten mit dem deutschen Kunstwort "Vererblichkeit" übersetzen.
Wenn also die Variationsbreite der Umwelt extrem groß ist, kann sie, wie im Falle der Aststruktur eines Baumes, die genetische Bauanleitung dahinter so unkenntlich machen, dass man von einer sehr geringen Heritabilität/Vererblichkeit der Aststruktur von Bäumen sprechen würde, da man hier durch Zuchtwahl auf keine bestimmte Aststruktur hin züchten kann.
In der Tierzucht bzw. Zucht von Brieftauben können wir durch Zuchtwahl also nur in den Merkmalen einen Fortschritt im Genom erreichen, die eine ausreichende Heritabilität besitzen. Als ein sehr wichtiges Merkmal, dass nach verschiedenen Aussagen eine sehr geringe Heritabilität besitzt, ist an dieser Stelle die Vitalität zu nennen (z.B. im Buch "Die Kunst des Züchtens" von Prof. Alfons Anker und im "Das große Buch der Brieftaube" von Prof. van Grembergen). Wenn also die Aussagen dieser wenigen Wissenschaftler, die sich einmal konkret mit Brieftauben befasst haben, zutreffen, dann bedeutet dies: Eine Auslese auf Vitalität ist zwar natürlich dem durchschnittlichen Gesundheitsstatus des Bestandes sehr zuträglich und daher zwingend notwendig, sie verbessert aber nicht das Genom der Tiere hin zu im Durchschnitt "vitaleren" Tauben. Sprich auch aus zwei top-vitalen Tieren können wenig vitale Tiere gezogen werden und auch umgekehrt. Eine Festschreibung der Eigenschaft "Vitalität" im Genom ist schwerlich möglich.
Konzentration auf wenige Merkmale
Wie bereits in früheren Teilen geschrieben, sind die bei Brieftauben so wichtigen Eigenschaften quantitativ vererbte Merkmale, an deren Ausprägung viele Gene beteiligt sind. Wenn man es sich sehr einfach machen wollte, könnte man ja nur von einem Merkmal sprechen, auf das wir züchten wollen: "Die Fähigkeit eine As-Taube oder 1.Konkursflieger zu sein".
Dieses Merkmal ist aber eine Kombination aus vielen quantitativ vererbten Merkmalen und hängt daher von einer sehr sehr großen Anzahl von Genen ab. Und dieser Umstand macht uns dann in der Zuchtwahl besonders zu schaffen. Warum?
Nun, jedes quantitative Merkmal hat eine Variationsbreite (ich verweise hier an die bereits öfter gezeigte Darstellung der Häufigkeitsverteilungs einer bestimmten Merkmalsqualität, wie im Milchleistungsbeispiel bei Kühen in Teil 4 erläutert). Und diese Variationsbreite wird nochmals durch die Umweltvariation deutlich verstärkt und verändert. Wenn wir nun auf dieses Merkmal hin Selektion betreiben, werden wir zwar kontinuierlich Fortschritte in der Verbessung des Genoms durch Anreicherung von "guten" Genen erzielen. Doch der Fortschritt pro Generation wird umso geringer, je größer die Variationsbreite des Merkmales ist und je geringer dessen Heritabilität ist. Auch wird es schwer bei der Beurteilung der Merkmale reproduzierbare und von Umwelteinflüssen rel. unabhängige Kriterien anzulegen, da die Umwelteinflüsse die Reproduzierbarkeit stark einschränken können. Hier sei als Beispiel das Wetter bei den Flügen erwähnt, die die Beurteilung der Eigenschaft "Geschwindigkeit" deutlich erschwert.
Zusätzlich erzeugt die Bewertung nach sehr vielen Merkmalen noch ein systematisches Problem:
Bei der Selektionsbewertung des ersten Merkmales (z.B. Nestliebe) könnten beispielsweise nur 30% der aller Tiere unser Kriterium erfüllen und übrig bleiben, und bei der Bewertung des zweiten Merkmales (z.B. Muskelfülle) nur 10% aller Tiere, und bei der Bewertung eines dritten Merkmales (z.B. Distanzeignung) nur 20% aller Tiere. Und so könnte es gut sein, dass nur noch 0,6% (10% x 20% x 30%) aller zur Verfügung stehenden Nachzuchttiere die Selektionsprüfungen erfüllen! Sprich von 1000 Jungtieren hätten, wenn wir etwas Pech haben, nur 6 Jungtiere alle Kriterien erfüllt!
Als direkte Folge hiervon wäre man gewungen, auf das eine oder andere Merkmal nicht mehr so scharf zu selektieren. Wodurch man aber, wenn dieses Merkmal ohnehin nur eine geringe Heritabiliät besitzt, im Bezug auf dieses Merkmal sehr schnell im Durchschnitt versinkt und keinen weiteren Zuchtfortschritt hierin erzielen wird.
Somit wir auch schnell klar, warum es für den Züchter extrem wichtig ist, dass seine Zuchttiere in möglichst vielen der ihm wichtigen Eigenschaften nicht nur gut sondern sehr gut sind. Denn der Nachwuchs wird immer in beide Richtungen abweichen, und die Zahl der Nachwuchstiere, die bei allen wichtigen Merkmalen gleichzeitig in die "bessere" Richtung abweichen, ist statistisch gesehen bereits sehr gering. Sie geht aber schnell gegen Null, wenn in der Zucht Tiere eingesetzt werden, die bei den uns wichtigen Merkmalen nur durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich sind.
Aus meiner Sicht ist das komplexeste aller denkbaren Selektions-Merkmale für eine Brieftaube ("Die As-Taube" oder "der Spitze-Flieger") bereits abhängig von vielen quantitativ vererbten Untermerkmalen. Daher ist die zu erwartende Heritabilität hier sehr gering. Genau deshalb wird in der Zucht auf sehr gute Brieftauben nur so langsam und beschwerlich ein Fortschritt erreicht. Aber genau deshalb ist es auch so spannend.
Und aus eben diesem Grunde ist es aus meiner Sicht wichtig, dass man diesem ohnehin bereits schwer zugänglichen Merkmal des "Spitze-Fliegers" nicht noch weitere, davon unabhängige Zuchtmerkmale (wie Augenfarbe, Federformen des Deckgefieders, Zehenfarbe,...) hinzufügt. Denn dann leidet zwangsläufig die Selektionsschärfe in unserem Hauptmerkmal, da wir ja nicht unbegrenzt viele Jungtauben züchten können.
Auf der anderen Seite wäre es sehr dienlich, dieses komplexe Hauptmerkmal auf weniger komplexe Untermerkmale zurückführen zu können aus denen es sozusagen "besteht". So könnte man den Zuchtfortschritt in diesen Untermerkmalen im Auge behalten, um dort keinen großen "Abstieg" zu riskieren. Denn diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn man sich bei der Selektion auf das Merkmal "AS-Taube" konzentriert hat, und die Leistung eines bestimmten Tieres aber in diesem Falle leider maßgeblich durch wenig vererbliche Merkmale bestimmt wurden, wie beispielsweise einer herausragenden Vitalität und Bastardstärke.
Und an dieser Stelle verlassen wir den Pfad des Bekannten. Welches mögen diese im Auge zu behaltenden "Untermerkmale" sein. Traditionsgeprägte Taubenzüchter fügen hier oft Äußerlichkeiten wie "Flügelform", "Körperform", "Verhalten des Schwanzes beim Neigen der Taube", "breiter Rücken",... an. Dies könnten alles durchaus zutreffende Merkmale sein.
Doch ich persönlich habe dort starke Zweifel, dass viele der hier genannten Selektions-Kriterien wirklich zielführend sind. Denn woher wissen wir denn, wie konkret bei diesen Merkmalen die Guten und die Schlechten aussehen? Es hat bisher meines Wissens keine biomechanischen Untersuchungen gegeben, die den optimalen Taubenkörper ermittelt hätten. Hätten diese Merkmale eine hohe Relevanz für eine sehr gut fliegende Brieftaube, sollte sich doch in den letzten Jahrhunderten der Brieftaubenzucht zumindest unter den Spitzentauben und Assen ein im Bezug auf diese Merkmale sehr sehr einheitlicher Typ herauskristallisiert haben!
Und exakt dies ist, trotz oft gegenteiliger Behauptungen, eben nicht der Fall! Als Beispiele möchte ich nur zwei berühmte Tauben anfügen: Den berühmten "Knook" (übersetzt "Knochen", was schon einiges über sein Äußeres aussagt) von De Klak, und die "Sissi" von Ad Schaerlaeckens, einem der Aussage Schaerlaeckens nach sehr kleinen und ziemlich unausgewogenen Weibchen, dass zu den besten Zuchttauben des 20. Jahrhunderts zu rechnen ist.
Ich möchte hier aber nicht falsch verstanden werden. Sicher wird es eine optimale Körperform (oder mehrere für Kurz-, Mittel und Weitstreckentauben) geben. Doch wenn eine Nachzuchttaube, in einer Weise von dieser Körperform abweicht, die nachteilig für die Flugleistung ist (und nur das interessiert uns doch), wird eben die Flugleistung dieses Tieres auch schlechter. Sprich über eine Selektion nach Flugleistungen einer Taube ist mir die notwendige Qualtät eines Taubenkörpers doch direkt zugänglich!
Meine persönlichen Favoriten für die im Auge zu behaltenden "Untermerkmale" sind vielmehr:
- Intelligentes Verhalten bzw. hohe Lernfähigkeit
- hohes Orientierungsvermögen
- starker Nest- und Revierinstinkt
- schnelle Regenerationsfähigkeit nach großer Anstrengung
- Distanzeignung
und zu guter Letzt
- Geschwindigkeit
Insbesondere das Regenerationsvermögen läßt aber nicht zwingend auf einen gut vererbbaren Herz-Kreislauf-Stoffwechsel Komplex schließen, da es auch einfach nur auf eine besondere (leider gering vererbliche) Vitalität zurückzuführen sein könnte. Daher werden so ausgewählte Zuchttauben erst als brauchbare Zuchttiere anerkannt, wenn ihre Nachzucht diese Merkmale ebenfalls aufweisen und dadurch die Vererblichkeit ihrer Eigenschaften auf ihre Nachzucht beweisen wurde. Andernfalls wird dieses Zuchttier (egal, wie seine Reiseleistungen dann auch gewesen sein mag) mit samt seiner Nachzucht aus dem Bestand entfernt.
Aber wie bereits gesagt. Hier befinden wir uns nicht mehr auf dem konkret durch die Populationsgenetik vorherbestimmten Pfad. Es ist vielmehr die individuelle Interpretation dieser Erkenntnisse und der daraus durch den einzelnen Züchter abgeleiteten Konsequenzen. Hier wird es spannend, und dadurch setzt der Wettbewerb zwischen den Züchtern bereits an dieser Stelle in der Zucht an!
Die Vererblichkeit (Heritabilität)
Betrachtet man z.B. die Äste eines Baumes, so wird schnell klar, dass nicht sein Erbgut definiert hat, wo genau welcher Ast wachsen wird, wie dick er ist, und wann er neue Quertriebe bringt. Das Erbgut beschreibt hier lediglich, nach welchen Regeln sich der Baum verhalten soll, wenn er Wind, Sonne und Astabrüchen ausgesetzt ist. Was dann letztendlich dabei heraus kommt, sieht jedesmal anders aus, ist einzigartig, selbst wenn es zwei Bäume mit identischem Erbgut wären.
Zwei andere Beispiele kennen wir auch vom Menschen: Der Fingerabdruck und auch die Iris sind individuell von Mensch zu Mensch verschieden, sogar bei Eineiigen Zwillingen. Und es sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt: Es ist nicht gerade unwahrscheinlich dass auch die Iriszeichnungen unserer Tauben nicht ausschließlich durch das Erbgut bestimmt werden, sondern individuelle Produkte der Natur sind, deren Aussehen im Detail die Folge von Umwelteinflüssen und Wachstumsprozessen sind. Sprich: Gerade die Details (die Detailzeichnungen des Taubenauges ,wie "Geschwindigkeitslinien, "Ausdauerlinien", ...) , worauf viele Züchter auch heute noch allzu gerne schauen, um die "Vererbungsstärke" von Brieftauben vorherzusagen, sind wahrscheinlich gar nicht direkt vom Erbgut der Taube abhängig, sondern zu einem guten Teil auf "Umwelteinflüsse" zurückzuführen! Zumindest aber sind die das Augenaussehen bestimmenden Faktoren qualitativ vererbte Merkmale, die auf nur wenige Gene zurückzuführen sind. Einen Schluß von diesen wenigen Genen auf das gesamte Genom einer Taube oder auf die von sehr vielen Genen abhängigen quantitativen Merkmale (wie z.B. Geschwindigkeit) zu ziehen, ist nicht zulässig (siehe auch hier unter dem Stichwort "Kopplung von Genen").
Das Merkmal eines Lebewesens , dass wir durch gerichtete Zuchtwahl verstärken bzw. abschwächen können, und dies auch vor dem Hintegrund, der durch die Umwelt diesem Merkmal hinzugefügten Variationsbreite wird in der Genetik als ein vererbliches Merkmal bezeichnet. Das heißt, das Merkmal muß sich trotz der Umweltvariation bis in den Phänotyp erkennbar durchsetzen können.
Der relative Fortschritt (relativ zur Selektionsgrenze), den man bei der Zuchtwahl von einer zur nächsten Generation erzielt, wird in der Populationsgenetik HERITABILITÄT genannt. Dies läßt sich wohl am besten mit dem deutschen Kunstwort "Vererblichkeit" übersetzen.
Wenn also die Variationsbreite der Umwelt extrem groß ist, kann sie, wie im Falle der Aststruktur eines Baumes, die genetische Bauanleitung dahinter so unkenntlich machen, dass man von einer sehr geringen Heritabilität/Vererblichkeit der Aststruktur von Bäumen sprechen würde, da man hier durch Zuchtwahl auf keine bestimmte Aststruktur hin züchten kann.
In der Tierzucht bzw. Zucht von Brieftauben können wir durch Zuchtwahl also nur in den Merkmalen einen Fortschritt im Genom erreichen, die eine ausreichende Heritabilität besitzen. Als ein sehr wichtiges Merkmal, dass nach verschiedenen Aussagen eine sehr geringe Heritabilität besitzt, ist an dieser Stelle die Vitalität zu nennen (z.B. im Buch "Die Kunst des Züchtens" von Prof. Alfons Anker und im "Das große Buch der Brieftaube" von Prof. van Grembergen). Wenn also die Aussagen dieser wenigen Wissenschaftler, die sich einmal konkret mit Brieftauben befasst haben, zutreffen, dann bedeutet dies: Eine Auslese auf Vitalität ist zwar natürlich dem durchschnittlichen Gesundheitsstatus des Bestandes sehr zuträglich und daher zwingend notwendig, sie verbessert aber nicht das Genom der Tiere hin zu im Durchschnitt "vitaleren" Tauben. Sprich auch aus zwei top-vitalen Tieren können wenig vitale Tiere gezogen werden und auch umgekehrt. Eine Festschreibung der Eigenschaft "Vitalität" im Genom ist schwerlich möglich.
Konzentration auf wenige Merkmale
Wie bereits in früheren Teilen geschrieben, sind die bei Brieftauben so wichtigen Eigenschaften quantitativ vererbte Merkmale, an deren Ausprägung viele Gene beteiligt sind. Wenn man es sich sehr einfach machen wollte, könnte man ja nur von einem Merkmal sprechen, auf das wir züchten wollen: "Die Fähigkeit eine As-Taube oder 1.Konkursflieger zu sein".
Dieses Merkmal ist aber eine Kombination aus vielen quantitativ vererbten Merkmalen und hängt daher von einer sehr sehr großen Anzahl von Genen ab. Und dieser Umstand macht uns dann in der Zuchtwahl besonders zu schaffen. Warum?
Nun, jedes quantitative Merkmal hat eine Variationsbreite (ich verweise hier an die bereits öfter gezeigte Darstellung der Häufigkeitsverteilungs einer bestimmten Merkmalsqualität, wie im Milchleistungsbeispiel bei Kühen in Teil 4 erläutert). Und diese Variationsbreite wird nochmals durch die Umweltvariation deutlich verstärkt und verändert. Wenn wir nun auf dieses Merkmal hin Selektion betreiben, werden wir zwar kontinuierlich Fortschritte in der Verbessung des Genoms durch Anreicherung von "guten" Genen erzielen. Doch der Fortschritt pro Generation wird umso geringer, je größer die Variationsbreite des Merkmales ist und je geringer dessen Heritabilität ist. Auch wird es schwer bei der Beurteilung der Merkmale reproduzierbare und von Umwelteinflüssen rel. unabhängige Kriterien anzulegen, da die Umwelteinflüsse die Reproduzierbarkeit stark einschränken können. Hier sei als Beispiel das Wetter bei den Flügen erwähnt, die die Beurteilung der Eigenschaft "Geschwindigkeit" deutlich erschwert.
Zusätzlich erzeugt die Bewertung nach sehr vielen Merkmalen noch ein systematisches Problem:
Bei der Selektionsbewertung des ersten Merkmales (z.B. Nestliebe) könnten beispielsweise nur 30% der aller Tiere unser Kriterium erfüllen und übrig bleiben, und bei der Bewertung des zweiten Merkmales (z.B. Muskelfülle) nur 10% aller Tiere, und bei der Bewertung eines dritten Merkmales (z.B. Distanzeignung) nur 20% aller Tiere. Und so könnte es gut sein, dass nur noch 0,6% (10% x 20% x 30%) aller zur Verfügung stehenden Nachzuchttiere die Selektionsprüfungen erfüllen! Sprich von 1000 Jungtieren hätten, wenn wir etwas Pech haben, nur 6 Jungtiere alle Kriterien erfüllt!
Als direkte Folge hiervon wäre man gewungen, auf das eine oder andere Merkmal nicht mehr so scharf zu selektieren. Wodurch man aber, wenn dieses Merkmal ohnehin nur eine geringe Heritabiliät besitzt, im Bezug auf dieses Merkmal sehr schnell im Durchschnitt versinkt und keinen weiteren Zuchtfortschritt hierin erzielen wird.
Somit wir auch schnell klar, warum es für den Züchter extrem wichtig ist, dass seine Zuchttiere in möglichst vielen der ihm wichtigen Eigenschaften nicht nur gut sondern sehr gut sind. Denn der Nachwuchs wird immer in beide Richtungen abweichen, und die Zahl der Nachwuchstiere, die bei allen wichtigen Merkmalen gleichzeitig in die "bessere" Richtung abweichen, ist statistisch gesehen bereits sehr gering. Sie geht aber schnell gegen Null, wenn in der Zucht Tiere eingesetzt werden, die bei den uns wichtigen Merkmalen nur durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich sind.
Aus meiner Sicht ist das komplexeste aller denkbaren Selektions-Merkmale für eine Brieftaube ("Die As-Taube" oder "der Spitze-Flieger") bereits abhängig von vielen quantitativ vererbten Untermerkmalen. Daher ist die zu erwartende Heritabilität hier sehr gering. Genau deshalb wird in der Zucht auf sehr gute Brieftauben nur so langsam und beschwerlich ein Fortschritt erreicht. Aber genau deshalb ist es auch so spannend.
Und aus eben diesem Grunde ist es aus meiner Sicht wichtig, dass man diesem ohnehin bereits schwer zugänglichen Merkmal des "Spitze-Fliegers" nicht noch weitere, davon unabhängige Zuchtmerkmale (wie Augenfarbe, Federformen des Deckgefieders, Zehenfarbe,...) hinzufügt. Denn dann leidet zwangsläufig die Selektionsschärfe in unserem Hauptmerkmal, da wir ja nicht unbegrenzt viele Jungtauben züchten können.
Auf der anderen Seite wäre es sehr dienlich, dieses komplexe Hauptmerkmal auf weniger komplexe Untermerkmale zurückführen zu können aus denen es sozusagen "besteht". So könnte man den Zuchtfortschritt in diesen Untermerkmalen im Auge behalten, um dort keinen großen "Abstieg" zu riskieren. Denn diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn man sich bei der Selektion auf das Merkmal "AS-Taube" konzentriert hat, und die Leistung eines bestimmten Tieres aber in diesem Falle leider maßgeblich durch wenig vererbliche Merkmale bestimmt wurden, wie beispielsweise einer herausragenden Vitalität und Bastardstärke.
Und an dieser Stelle verlassen wir den Pfad des Bekannten. Welches mögen diese im Auge zu behaltenden "Untermerkmale" sein. Traditionsgeprägte Taubenzüchter fügen hier oft Äußerlichkeiten wie "Flügelform", "Körperform", "Verhalten des Schwanzes beim Neigen der Taube", "breiter Rücken",... an. Dies könnten alles durchaus zutreffende Merkmale sein.
Doch ich persönlich habe dort starke Zweifel, dass viele der hier genannten Selektions-Kriterien wirklich zielführend sind. Denn woher wissen wir denn, wie konkret bei diesen Merkmalen die Guten und die Schlechten aussehen? Es hat bisher meines Wissens keine biomechanischen Untersuchungen gegeben, die den optimalen Taubenkörper ermittelt hätten. Hätten diese Merkmale eine hohe Relevanz für eine sehr gut fliegende Brieftaube, sollte sich doch in den letzten Jahrhunderten der Brieftaubenzucht zumindest unter den Spitzentauben und Assen ein im Bezug auf diese Merkmale sehr sehr einheitlicher Typ herauskristallisiert haben!
Und exakt dies ist, trotz oft gegenteiliger Behauptungen, eben nicht der Fall! Als Beispiele möchte ich nur zwei berühmte Tauben anfügen: Den berühmten "Knook" (übersetzt "Knochen", was schon einiges über sein Äußeres aussagt) von De Klak, und die "Sissi" von Ad Schaerlaeckens, einem der Aussage Schaerlaeckens nach sehr kleinen und ziemlich unausgewogenen Weibchen, dass zu den besten Zuchttauben des 20. Jahrhunderts zu rechnen ist.
Ich möchte hier aber nicht falsch verstanden werden. Sicher wird es eine optimale Körperform (oder mehrere für Kurz-, Mittel und Weitstreckentauben) geben. Doch wenn eine Nachzuchttaube, in einer Weise von dieser Körperform abweicht, die nachteilig für die Flugleistung ist (und nur das interessiert uns doch), wird eben die Flugleistung dieses Tieres auch schlechter. Sprich über eine Selektion nach Flugleistungen einer Taube ist mir die notwendige Qualtät eines Taubenkörpers doch direkt zugänglich!
Meine persönlichen Favoriten für die im Auge zu behaltenden "Untermerkmale" sind vielmehr:
- Intelligentes Verhalten bzw. hohe Lernfähigkeit
- hohes Orientierungsvermögen
- starker Nest- und Revierinstinkt
- schnelle Regenerationsfähigkeit nach großer Anstrengung
- Distanzeignung
und zu guter Letzt
- Geschwindigkeit
Insbesondere das Regenerationsvermögen läßt aber nicht zwingend auf einen gut vererbbaren Herz-Kreislauf-Stoffwechsel Komplex schließen, da es auch einfach nur auf eine besondere (leider gering vererbliche) Vitalität zurückzuführen sein könnte. Daher werden so ausgewählte Zuchttauben erst als brauchbare Zuchttiere anerkannt, wenn ihre Nachzucht diese Merkmale ebenfalls aufweisen und dadurch die Vererblichkeit ihrer Eigenschaften auf ihre Nachzucht beweisen wurde. Andernfalls wird dieses Zuchttier (egal, wie seine Reiseleistungen dann auch gewesen sein mag) mit samt seiner Nachzucht aus dem Bestand entfernt.
Aber wie bereits gesagt. Hier befinden wir uns nicht mehr auf dem konkret durch die Populationsgenetik vorherbestimmten Pfad. Es ist vielmehr die individuelle Interpretation dieser Erkenntnisse und der daraus durch den einzelnen Züchter abgeleiteten Konsequenzen. Hier wird es spannend, und dadurch setzt der Wettbewerb zwischen den Züchtern bereits an dieser Stelle in der Zucht an!
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Dienstag, 23. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 6)
"Man ist, was man ißt",
heißt ein alter Spruch, den wir, besonders bei Übergewicht, nicht unbedingt gerne hören. Aber nicht nur für Menschen, die uns damit ärgernd zu einer gesunden Ernährung animieren wollen, hat dieser Spruch eine wichtige Bedeutung, sondern seit grob einem Jahrzehnt auch für die Genetik.
Denn damals konnte gezeigt werden, dass die Information im Genom eines Lebewesens durch Umwelteinflüße, wie z.B. die Ernährung, derart beeinflußt werden kann, dass der Phänotyp, also das reale Aussehen und Verhalten des Lebewesens, durch diese Umwelteinflüsse stark varieren kann. Und dies auch dann, wenn der Bauplan (die genetische Information) identisch waren!
Das Bild zeigt den sichtbaren Beweis: Genetisch gleiche Mäuse, die aber durch unterschiedliche Ernährung eine unterschiedliche Fellfärbung entwickelt hatten und diese auch behielten.
(Foto: Epigenome network of excellence, Morgan et. al. 1999).
Für uns heißt dies: So einfach, dass wir alles, was die Leistungsfähigkeit und das Aussehen unserer Tauben betrifft, auf die Gene, die sie von ihren Eltern erhielten, zurückführen können, ist es leider nicht.
Die Umwelt, ein sehr wichtiger Faktor
Wir erinnern uns, die Gene liefern den Bauplan des Lebewesens, den Genotyp. Doch erstens: Wie es auf Baustellen nun einmal so abläuft, sind wir uns nie sicher, ob dieser Bauplan auch immer identisch gelesen und interpretiert wird. Und zweitens : Auch wenn das Lebewesen komplett identisch "gebaut" wurde, kommt es natürlich auch darauf an, wie die Umwelt dieses Lebewesen "formt". Und was dann herauskommt ist der Phänotyp, und der ist letztendlich entscheidend für die Resultate auf den Wettflügen.
Zum zweiten Punkt lassen sich sehr einsichtige Beispiele anführen. Wenn beispielsweise Nestjunge bereits Ernährungsmängel erleiden mußten, und dadurch Organschäden oder Knochendeformationenen erlitten, zeigen Sie im späteren Leben eine andere Qualität, als wenn dies nicht der Fall gewesen wäre.
Überstandene Krankheiten und sogar Impfungen haben Auswirkungen auf die Widerstandskraft und Vitalität einer Taube und damit auf den Phänotyp. Und zu guter Letzt natürlich ebenso das Schlagklima und die Schlagführung.
Der erste Punkt ist hingegen eine eher neue Erkenntnis in der Genetik. Man hat in den letzten Jahren festgestellt, dass nicht nur das Vorhandensein von Genen und ihre gegenseitigen Wechselbeziehungen, wie Rezessivität, Dominanz und Epistasie wichtig für den Phänotyp sind, sondern dass es ebenso wichtig ist, dass ein Gen auch zur Auswertung "freigeschaltet" ist. Bestimmte chemische Veränderungen an den Genen (z.B. Methylierungen) können diese nämlich an und ausschalten. Und diese Schalter werden teilweise (und das ist neu!) durch Umweltfaktoren gesetzt und werden dann später (und das ist ganz besonders spannend!) in manchen Fällen sogar weiterverbt.
So ist das obige Beispiel mit dem Mausefell keine Ausnahme. Beim Menschen sind bereits einige solcher Fälle dokumentiert, wie z.B. die Ausprägung von Asthma, bestimmter Krebsarten und Herzkreislauf Besonderheiten. Bei Tauben wird dieser Umwelteinfluß auf die "Lesbarkeit" der Gene mit Sicherheit nicht anders sein, nur geforscht wird hier leider wenig, wenn überhaupt. Man bezeichnet diesen Themenkomplex in der Genetik auch als EPIGENETIK. Sie ist derzeit das Forschungsgebiet in der Genetik schlechthin.
Was bedeuten diese Umwelteinflüsse aber für uns Taubenzüchter?
Nun, da wir ja die Gene einer Taube nicht direkt analysieren, und so entscheiden können, welche Taube "gute "Gene hat, und welche Taube "schlechte", testen wir die Tiere auf die gewünschten Merkmale, die unser Zuchtziel darstellen. Und das heißt, wir tätigen Rückschlüsse vom Phänotyp auf den Genotyp. Es geht leider nicht anders, doch es macht die Sache schwieriger, da wie eben gezeigt, die Umwelteinflüsse die Merkmalsausprägung ja auch mit beeinflussen. Unsere Testergebnisse werden also unschärfer und sind mit einer zusätzlichen Unsicherheit behaftet.
In der Abbildung sehen wir die nun schon öfter benutzte Darstellung der Häufigkeits-Verteilung der Qualität von Tieren in Bezug auf ein Merkmal, auf das wir züchten wollen (schwarze Kurve). Durch Umwelteinflüsse wird sich aber die Menge der "mittelguten" Tiere verändern, und ebenso die Menge der sehr guten oder weniger guten. Tiere, die eigentlich mittelgut wären, könnten z.B. durch Krankheit oder falsche Ernährung schlechter sein, als der Genotyp dies hätte erwarten lassen. Sprich die Kurve wird breiter, der Erwartungswert für die mittlere Leistung der Population sinkt, und die Zahl der Spitzentiere geht zurück, gleichzeitig steigt die Zahl der schlechten Tiere (rote Kurve).
Ebenso ist es denkbar, dass durch eine besonders gute Versorgung, besondere Trainingsmethoden (und leider auch durch unlautere Tricks, wie Medikamentenmissbrauch oder Doping), der Anteil der gut getesteten Tiere steigt, und ebenso die Zahl der Spitzentiere, ohne, dass dies auf bessere Gene zurückzuführen wäre (blaue Kurve). Sprich in einer späteren Zucht, böten diese Tiere keinen Vorteil, nein sogar einen Nachteil, da sie ja ein besseres Genom vorgaukeln, als sie tatsächlich haben.
Beide Fälle sind uns Taubenzüchtern natürlich aus der Praxis bekannt. Es gibt Züchter, die tollsten Erfolge feiern, doch die Nachzucht selbst ihrer allerbesten Tiere fliegen bei anderen Züchtern selten überdurchschnittlich, da diese nicht mit den gleichen optimierten Umweltbedingungen aufwarten können (Versorgung, Schlag, Training,...).
Und es gibt Züchter, die eine "robuste" Taubenhaltung pflegen, keine besonderen Trainingsmethoden anwenden, und bei der Versorgung nicht immer gleich den Tierarzt einschalten oder präventiv Medikamente geben, sondern auf Selektion der Kranken setzen. Deren Umweltbedingungen sind also härter, als im ersten Falle. Haben diese Züchter herausragende Tiere, wird es eine deutlich größere Gruppe von anderen Schlägen geben, die ebenfalls gute Erfolge mit der Nachzucht dieser Spitzentiere feiern können, da die Umwelteinflüsse auf den anderen Schlägen ja oft zumindest gleich stark optimiert sind.
Es ist somit kein Wunder, dass gerade die Nachzucht von Schlägen, die "robust" geführt werden/wurden über Jahrzehnte in aller Munde sind. Nennen könnte man hier sicher De Klak oder Janssen, aber auch manche andere.
Also können wir auch hier eine durch die Populationsgenetik gestützte wichtige Lehre für die Taubenzucht ziehen: Wenn wir Tauben aus anderen Schlägen einführen, sollten wir nicht nur auf die Leistungsnachweise dieser Tauben oder ihrer direkten Verwandschaft achten, sondern auch darauf, dass die Haltungsbedingungen, die Versorgung und die Trainingsmethoden des Züchters nicht extrem von den eigenen abweichen. Und zwar abweichen in die Richtung: "Leichtere Lebensbedingungen, Intensiveres Training, mehr Medikamente,..." Ansonsten werden die "härteren" Bedingungen auf dem eigenen Schlag bei der Nachzucht dieser Tauben nur schlechtere Ergebnisse erwarten lassen.
Natürlich ist es so, dass die durch optimierte Umweltbedingungen an bessere Leistungen herangeführten Tauben kein "Problem" für den Züchter darstellen, der dieses so macht. Im Gegenteil, seine Tiere sind denen der Wettbewerber überlegen, selbst wenn sie genetisch nicht überlegen sind. Und da er auf seinem eigenen Schlag ja immer derart agiert, hat er auch eine vergleichbare Informationsbasis zur Selektion der besten Tauben für die Zucht, solange er auf seinem eigenen Schlag bleibt.
heißt ein alter Spruch, den wir, besonders bei Übergewicht, nicht unbedingt gerne hören. Aber nicht nur für Menschen, die uns damit ärgernd zu einer gesunden Ernährung animieren wollen, hat dieser Spruch eine wichtige Bedeutung, sondern seit grob einem Jahrzehnt auch für die Genetik.
Denn damals konnte gezeigt werden, dass die Information im Genom eines Lebewesens durch Umwelteinflüße, wie z.B. die Ernährung, derart beeinflußt werden kann, dass der Phänotyp, also das reale Aussehen und Verhalten des Lebewesens, durch diese Umwelteinflüsse stark varieren kann. Und dies auch dann, wenn der Bauplan (die genetische Information) identisch waren!
Das Bild zeigt den sichtbaren Beweis: Genetisch gleiche Mäuse, die aber durch unterschiedliche Ernährung eine unterschiedliche Fellfärbung entwickelt hatten und diese auch behielten.
(Foto: Epigenome network of excellence, Morgan et. al. 1999).
Für uns heißt dies: So einfach, dass wir alles, was die Leistungsfähigkeit und das Aussehen unserer Tauben betrifft, auf die Gene, die sie von ihren Eltern erhielten, zurückführen können, ist es leider nicht.
Die Umwelt, ein sehr wichtiger Faktor
Wir erinnern uns, die Gene liefern den Bauplan des Lebewesens, den Genotyp. Doch erstens: Wie es auf Baustellen nun einmal so abläuft, sind wir uns nie sicher, ob dieser Bauplan auch immer identisch gelesen und interpretiert wird. Und zweitens : Auch wenn das Lebewesen komplett identisch "gebaut" wurde, kommt es natürlich auch darauf an, wie die Umwelt dieses Lebewesen "formt". Und was dann herauskommt ist der Phänotyp, und der ist letztendlich entscheidend für die Resultate auf den Wettflügen.
Zum zweiten Punkt lassen sich sehr einsichtige Beispiele anführen. Wenn beispielsweise Nestjunge bereits Ernährungsmängel erleiden mußten, und dadurch Organschäden oder Knochendeformationenen erlitten, zeigen Sie im späteren Leben eine andere Qualität, als wenn dies nicht der Fall gewesen wäre.
Überstandene Krankheiten und sogar Impfungen haben Auswirkungen auf die Widerstandskraft und Vitalität einer Taube und damit auf den Phänotyp. Und zu guter Letzt natürlich ebenso das Schlagklima und die Schlagführung.
Der erste Punkt ist hingegen eine eher neue Erkenntnis in der Genetik. Man hat in den letzten Jahren festgestellt, dass nicht nur das Vorhandensein von Genen und ihre gegenseitigen Wechselbeziehungen, wie Rezessivität, Dominanz und Epistasie wichtig für den Phänotyp sind, sondern dass es ebenso wichtig ist, dass ein Gen auch zur Auswertung "freigeschaltet" ist. Bestimmte chemische Veränderungen an den Genen (z.B. Methylierungen) können diese nämlich an und ausschalten. Und diese Schalter werden teilweise (und das ist neu!) durch Umweltfaktoren gesetzt und werden dann später (und das ist ganz besonders spannend!) in manchen Fällen sogar weiterverbt.
So ist das obige Beispiel mit dem Mausefell keine Ausnahme. Beim Menschen sind bereits einige solcher Fälle dokumentiert, wie z.B. die Ausprägung von Asthma, bestimmter Krebsarten und Herzkreislauf Besonderheiten. Bei Tauben wird dieser Umwelteinfluß auf die "Lesbarkeit" der Gene mit Sicherheit nicht anders sein, nur geforscht wird hier leider wenig, wenn überhaupt. Man bezeichnet diesen Themenkomplex in der Genetik auch als EPIGENETIK. Sie ist derzeit das Forschungsgebiet in der Genetik schlechthin.
Was bedeuten diese Umwelteinflüsse aber für uns Taubenzüchter?
Nun, da wir ja die Gene einer Taube nicht direkt analysieren, und so entscheiden können, welche Taube "gute "Gene hat, und welche Taube "schlechte", testen wir die Tiere auf die gewünschten Merkmale, die unser Zuchtziel darstellen. Und das heißt, wir tätigen Rückschlüsse vom Phänotyp auf den Genotyp. Es geht leider nicht anders, doch es macht die Sache schwieriger, da wie eben gezeigt, die Umwelteinflüsse die Merkmalsausprägung ja auch mit beeinflussen. Unsere Testergebnisse werden also unschärfer und sind mit einer zusätzlichen Unsicherheit behaftet.
In der Abbildung sehen wir die nun schon öfter benutzte Darstellung der Häufigkeits-Verteilung der Qualität von Tieren in Bezug auf ein Merkmal, auf das wir züchten wollen (schwarze Kurve). Durch Umwelteinflüsse wird sich aber die Menge der "mittelguten" Tiere verändern, und ebenso die Menge der sehr guten oder weniger guten. Tiere, die eigentlich mittelgut wären, könnten z.B. durch Krankheit oder falsche Ernährung schlechter sein, als der Genotyp dies hätte erwarten lassen. Sprich die Kurve wird breiter, der Erwartungswert für die mittlere Leistung der Population sinkt, und die Zahl der Spitzentiere geht zurück, gleichzeitig steigt die Zahl der schlechten Tiere (rote Kurve).
Ebenso ist es denkbar, dass durch eine besonders gute Versorgung, besondere Trainingsmethoden (und leider auch durch unlautere Tricks, wie Medikamentenmissbrauch oder Doping), der Anteil der gut getesteten Tiere steigt, und ebenso die Zahl der Spitzentiere, ohne, dass dies auf bessere Gene zurückzuführen wäre (blaue Kurve). Sprich in einer späteren Zucht, böten diese Tiere keinen Vorteil, nein sogar einen Nachteil, da sie ja ein besseres Genom vorgaukeln, als sie tatsächlich haben.
Beide Fälle sind uns Taubenzüchtern natürlich aus der Praxis bekannt. Es gibt Züchter, die tollsten Erfolge feiern, doch die Nachzucht selbst ihrer allerbesten Tiere fliegen bei anderen Züchtern selten überdurchschnittlich, da diese nicht mit den gleichen optimierten Umweltbedingungen aufwarten können (Versorgung, Schlag, Training,...).
Und es gibt Züchter, die eine "robuste" Taubenhaltung pflegen, keine besonderen Trainingsmethoden anwenden, und bei der Versorgung nicht immer gleich den Tierarzt einschalten oder präventiv Medikamente geben, sondern auf Selektion der Kranken setzen. Deren Umweltbedingungen sind also härter, als im ersten Falle. Haben diese Züchter herausragende Tiere, wird es eine deutlich größere Gruppe von anderen Schlägen geben, die ebenfalls gute Erfolge mit der Nachzucht dieser Spitzentiere feiern können, da die Umwelteinflüsse auf den anderen Schlägen ja oft zumindest gleich stark optimiert sind.
Es ist somit kein Wunder, dass gerade die Nachzucht von Schlägen, die "robust" geführt werden/wurden über Jahrzehnte in aller Munde sind. Nennen könnte man hier sicher De Klak oder Janssen, aber auch manche andere.
Also können wir auch hier eine durch die Populationsgenetik gestützte wichtige Lehre für die Taubenzucht ziehen: Wenn wir Tauben aus anderen Schlägen einführen, sollten wir nicht nur auf die Leistungsnachweise dieser Tauben oder ihrer direkten Verwandschaft achten, sondern auch darauf, dass die Haltungsbedingungen, die Versorgung und die Trainingsmethoden des Züchters nicht extrem von den eigenen abweichen. Und zwar abweichen in die Richtung: "Leichtere Lebensbedingungen, Intensiveres Training, mehr Medikamente,..." Ansonsten werden die "härteren" Bedingungen auf dem eigenen Schlag bei der Nachzucht dieser Tauben nur schlechtere Ergebnisse erwarten lassen.
Natürlich ist es so, dass die durch optimierte Umweltbedingungen an bessere Leistungen herangeführten Tauben kein "Problem" für den Züchter darstellen, der dieses so macht. Im Gegenteil, seine Tiere sind denen der Wettbewerber überlegen, selbst wenn sie genetisch nicht überlegen sind. Und da er auf seinem eigenen Schlag ja immer derart agiert, hat er auch eine vergleichbare Informationsbasis zur Selektion der besten Tauben für die Zucht, solange er auf seinem eigenen Schlag bleibt.
Samstag, 20. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 5)
Berühmt ist er durch seine These geworden, der Mensch und die Affen haben einen gemeinsamen Vorfahren. Und schon die Heftigkeit der Reaktion der Menschen seiner Zeit auf diese These legte, boshaft betrachtet, die Richtigkeit dieser These nahe. Doch sein eigentliches Verdienst war sein Beitrag zum grundlegenden Verständnis der Evolution und der Entwicklung der Arten auf unserem Planeten. Somit war Charles Darwin neben Mendel einer der Mitbegründer der Populationsgenetik, auch wenn Genetik gar nicht sein Thema war. Es war eigentlich vielmehr die Selektion.
Selektion, die zentrale Aufgabe des Züchters
Im vorherigen Teil haben wir gesehen, dass man unterscheiden muss, zwischen qualitativen Merkmalen, die durch einzelne bzw. sehr wenige Gene bestimmt werden und quantitativen Merkmalen, die von einer Vielzahl von Genen bestimmt werden. Die wesentlichen, für den Brieftaubensport relevanten Merkmale sind quantitativer Natur. Als Züchter kann man hier trotz der unzähligen Möglichkeiten bei der Weitergabe dieser Gene auf die Nachzucht dennoch gezielt und mit Planung an die Aufgabe der Zucht heran gehen, da auch im Zufall Gesetzmäßigkeiten stecken. Das Ziel ist es, möglichst viele Gene, die positiv zum gewünschten Merkmal beitragen anzuhäufen.
Werden nun zwei Tiere verpaart, die z.B. jeweils 10 "gute" Gene im Bezug auf unsere Wunscheigenschaft in sich tragen, so ist es am wahrscheinlichsten, dass auch deren Kinder 10 "gute" Gene in sich tragen. Doch es könnten auch ein paar Kinder mit nur 9 oder 8 "guten" Genen dabei sein oder ganz selten auch welche mit nur 3 oder auch 17 "guten" Genen. Anhand der Milchleistung von Kühen hatten wir im letzten Teil betrachtet, wie so eine Verteilung der "guten" Gene, die die gute Milchleistung zur Folge hat, in der Realität einer Rinderzucht aussieht. Es bildete sich eine Verteilung der Häufigkeit von aufgetretenen Milchleistungen, die so zunächst einmal auch auf unsere Fragen bei Brieftauben übertragbar ist.
Wenn wir nur die Tiere zur weiteren Zucht verwenden, die überdurchschnittliche Leistungen in Bezug auf unser Merkmal gezeigt haben (grau schraffierter Bereich), passiert in der nächsten Generation das, was hier im Bild im unteren Teil zu sehen ist: Die Tiere dieser Generation werden im Duchschnitt eine höhere Anzahl an "guten" Genen in sich tragen, sprich im Schnitt werden die Leistungen besser geworden sein (das Maximum ist nach rechts gerückt). Zu unserem Beispiel: Wenn wir nur noch die Tiere mit über 11 "guten" Genen zur Zucht einsetzen, kommen später Junge dabei heraus, die im Mittel z.B. 12 "gute" Gene in sich tragen. Und die Wahrscheinlichkeit eines Jungen mit nur 3 "guten" Genen ist gesunken, wogegen die Wahrscheinlichekeit auf ein Junges mit 17 "guten" Genen gestiegen ist.
Auf einen "Fehler" im Buch "Die Kunst des Züchtens" von Alfons Anker möchte ich an dieser Stelle aufmerksam machen. Dort wird beschrieben, dass sich bei der Vererbung von additiven Eigenschaften das Ergebnis intermediär ergibt (soweit so gut). Und dass dies bedeuten würde, dass sich die Qualität der Nachfahren immer zwischen den Qualitäten der Ausgangstiere befände (10 mit 12 verpaart ergäbe z.B 11 bei den Jungen). Dies ist FALSCH!
Richtig ist vielmehr: Der Erwartungswert der Qualität liegt dazwischen, sprich am Wahrscheinlichsten, sind Nachfahren, die dazwischen (hier also bei 11) liegen. Doch es können natürlich auch Nachkommen entstehen, die über und auch unter den Qualitäten der Eltern liegen, wenn auch deutlich seltener!
Testen, Dokumentieren, Züchten, Testen,...
Es wäre schön, wenn wir einen Gentest hätten, mit dem wir die "guten" Gene auszählen könnten, und so etwas wäre rein theoretisch auch möglich. Aber da leider keine -zig Milliarden Euro in die Erforschung des Brieftauben-Genoms gesteckt werden, bleibt ein solcher Test wohl auf ewig ein Traum. Wir müssen also unser Merkmal bei jeder Taube messen und dokumentieren. Und dies so objektiv wie möglich, um eine hohe Wiederholbarkeit der Ergebnisse zu erreichen. Und dann konzentrieren wir uns in der Zucht auf die Tiere, die die besten Messergebnisse erreicht haben.
Natürlich ist die objektive "Messbarkeit" von Merkmalen wie z.B. "Nestliebe" nicht gerade einfach. Doch könnte man beispielsweise ein eigenes Benotungssystem definieren ("verteidigt nicht und flüchtet" = 0 Punkte, "verteidigt nicht, aber flüchtet nicht"= 1 Punkt, "verteidigt bleibt aber sehr ruhig dabei"= 2 Punkte, "verteidigt heftigt"= 3 Punkte, "verteidigt sehr heftig, Beisser!"= 4 Punkte). Würden diese Ergebnisse Jahr für Jahr protokolliert, und würde man konsequent hiernach für die Zucht selektieren, so könnte man tatsächlich nach ein paar Generationen einen deutlichen Anstieg des Verteidigungsverhaltens auf dem Nest erkennen.
Eine wichtige Konsequenz für uns Züchter lautet also:
Zunächst müssen wir die Merkmale, auf die wir züchten wollen definieren, dann müssen wir sie geeignet und möglichst objektiv messen und protokollieren, und abschließend dürfen wir nur die Besseren auf dieser Skala zur Zucht einsetzen. Und dies Jahr für Jahr, und am besten mit einem Rückblick auf die früheren Ergebnisse, um eine Erfolgskontrolle durchzuführen.
Ein simples und wenig fundiertes "die Taube gefällt mir" vor der Anpaarung ist reines Lotto spielen in der Zucht. Zucht muß aber eben nicht nur purer Zufall sein, sondern kann zielgerichtet betrieben werden. Ein anderes Wort für Selektion ist schließlich "Zuchtwahl": Züchten und (Aus)wählen.
Selektion ist zwingend notwendig zur Qualitätserhaltung
Doch nicht nur zur Verbesserung ist eine gerichtete Selektion notwendig. Auch wenn wir als Züchter das Glück haben, bereits einige Tauben sehr hoher Qualität auf dem Schlag zu haben, ist konsequente Selektion die wichtigste Aufgabe. Denn ev. waren diese Tauben nur ein glücklicher Zufall und nicht die Konsequenz eines im Durchschnitt sehr guten Bestandes mit bereits hoch angereichten "guten" Genen. Sprich der Erwartungswert für die Qualität unsere Population liegt weit von diesen Ausnahmetauben entfernt. Wenn wir diese Tauben dann mit dem "durchschnittlichen" Rest unseres Bestandes paaren, fallen wir sehr schnell wieder ins Mittelmaß zurück.
Die Forscher Hardy und Weinberg haben festgestellt, dass man die Verteilung von einzelnen Allelen eines Gens in einer Population direkt berechnen kann (zu weiteren Details am besten googlen, Stichworte: "Hardy", "Weinberg", "Gleichung", denn es würde hier zu weit führen). Anhand ihrer Gleichung, angewendet auf mehrere Gene, läßt sich zeigen, dass ohne gezielte Selektion eine einzelne Taube mit sagen wir mal 20 Top-Genen in z.B. einer Population mit 40 Tauben die nur 10 Top-Gene besitzen, bereits nach 3 Generation kaum noch einen meßbaren positiven Effekt hätte. Ein vermeindlicher Top-Züchter wird in wenigen Jahren zum Durchschnittsspieler. Beispiele hierfür finden sich in der Geschichte des Taubensportes zur Genüge.
Umgekehrt kann durch wirklich konsequente fortdauernde Selektion ein Effekt zum Positiveren erreicht werden. Je schäfter die Selektion ist, desto schneller setzt sich ein Merkmal in einer Population durch. Allerdings ergibt sich hier die Problematik, dass wir meist viel zu wenig der richtig guten Tiere haben, um die Selektion allzu streng wählen zu können. Denn dann wird unser Zucht-Bestand schnell sehr klein und wir haben innerhalb weniger Jahre nur noch die Möglichkeit mehr oder minder miteinander verwandte Tiere unter einander zu verpaaren. Doch das Thema Inzucht bedarf einer ausführlicheren Betrachtung, daher dazu später einmal mehr.
Dennoch: Die simple Weisheit "ausreichend viel Züchten, konsequent prüfen, nur mit den Besten weiter züchten", die schon Staf Dusarduyn, De Klak und andere frühere Meister vertraten, führt gesichert zum Ziel. Dies bestätigt die Populationsgenetik!
Wenn wir aber nur einzelne gute Tiere haben und dennoch relativ schnell Erfolge haben wollen, bleibt uns nur der Weg, unsere eigenen allerbesten Tiere mit den bestmöglichen von aussen hinzu geholten Tieren zu verpaaren, die ebenfalls all unseren Kriterien in höchstem Maße entsprechen. Sprich wir müssen einen Teil unsere Bestandes gegen bessere Tauben ersetzen. Der Spruch "Es sitzen überall gute Tauben" mag zwar richtig sein. Doch nicht das ist wichtig, sondern wieviele Gute dort zwischen den Schlechten sitzen. Sprich die Wahrscheinlichkeit eine Gute im Bestand zu haben muß möglichst hoch sein!
Und es sei an dieser Stelle noch einmal gesagt: Ungeprüfte Enkel oder gar Urenkel von Top-Tauben sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die richtigen Ergänzungen der eigenen Top-Tiere, da sie ja nur noch im Schnitt 1/4tel bzw. 1/8tel der gewünschten Erbanlagen der Top-Taube besitzen. Wenn man diese Enkel hingegen selber einer Prüfung unterzieht, und sie dort überdurchschnittlich abschneiden, steht natürlich dem Einbau in die eigene Zucht nichts im Wege.
Ja sogar Kinder und Vollgeschwister zu Top-Tauben mögen für die Zucht wertlos sein, wenn sie unsere Prüfkriterien nicht erfüllen. Die oft im Taubensport verbreitete Aussage, dass ein schlechteres Geschwistertier des Top-Tieres oft der "bessere Vererber" sei, ist aus Sicht der Populationsgenetik Blödsinn. Es mag durch besondere Effekte, wie beispielsweise Umwelteffekte, Überdominanz oder zu hohem Homozygotiegrad beim Geschwister (zu diesen Punkten werde ich in einem späteren Teil etwas schreiben) auch einmal so sein, dass dessen Leistungen nicht so gut sind, aber der Zuchtwert hingegen sehr hoch. Doch dies sind Ausnahmen, auf die man keine Zuchtstrategie gründen sollte.
Besonders interessant für die Einführung von Tauben in die Zucht sind also absolute Top-Tiere, oder Tiere, die sehr eng mit den Top-Tieren verwand sind, und in deren Verwandschaft sehr oft Top-Niveau auftritt.
Denn dies gibt uns einen Eindruck davon, wie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Nachkommenqualität später bei uns in der Zucht aussehen könnte. Ein Top-Tier, dass die absolute Ausnahme in seiner Familie war, ist dagegen weniger interessant, da es ein höheres Risiko birgt, auch eine Menge "schlechter" Gene zu verbreiten, die bei diesem Top-Tier jedoch zufällig keine Auswirkungen auf den Phänotyp hatten.
Selektion, die zentrale Aufgabe des Züchters
Im vorherigen Teil haben wir gesehen, dass man unterscheiden muss, zwischen qualitativen Merkmalen, die durch einzelne bzw. sehr wenige Gene bestimmt werden und quantitativen Merkmalen, die von einer Vielzahl von Genen bestimmt werden. Die wesentlichen, für den Brieftaubensport relevanten Merkmale sind quantitativer Natur. Als Züchter kann man hier trotz der unzähligen Möglichkeiten bei der Weitergabe dieser Gene auf die Nachzucht dennoch gezielt und mit Planung an die Aufgabe der Zucht heran gehen, da auch im Zufall Gesetzmäßigkeiten stecken. Das Ziel ist es, möglichst viele Gene, die positiv zum gewünschten Merkmal beitragen anzuhäufen.
Werden nun zwei Tiere verpaart, die z.B. jeweils 10 "gute" Gene im Bezug auf unsere Wunscheigenschaft in sich tragen, so ist es am wahrscheinlichsten, dass auch deren Kinder 10 "gute" Gene in sich tragen. Doch es könnten auch ein paar Kinder mit nur 9 oder 8 "guten" Genen dabei sein oder ganz selten auch welche mit nur 3 oder auch 17 "guten" Genen. Anhand der Milchleistung von Kühen hatten wir im letzten Teil betrachtet, wie so eine Verteilung der "guten" Gene, die die gute Milchleistung zur Folge hat, in der Realität einer Rinderzucht aussieht. Es bildete sich eine Verteilung der Häufigkeit von aufgetretenen Milchleistungen, die so zunächst einmal auch auf unsere Fragen bei Brieftauben übertragbar ist.
Wenn wir nur die Tiere zur weiteren Zucht verwenden, die überdurchschnittliche Leistungen in Bezug auf unser Merkmal gezeigt haben (grau schraffierter Bereich), passiert in der nächsten Generation das, was hier im Bild im unteren Teil zu sehen ist: Die Tiere dieser Generation werden im Duchschnitt eine höhere Anzahl an "guten" Genen in sich tragen, sprich im Schnitt werden die Leistungen besser geworden sein (das Maximum ist nach rechts gerückt). Zu unserem Beispiel: Wenn wir nur noch die Tiere mit über 11 "guten" Genen zur Zucht einsetzen, kommen später Junge dabei heraus, die im Mittel z.B. 12 "gute" Gene in sich tragen. Und die Wahrscheinlichkeit eines Jungen mit nur 3 "guten" Genen ist gesunken, wogegen die Wahrscheinlichekeit auf ein Junges mit 17 "guten" Genen gestiegen ist.
Auf einen "Fehler" im Buch "Die Kunst des Züchtens" von Alfons Anker möchte ich an dieser Stelle aufmerksam machen. Dort wird beschrieben, dass sich bei der Vererbung von additiven Eigenschaften das Ergebnis intermediär ergibt (soweit so gut). Und dass dies bedeuten würde, dass sich die Qualität der Nachfahren immer zwischen den Qualitäten der Ausgangstiere befände (10 mit 12 verpaart ergäbe z.B 11 bei den Jungen). Dies ist FALSCH!
Richtig ist vielmehr: Der Erwartungswert der Qualität liegt dazwischen, sprich am Wahrscheinlichsten, sind Nachfahren, die dazwischen (hier also bei 11) liegen. Doch es können natürlich auch Nachkommen entstehen, die über und auch unter den Qualitäten der Eltern liegen, wenn auch deutlich seltener!
Testen, Dokumentieren, Züchten, Testen,...
Es wäre schön, wenn wir einen Gentest hätten, mit dem wir die "guten" Gene auszählen könnten, und so etwas wäre rein theoretisch auch möglich. Aber da leider keine -zig Milliarden Euro in die Erforschung des Brieftauben-Genoms gesteckt werden, bleibt ein solcher Test wohl auf ewig ein Traum. Wir müssen also unser Merkmal bei jeder Taube messen und dokumentieren. Und dies so objektiv wie möglich, um eine hohe Wiederholbarkeit der Ergebnisse zu erreichen. Und dann konzentrieren wir uns in der Zucht auf die Tiere, die die besten Messergebnisse erreicht haben.
Natürlich ist die objektive "Messbarkeit" von Merkmalen wie z.B. "Nestliebe" nicht gerade einfach. Doch könnte man beispielsweise ein eigenes Benotungssystem definieren ("verteidigt nicht und flüchtet" = 0 Punkte, "verteidigt nicht, aber flüchtet nicht"= 1 Punkt, "verteidigt bleibt aber sehr ruhig dabei"= 2 Punkte, "verteidigt heftigt"= 3 Punkte, "verteidigt sehr heftig, Beisser!"= 4 Punkte). Würden diese Ergebnisse Jahr für Jahr protokolliert, und würde man konsequent hiernach für die Zucht selektieren, so könnte man tatsächlich nach ein paar Generationen einen deutlichen Anstieg des Verteidigungsverhaltens auf dem Nest erkennen.
Eine wichtige Konsequenz für uns Züchter lautet also:
Zunächst müssen wir die Merkmale, auf die wir züchten wollen definieren, dann müssen wir sie geeignet und möglichst objektiv messen und protokollieren, und abschließend dürfen wir nur die Besseren auf dieser Skala zur Zucht einsetzen. Und dies Jahr für Jahr, und am besten mit einem Rückblick auf die früheren Ergebnisse, um eine Erfolgskontrolle durchzuführen.
Ein simples und wenig fundiertes "die Taube gefällt mir" vor der Anpaarung ist reines Lotto spielen in der Zucht. Zucht muß aber eben nicht nur purer Zufall sein, sondern kann zielgerichtet betrieben werden. Ein anderes Wort für Selektion ist schließlich "Zuchtwahl": Züchten und (Aus)wählen.
Selektion ist zwingend notwendig zur Qualitätserhaltung
Doch nicht nur zur Verbesserung ist eine gerichtete Selektion notwendig. Auch wenn wir als Züchter das Glück haben, bereits einige Tauben sehr hoher Qualität auf dem Schlag zu haben, ist konsequente Selektion die wichtigste Aufgabe. Denn ev. waren diese Tauben nur ein glücklicher Zufall und nicht die Konsequenz eines im Durchschnitt sehr guten Bestandes mit bereits hoch angereichten "guten" Genen. Sprich der Erwartungswert für die Qualität unsere Population liegt weit von diesen Ausnahmetauben entfernt. Wenn wir diese Tauben dann mit dem "durchschnittlichen" Rest unseres Bestandes paaren, fallen wir sehr schnell wieder ins Mittelmaß zurück.
Die Forscher Hardy und Weinberg haben festgestellt, dass man die Verteilung von einzelnen Allelen eines Gens in einer Population direkt berechnen kann (zu weiteren Details am besten googlen, Stichworte: "Hardy", "Weinberg", "Gleichung", denn es würde hier zu weit führen). Anhand ihrer Gleichung, angewendet auf mehrere Gene, läßt sich zeigen, dass ohne gezielte Selektion eine einzelne Taube mit sagen wir mal 20 Top-Genen in z.B. einer Population mit 40 Tauben die nur 10 Top-Gene besitzen, bereits nach 3 Generation kaum noch einen meßbaren positiven Effekt hätte. Ein vermeindlicher Top-Züchter wird in wenigen Jahren zum Durchschnittsspieler. Beispiele hierfür finden sich in der Geschichte des Taubensportes zur Genüge.
Umgekehrt kann durch wirklich konsequente fortdauernde Selektion ein Effekt zum Positiveren erreicht werden. Je schäfter die Selektion ist, desto schneller setzt sich ein Merkmal in einer Population durch. Allerdings ergibt sich hier die Problematik, dass wir meist viel zu wenig der richtig guten Tiere haben, um die Selektion allzu streng wählen zu können. Denn dann wird unser Zucht-Bestand schnell sehr klein und wir haben innerhalb weniger Jahre nur noch die Möglichkeit mehr oder minder miteinander verwandte Tiere unter einander zu verpaaren. Doch das Thema Inzucht bedarf einer ausführlicheren Betrachtung, daher dazu später einmal mehr.
Dennoch: Die simple Weisheit "ausreichend viel Züchten, konsequent prüfen, nur mit den Besten weiter züchten", die schon Staf Dusarduyn, De Klak und andere frühere Meister vertraten, führt gesichert zum Ziel. Dies bestätigt die Populationsgenetik!
Wenn wir aber nur einzelne gute Tiere haben und dennoch relativ schnell Erfolge haben wollen, bleibt uns nur der Weg, unsere eigenen allerbesten Tiere mit den bestmöglichen von aussen hinzu geholten Tieren zu verpaaren, die ebenfalls all unseren Kriterien in höchstem Maße entsprechen. Sprich wir müssen einen Teil unsere Bestandes gegen bessere Tauben ersetzen. Der Spruch "Es sitzen überall gute Tauben" mag zwar richtig sein. Doch nicht das ist wichtig, sondern wieviele Gute dort zwischen den Schlechten sitzen. Sprich die Wahrscheinlichkeit eine Gute im Bestand zu haben muß möglichst hoch sein!
Und es sei an dieser Stelle noch einmal gesagt: Ungeprüfte Enkel oder gar Urenkel von Top-Tauben sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die richtigen Ergänzungen der eigenen Top-Tiere, da sie ja nur noch im Schnitt 1/4tel bzw. 1/8tel der gewünschten Erbanlagen der Top-Taube besitzen. Wenn man diese Enkel hingegen selber einer Prüfung unterzieht, und sie dort überdurchschnittlich abschneiden, steht natürlich dem Einbau in die eigene Zucht nichts im Wege.
Ja sogar Kinder und Vollgeschwister zu Top-Tauben mögen für die Zucht wertlos sein, wenn sie unsere Prüfkriterien nicht erfüllen. Die oft im Taubensport verbreitete Aussage, dass ein schlechteres Geschwistertier des Top-Tieres oft der "bessere Vererber" sei, ist aus Sicht der Populationsgenetik Blödsinn. Es mag durch besondere Effekte, wie beispielsweise Umwelteffekte, Überdominanz oder zu hohem Homozygotiegrad beim Geschwister (zu diesen Punkten werde ich in einem späteren Teil etwas schreiben) auch einmal so sein, dass dessen Leistungen nicht so gut sind, aber der Zuchtwert hingegen sehr hoch. Doch dies sind Ausnahmen, auf die man keine Zuchtstrategie gründen sollte.
Besonders interessant für die Einführung von Tauben in die Zucht sind also absolute Top-Tiere, oder Tiere, die sehr eng mit den Top-Tieren verwand sind, und in deren Verwandschaft sehr oft Top-Niveau auftritt.
Denn dies gibt uns einen Eindruck davon, wie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Nachkommenqualität später bei uns in der Zucht aussehen könnte. Ein Top-Tier, dass die absolute Ausnahme in seiner Familie war, ist dagegen weniger interessant, da es ein höheres Risiko birgt, auch eine Menge "schlechter" Gene zu verbreiten, die bei diesem Top-Tier jedoch zufällig keine Auswirkungen auf den Phänotyp hatten.
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Donnerstag, 11. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 4)
Bei zweimal 40 Chromosomen-Strängen mit ca. 1,2 Quadrillionen Kombinationsmöglichkeiten und bei mehreren tausend Genen auf den Chromosomen, die auch noch in unterschiedlichen Varianten (Allelen) existieren, wobei manche sich immer in ihrer Wirkung durchsetzen, während andere dies nur dann tun, wenn sie doppelt vorliegen. Bei Genen, die nur ein bischen "wirken" und nur ihren Anteil zum Ganzen beitragen, bei Genen, die eine Sache bewirken, und Genen, die gleichzeitig viele Sachen bewirken können, und bei Genen die erst durch die Existenz anderer Gene Dinge bewirken können, bei all diesen Möglichkeiten und Varianten, kann man da überhaupt etwas Verlässliches über Zuchtergebnisse sagen? Ist das nicht Chaos und Zufall pur?
(Bild "Chaos" von Roya Modesta-Keyhani)
Der Zufall und die Erwartung
Da Tauben nunmal immer ziemlich ähnlich aussehen, und nicht einmal Federn und Flügel besitzen und beim nächsten Mal ein Fell und vier Beine haben, kann von Chaos sicher nicht die Rede sein. Doch wie kommt das?
Zur Klärung nehmen wir uns mal einen Würfel und würfeln, sagen wir, 30 mal. Die gewürfelten Augenzahlen der Würfe addieren wir und teilen sie durch 30. Wir bilden also den Mittelwert aller gewürfelten Augenzahlen. Und ich sage voraus, dass der Mittelwert recht dicht bei 3,5 liegen wird.
Kann ich nun hellsehen? Nein! Es war zu erwarten, wie man so schön sagt. Die Mathematik sprich hier vom sogenannten ERWARTUNGSWERT.
Würden wir 1000 mal diese 30 Würfel-Würfe durchführen, und würden die Mittelwerte ermitteln, so würden die meisten Werte sehr dicht bei 3,5 liegen, ein paar weniger bei etwa 4 bzw 3 und nur noch sehr wenige in der Nähe von 5 und 2. Wie man so schön sagt: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Sprich dieses Verhalten von zufälligen Ereignissen ist nicht zufällig, sondern vorhersehbar, ja es ist sogar eine Art Naturgesetz! Der deutsche Mathematiker Johann Carl Friedrich Gauss (der vom 10 DM Schein) hat diese Verteilung der Mittelwerte unseres Würfelexperimentes als erster beschrieben. Doch was hat dies mit Genetik zu tun?
Qualitative und Quantitative Eigenschaften
Wenn wir die Vererbung der Gefiederfarbe, der Augenfarbe, einer Halskrause oder belatschten Füßen betrachten, stellen wir fest, dass hier sehr wenige Gene, oft sogar nur ein einziges Gen verantwortlich ist. In solchen Fällen reden wir von QUALITATIVEN EIGENSCHAFTEN. Ihre Vererbung läßt sich mit dem Rüstzeug, dass uns bereits Mendel mit auf den Weg gab sehr gut erfassen und vorhersagen.
Wenn jedoch die Vererbung von komplexeren Merkmalen wie z.B. die Milchleistung einer Kuh betrachtet wird, spielen hier viele dutzend, wenn nicht sogar hunderte Gene eine Rolle: Gene, die die Nahrungsverwertung steuern, Gene, die die Eutergröße steuern, Gene die die Hormontätigkeit steuern,...
Solche komplexen, von vielen Genen abhängigen Merkmale nennt man QUANTITATIVE EIGENSCHAFTEN. Die einzelnenen Gene tragen jedes für sich ihr Schärflein zum Gesamtresultat bei, ihre Wirkungen addieren sich quasi. Daher wird hier auch von ADDITIVER VERERBUNG gesprochen.
Bei diesen Eigenschaften kommt man mit der Betrachtungsweise Mendels nicht weiter, da sie zu sehr auf das Detail des einzelnen Genes ausgerichtet ist. Das Zusammenspiel sehr vieler Gene hingegen gehorcht den Gesetzmäßigkeiten des Zufalls, und hier hilft uns die Statistik und Mathematik weiter.
Im obigen Diagramm ist die Milchleistung von Einzelkühen in einer Kuhpopulation nach auftretender Häufigkeit dargestellt. Die Form des Diagramms kommt uns gleich bekannt vor, denn sie entspricht tatsächlich der des Würfel-Experiment-Diagramms von vorhin. Wie können ablesen, dass die meisten Kühe zwischen 4500 und 5000 kg Milch produzieren, wohingegen deutlich weniger Kühe (nur etwa 1/10tel so viele) 6500 kg Milchleistung besitzen. Und extreme Ausnahmen schaffen sogar 8000 kg.
Das Diagramm eröffnet uns aber sogar noch eine andere, weit nützlichere Information: Wir können vorhersagen, was eine neu gezüchtete Kuh aus dieser Population wohl für eine Milchleistung bringen wird! Nämlich mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit 4500-5000 kg. Eher unwahrscheinlich, wenn auch nicht ausgeschlossen ist es, ein "Melkwunder" von 8000 kg zu erhalten.
Ich habe gerade die Worte WAHRSCHEINLICHKEIT und unwahrscheinlich gebraucht. Genau darum geht es bei der Betrachtung der Vererbung von quantitativen Eigenschaften, die sich additiv vererben! Wir können nie eine absolute Aussage treffen, aber wir können sehr wohl eine Abschätzung über das wahrscheinlichste Ergebnis treffen.
Wie verhält sich dies bei Brieftauben?
Auch bei Brieftauben werden einige Eigenschaften (und dies sind für den Brieftaubensport die wichtigsten) quantitativ vererbt. Viele Gene tragen zu den jeweiligen Merkmalen bei, und ihre Wirkungen addieren sich. Je mehr "positiv" wirkende Gene im Erbgut der Taube angehäuft werden, desto besser. Denn umso wahrscheinlicher ist es, dass diese Gene dann auch (zumindest zum Teil) wieder bei der Nachzucht ankommen und dort ebenfalls ihre positive Wirkung erzielen.
Zwar gibt es, soweit mir bekannt ist, keine wissenschaftlich gesicherte Aufstellung der quantitativen Eigenschaften bei Tauben, doch führt z.B. der ungarische Populationsgenetiker Alfons Anker in seinem Buch "Die Kunst des Züchtens" einige quantativ vererbte Eigenschaften auf, die auf seine Zuchterfahrungen als Brieftaubenzüchter zurückgehen:
- Charaktereigenschaften wie Nestliebe, Kampfeslust und Revierverhalten,
- Intelligenz
- Frühreife, Spätreife
- Haemoglobingehalt des Blutes
- Streckeneignung/Ausdauer
- Schnelligkeit
Aus der Zucht-Erfahrung mit anderen Tieren wären wohl noch zu ergänzen:
- Flügelproportionen
- Masse/Volumen der Muskeln
- Körperbau
Spunghaft, und daher wohl nicht additiv werden laut Anker vererbt:
- Vitalität und Widerstandskraft
- Fähigkeit Kondition und Form zu halten bzw. aufzubauen
An dieser Stelle können wir also wieder einmal ein paar wichtige Lehren für die Taubenzucht ziehen:
Die für eine Top-Reisetaube essentiellen Eigenschaften "Schnelligkeit" und "Intelligenz" sowie "Revierinstinkt" werden quantitativ vererbt, hängen also von vielen Genen ab. Mendel hilft hier nicht weiter, daher sollte man ihn auch in diesem Zusammenhang nicht als Argumentationshilfe "misbrauchen".
Es geht in der Brieftaubenzucht vordringlich darum, diese Eigenschaften durch Ansammlung von so vielen positiven Genen wie möglich, langsam Schritt für Schritt zu verbessern. Wir verschieben also durch die geeignete Zuchtstrategie den Erwartungswert der Taubenleistung hin zu besseren Leistungen.
Letztendlich geht es also bei der Zuchtstrategie nicht darum eine As-Taube zu züchten, denn die könnte, wenn auch extrem selten, überall mal fallen, sondern es geht darum, die Wahrscheinlichkeit, eine As-Taube zu züchten zu erhöhen!
(Bild "Chaos" von Roya Modesta-Keyhani)
Der Zufall und die Erwartung
Da Tauben nunmal immer ziemlich ähnlich aussehen, und nicht einmal Federn und Flügel besitzen und beim nächsten Mal ein Fell und vier Beine haben, kann von Chaos sicher nicht die Rede sein. Doch wie kommt das?
Zur Klärung nehmen wir uns mal einen Würfel und würfeln, sagen wir, 30 mal. Die gewürfelten Augenzahlen der Würfe addieren wir und teilen sie durch 30. Wir bilden also den Mittelwert aller gewürfelten Augenzahlen. Und ich sage voraus, dass der Mittelwert recht dicht bei 3,5 liegen wird.
Kann ich nun hellsehen? Nein! Es war zu erwarten, wie man so schön sagt. Die Mathematik sprich hier vom sogenannten ERWARTUNGSWERT.
Würden wir 1000 mal diese 30 Würfel-Würfe durchführen, und würden die Mittelwerte ermitteln, so würden die meisten Werte sehr dicht bei 3,5 liegen, ein paar weniger bei etwa 4 bzw 3 und nur noch sehr wenige in der Nähe von 5 und 2. Wie man so schön sagt: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Sprich dieses Verhalten von zufälligen Ereignissen ist nicht zufällig, sondern vorhersehbar, ja es ist sogar eine Art Naturgesetz! Der deutsche Mathematiker Johann Carl Friedrich Gauss (der vom 10 DM Schein) hat diese Verteilung der Mittelwerte unseres Würfelexperimentes als erster beschrieben. Doch was hat dies mit Genetik zu tun?
Qualitative und Quantitative Eigenschaften
Wenn wir die Vererbung der Gefiederfarbe, der Augenfarbe, einer Halskrause oder belatschten Füßen betrachten, stellen wir fest, dass hier sehr wenige Gene, oft sogar nur ein einziges Gen verantwortlich ist. In solchen Fällen reden wir von QUALITATIVEN EIGENSCHAFTEN. Ihre Vererbung läßt sich mit dem Rüstzeug, dass uns bereits Mendel mit auf den Weg gab sehr gut erfassen und vorhersagen.
Wenn jedoch die Vererbung von komplexeren Merkmalen wie z.B. die Milchleistung einer Kuh betrachtet wird, spielen hier viele dutzend, wenn nicht sogar hunderte Gene eine Rolle: Gene, die die Nahrungsverwertung steuern, Gene, die die Eutergröße steuern, Gene die die Hormontätigkeit steuern,...
Solche komplexen, von vielen Genen abhängigen Merkmale nennt man QUANTITATIVE EIGENSCHAFTEN. Die einzelnenen Gene tragen jedes für sich ihr Schärflein zum Gesamtresultat bei, ihre Wirkungen addieren sich quasi. Daher wird hier auch von ADDITIVER VERERBUNG gesprochen.
Bei diesen Eigenschaften kommt man mit der Betrachtungsweise Mendels nicht weiter, da sie zu sehr auf das Detail des einzelnen Genes ausgerichtet ist. Das Zusammenspiel sehr vieler Gene hingegen gehorcht den Gesetzmäßigkeiten des Zufalls, und hier hilft uns die Statistik und Mathematik weiter.
Im obigen Diagramm ist die Milchleistung von Einzelkühen in einer Kuhpopulation nach auftretender Häufigkeit dargestellt. Die Form des Diagramms kommt uns gleich bekannt vor, denn sie entspricht tatsächlich der des Würfel-Experiment-Diagramms von vorhin. Wie können ablesen, dass die meisten Kühe zwischen 4500 und 5000 kg Milch produzieren, wohingegen deutlich weniger Kühe (nur etwa 1/10tel so viele) 6500 kg Milchleistung besitzen. Und extreme Ausnahmen schaffen sogar 8000 kg.
Das Diagramm eröffnet uns aber sogar noch eine andere, weit nützlichere Information: Wir können vorhersagen, was eine neu gezüchtete Kuh aus dieser Population wohl für eine Milchleistung bringen wird! Nämlich mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit 4500-5000 kg. Eher unwahrscheinlich, wenn auch nicht ausgeschlossen ist es, ein "Melkwunder" von 8000 kg zu erhalten.
Ich habe gerade die Worte WAHRSCHEINLICHKEIT und unwahrscheinlich gebraucht. Genau darum geht es bei der Betrachtung der Vererbung von quantitativen Eigenschaften, die sich additiv vererben! Wir können nie eine absolute Aussage treffen, aber wir können sehr wohl eine Abschätzung über das wahrscheinlichste Ergebnis treffen.
Wie verhält sich dies bei Brieftauben?
Auch bei Brieftauben werden einige Eigenschaften (und dies sind für den Brieftaubensport die wichtigsten) quantitativ vererbt. Viele Gene tragen zu den jeweiligen Merkmalen bei, und ihre Wirkungen addieren sich. Je mehr "positiv" wirkende Gene im Erbgut der Taube angehäuft werden, desto besser. Denn umso wahrscheinlicher ist es, dass diese Gene dann auch (zumindest zum Teil) wieder bei der Nachzucht ankommen und dort ebenfalls ihre positive Wirkung erzielen.
Zwar gibt es, soweit mir bekannt ist, keine wissenschaftlich gesicherte Aufstellung der quantitativen Eigenschaften bei Tauben, doch führt z.B. der ungarische Populationsgenetiker Alfons Anker in seinem Buch "Die Kunst des Züchtens" einige quantativ vererbte Eigenschaften auf, die auf seine Zuchterfahrungen als Brieftaubenzüchter zurückgehen:
- Charaktereigenschaften wie Nestliebe, Kampfeslust und Revierverhalten,
- Intelligenz
- Frühreife, Spätreife
- Haemoglobingehalt des Blutes
- Streckeneignung/Ausdauer
- Schnelligkeit
Aus der Zucht-Erfahrung mit anderen Tieren wären wohl noch zu ergänzen:
- Flügelproportionen
- Masse/Volumen der Muskeln
- Körperbau
Spunghaft, und daher wohl nicht additiv werden laut Anker vererbt:
- Vitalität und Widerstandskraft
- Fähigkeit Kondition und Form zu halten bzw. aufzubauen
An dieser Stelle können wir also wieder einmal ein paar wichtige Lehren für die Taubenzucht ziehen:
Die für eine Top-Reisetaube essentiellen Eigenschaften "Schnelligkeit" und "Intelligenz" sowie "Revierinstinkt" werden quantitativ vererbt, hängen also von vielen Genen ab. Mendel hilft hier nicht weiter, daher sollte man ihn auch in diesem Zusammenhang nicht als Argumentationshilfe "misbrauchen".
Es geht in der Brieftaubenzucht vordringlich darum, diese Eigenschaften durch Ansammlung von so vielen positiven Genen wie möglich, langsam Schritt für Schritt zu verbessern. Wir verschieben also durch die geeignete Zuchtstrategie den Erwartungswert der Taubenleistung hin zu besseren Leistungen.
Letztendlich geht es also bei der Zuchtstrategie nicht darum eine As-Taube zu züchten, denn die könnte, wenn auch extrem selten, überall mal fallen, sondern es geht darum, die Wahrscheinlichkeit, eine As-Taube zu züchten zu erhöhen!
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Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 3)
Ich gebe es ja zu, ich habe Vorurteile über uns Taubenzüchter! Ich unterstelle den Taubenzüchtern, sich für Vererbung nicht sonderlich zu interessieren, obwohl diese Kenntnisse für eine zielgerichtete Tierzucht sehr wertvoll sind. Mehr sogar: Ich unterstelle den allermeisten Taubenzüchtern, die im Zusammenhang von Eigenschaften wie "Spitzenpreise fliegen" oder "Durchhaltevermögen" gerne Floskeln benutzen, wie "nach Mendel sollte es sich so oder so verhalten" oder "Ausmendeln" (ja dieses Wort habe ich tatsächlich erst kürzlich in einem "Fachartikel" über Brieftauben gelesen), dass sie von Vererbung noch weniger verstehen, als diejenigen, die sich mit so etwas angenehm zurückhalten. Warum ich so böse denke? Nun...
Was die Gene so untereinander treiben
Der Bauplan einer Taube erstreckt sich über 40 "Kapitel", die Chromosomen , wobei jedes Kapitel doppelt vorliegt, also je ein vom Vater kommendes und ein von der Mutter kommendes Chromosom. Auf diesen Chromosomen befinden sich für den Bauplan der Taube informationstragende Abschnitte. Diese Abschnitte nennen wir Gene. Nun ist es so, dass an dem Ort eines Chromosomes, an dem z.B. das Gen für rote Gefiederfarbe einer Taube sitzt, dieses Gen praktisch immer sitzt. Egal ob es ein Chromosom ist, welches vom Vater oder von der Mutter stammt. Egal ob es ein Chromosom im "Ringlosen" oder ein Chromosom im "Oude Merckx" ist, das Gen für die rote Gefiederfarbe sitzt immer an der gleichen Stelle.
Und so kommt es, dass diese zwei Gene sich gegenseitig in ihrer Wirkung beinflussen. Das eine auf dem Chromosom, welches von der Mutter stammt. Und das andere Gen auf dem Chromosom, welches vom Vater stammt. Es ist oft sogar so, dass sich unterschiedliche Gene auf unterschiedlichen Plätzen auf den Chromosomen gegenseitig in ihrer Wirkung auf den Bauplan der Taube beeinflussen.
Der Augustinermönch Gregor Mendel hatte vor grob 150 Jahren als Erster bestimmte Gesetzmäßigkeiten dieser gegenseitigen Beeinflussung von Genen bei der Farbe von Erbsenblüten beobachtet und diese unter seinen berühmten drei Mendel'schen Reglen zusammengefasst:
1. Die Uniformitätsregel
2. Die Spaltungsregel
3. Die Unabhängigkeitsregel
Abgesehen davon, dass die 3. Regel, so wie sie formuliert ist, heute teilweise wiederlegt ist (denn alle Gene, die auf ein und demselben Chromosomenstrang sitzen, vererben sich nur sehr selten unabhängig voneinander), möchte ich hier aber gar nicht im Detail auf diese drei Regeln eingehen. Sie haben ohne Zweifel extrem zum Verständnis der Vererbung von Genen und ihren Wirkungen beigetragen, ja die Genetik quasi begründet. Doch wichtiger für uns sind die mittlerweile aus Mendels Beobachtungsregeln gewonnenen Erkenntnisse:
Es gibt Gene, die sich in ihrer Wirkung über andere Gene durchsetzen! So ist eine Taube immer rot gefärbt, wenn sie das Gen für die rote Farbe trägt, sogar dann, wenn das Gen nur einmal im Erbgut vorliegt. Wenn es z.B. nur auf dem Chromosomenstrang, der vom Vater stammt, jedoch nicht auf dem von der Mutter existiert. Solche Gene wirken DOMINANT, wie man es in der Fachsprache nennt.
Es gibt Gene, die es in verschiedenen Varianten gibt. Zum Beispiel ist das Gen für die rote Gefiederfarbe irgendwann einmal durch eine Veränderung seines Inhaltes (dies nennt man auch MUTATION) in seiner Wirkung so verändert worden, dass es sich nicht mehr alleine gegen andere Gene "durchsetzen" kann. Die verschiedenen Varianten ein und desselben Genes nennt man ALLEL.
Da das Allel des Gens der roten Gefiederfarbe aus unserem Beispiel sich alleine nicht mehr gegen andere Gene im Erbgut der Taube durchsetzen kann, zeigt die Taube nach aussen keine rote Gefiederfarbe, sondern die normale grauschwarze Färbung, wenn sie nur ein Gen dieser Art trägt. Wenn sich aber zwei Gene dieses Allels, also eines auf dem väterlichen und eines auf dem mütterlichen Strang befinden, zeigt die Taube wiederum eine rote Gefiederfarbe.
In diesem Falle, in dem sich ein Gen nur nach außen zeigt, wenn es sowohl väterlicherseits, als auch mütterlicherseits vorhanden ist, wirkt das Gen REZESSIV.
Homo oder Hetero?
Zwei Fachbegriffe, die es in diesem Zusammenhang zu verstehen gilt sind HOMOZYGOTIE und HETEROZYGOTIE. Homo kommt vom griechischen homós - gleich, und an die Zygote (die frisch zu einem neuen Lebewesen verschmolzenen Keimzellen) erinnern wir uns auch, meint aber aus dem grischischen kommend "Gespann". Von "homozygot" spricht man, wenn ein und dasselbe Gen (also nur ein Allel des Gens) sowohl auf dem väterlichen Chromosomen-Strang, wie auch auf dem mütterlichen Chromosomen-Strang vorhanden ist. Es ist also gleichbedeutend mit dem Wort "reinerbig".
Nun ist es bis zur Heterozygotie nicht mehr weit. Hetero meint verschieden bzw. anders (ja wiederum die alten Griechen) und so bedeutet "heterozygot" also, dass ein Gen (bzw. ein Allel eines Gens) auf nur einem Chromosomen-Strang vorkommt, während auf dem anderen Strang eine hiervon verschiedene Erbsequenz sitzt. Im deutschen sagt man auch "mischerbig" dazu.
Somit ist ein dominates Gen in seiner Wirkung immer sichtbar, egal ob es heterozygot oder homozygot vorliegt. Wohingegen ein rezessives Gen nur zu Tage tritt, wenn es homozygot vorliegt.
Und noch zwei weitere oft benutzte Fachwörter möchte ich an dieser Stelle erläutern: Es sind die Worte GENOTYP und PHÄNOTYP. Mit Genotyp meint man den "Typen" eines Lebewesens, der im Bauplan beschrieben ist. Mit Phänotyp meint man den Typen eines Lebewesens, der nach außen hin sichtbar ist. Diese Typen sind oft nicht identisch, wie das Beispiel mit dem rezessiven Gen deutlich macht. Hätten wir zwei Lebewesen mit exakt identischem Genotyp, bis auf ein einzeln vorhandenes rezessives Gen (wie hier die Gefiederfarbe), wären diese Lebewesen ja mit unterschiedlichem Genotyp ausgestattet, nach außen aber dennoch in ihrem Phänotyp, ihrem Erscheinungsbild also, nicht zu unterscheiden.
Und ja, an alle überraschten Taubenzüchter, es gibt tatsächlich ein rezessives Rot, welches als Allel der dominant roten Gefiederfarbe auftritt. Es wird jedoch "braun" genannt. Es ist nicht mit dem sogenannten "Meulemans Rot" Gen zu verwechseln, welches ebenfalls rezessiv wirkt. Da die meisten Züchter von diesem "rezessiv Rot" oder bessergesagt "braun" nichts wissen, und es auch wirklich nur sehr selten auftritt, wurden sicher schon einzelne Züchter der Lüge bezichtigt, wenn sie vermeindlich rote Jungtauben (die sollte man nämlich besser "braun" nennen, nicht "rot") aus nicht roten Tauben gezogen hatten. Bei diesen Jungtauben wird sich die braune Farbe aber auch in den weiteren Generationen rezessiv verhalten; wenn nicht, war es dann doch ganz sicher eine Fremdbefruchtung, und sonst nichts!
Doch über dominante und rezessive Gene hinaus gibt es auch noch andere Fälle, wovon Mendel manche (weitgehend) unberücksichtigt ließ:
- INTERMEDIÄR wirkende Gene. Hierbei dominiert ein Gen nicht über ein anderes, sondern ihre Effekte auf den Phänotyp mischen sich, so dass im Endeffekt ein Mischeffekt am Lebewesen sichtbar wird.
- EPISTASIE eines Gens auf ein anderes Gen. In diesem Falle dominiert dieses Gen in seiner Wirkung zwar nicht über ein anderes Gen, aber es schaltet die Wirkung eines anderen Genes quasi aus oder beeinflußt diese stark.
-PLEIOPTROPIE eines Gens. Hierbei bewirkt ein Gen nicht nur eine einzelne Änderung des Phänotypen, sondern ist auch an anderen Merkmalen beteiligt. Würde das Gen für die Gefiederfarbe gleichzeitig unter bestimmten Umständen auch die Länge der Beine verändern (was aber wohl nicht der Fall ist!), würde man von Pleiotropie reden.
-POLYGENIE mehrerer Gene. Wenn mehrere Gene erst im Zusammenwirken ein Merkmal bewirken (hierzu wäre die Haarfarbe des Menschen als Beispiel zu nennen, für die zwei Gene verantwortlich sind) spricht man von Polygenie.
Ich denke es ist deutlich geworden, dass Vererbung dann doch etwas komplexer ist, als das, was der gute alte Mendel herausgefunden hat. Und daher werde ich mich wohl auch nicht so schnell von meinem oben genannten Vorurteil trennen. Doch wir müssen angesichts dieser Vielzahl von Begriffen, Effekten und Wechselwirkungen nicht verzweifeln. Denn oft, wenn die Dinge im Detail betrachtet zu unübersichtlich werden, hilft eine Betrachtung des Ganzen mit etwas mehr Abstand. Denn auch in der Summe vieler Einzel-Effekte lassen sich häufig Gesetzmäßigkeiten erkennen, die uns weiterhelfen. Ich weiß bei einem Regenschauer nicht exakt welcher Tropfen mich gleich treffen wird, wenn ich in den Himmel schaue, doch ich weiß dennoch, dass ich definitiv nass werde.
Doch dazu mehr im nächsten Teil.
Was die Gene so untereinander treiben
Der Bauplan einer Taube erstreckt sich über 40 "Kapitel", die Chromosomen , wobei jedes Kapitel doppelt vorliegt, also je ein vom Vater kommendes und ein von der Mutter kommendes Chromosom. Auf diesen Chromosomen befinden sich für den Bauplan der Taube informationstragende Abschnitte. Diese Abschnitte nennen wir Gene. Nun ist es so, dass an dem Ort eines Chromosomes, an dem z.B. das Gen für rote Gefiederfarbe einer Taube sitzt, dieses Gen praktisch immer sitzt. Egal ob es ein Chromosom ist, welches vom Vater oder von der Mutter stammt. Egal ob es ein Chromosom im "Ringlosen" oder ein Chromosom im "Oude Merckx" ist, das Gen für die rote Gefiederfarbe sitzt immer an der gleichen Stelle.
Und so kommt es, dass diese zwei Gene sich gegenseitig in ihrer Wirkung beinflussen. Das eine auf dem Chromosom, welches von der Mutter stammt. Und das andere Gen auf dem Chromosom, welches vom Vater stammt. Es ist oft sogar so, dass sich unterschiedliche Gene auf unterschiedlichen Plätzen auf den Chromosomen gegenseitig in ihrer Wirkung auf den Bauplan der Taube beeinflussen.
Der Augustinermönch Gregor Mendel hatte vor grob 150 Jahren als Erster bestimmte Gesetzmäßigkeiten dieser gegenseitigen Beeinflussung von Genen bei der Farbe von Erbsenblüten beobachtet und diese unter seinen berühmten drei Mendel'schen Reglen zusammengefasst:
1. Die Uniformitätsregel
2. Die Spaltungsregel
3. Die Unabhängigkeitsregel
Abgesehen davon, dass die 3. Regel, so wie sie formuliert ist, heute teilweise wiederlegt ist (denn alle Gene, die auf ein und demselben Chromosomenstrang sitzen, vererben sich nur sehr selten unabhängig voneinander), möchte ich hier aber gar nicht im Detail auf diese drei Regeln eingehen. Sie haben ohne Zweifel extrem zum Verständnis der Vererbung von Genen und ihren Wirkungen beigetragen, ja die Genetik quasi begründet. Doch wichtiger für uns sind die mittlerweile aus Mendels Beobachtungsregeln gewonnenen Erkenntnisse:
Es gibt Gene, die sich in ihrer Wirkung über andere Gene durchsetzen! So ist eine Taube immer rot gefärbt, wenn sie das Gen für die rote Farbe trägt, sogar dann, wenn das Gen nur einmal im Erbgut vorliegt. Wenn es z.B. nur auf dem Chromosomenstrang, der vom Vater stammt, jedoch nicht auf dem von der Mutter existiert. Solche Gene wirken DOMINANT, wie man es in der Fachsprache nennt.
Es gibt Gene, die es in verschiedenen Varianten gibt. Zum Beispiel ist das Gen für die rote Gefiederfarbe irgendwann einmal durch eine Veränderung seines Inhaltes (dies nennt man auch MUTATION) in seiner Wirkung so verändert worden, dass es sich nicht mehr alleine gegen andere Gene "durchsetzen" kann. Die verschiedenen Varianten ein und desselben Genes nennt man ALLEL.
Da das Allel des Gens der roten Gefiederfarbe aus unserem Beispiel sich alleine nicht mehr gegen andere Gene im Erbgut der Taube durchsetzen kann, zeigt die Taube nach aussen keine rote Gefiederfarbe, sondern die normale grauschwarze Färbung, wenn sie nur ein Gen dieser Art trägt. Wenn sich aber zwei Gene dieses Allels, also eines auf dem väterlichen und eines auf dem mütterlichen Strang befinden, zeigt die Taube wiederum eine rote Gefiederfarbe.
In diesem Falle, in dem sich ein Gen nur nach außen zeigt, wenn es sowohl väterlicherseits, als auch mütterlicherseits vorhanden ist, wirkt das Gen REZESSIV.
Homo oder Hetero?
Zwei Fachbegriffe, die es in diesem Zusammenhang zu verstehen gilt sind HOMOZYGOTIE und HETEROZYGOTIE. Homo kommt vom griechischen homós - gleich, und an die Zygote (die frisch zu einem neuen Lebewesen verschmolzenen Keimzellen) erinnern wir uns auch, meint aber aus dem grischischen kommend "Gespann". Von "homozygot" spricht man, wenn ein und dasselbe Gen (also nur ein Allel des Gens) sowohl auf dem väterlichen Chromosomen-Strang, wie auch auf dem mütterlichen Chromosomen-Strang vorhanden ist. Es ist also gleichbedeutend mit dem Wort "reinerbig".
Nun ist es bis zur Heterozygotie nicht mehr weit. Hetero meint verschieden bzw. anders (ja wiederum die alten Griechen) und so bedeutet "heterozygot" also, dass ein Gen (bzw. ein Allel eines Gens) auf nur einem Chromosomen-Strang vorkommt, während auf dem anderen Strang eine hiervon verschiedene Erbsequenz sitzt. Im deutschen sagt man auch "mischerbig" dazu.
Somit ist ein dominates Gen in seiner Wirkung immer sichtbar, egal ob es heterozygot oder homozygot vorliegt. Wohingegen ein rezessives Gen nur zu Tage tritt, wenn es homozygot vorliegt.
Und noch zwei weitere oft benutzte Fachwörter möchte ich an dieser Stelle erläutern: Es sind die Worte GENOTYP und PHÄNOTYP. Mit Genotyp meint man den "Typen" eines Lebewesens, der im Bauplan beschrieben ist. Mit Phänotyp meint man den Typen eines Lebewesens, der nach außen hin sichtbar ist. Diese Typen sind oft nicht identisch, wie das Beispiel mit dem rezessiven Gen deutlich macht. Hätten wir zwei Lebewesen mit exakt identischem Genotyp, bis auf ein einzeln vorhandenes rezessives Gen (wie hier die Gefiederfarbe), wären diese Lebewesen ja mit unterschiedlichem Genotyp ausgestattet, nach außen aber dennoch in ihrem Phänotyp, ihrem Erscheinungsbild also, nicht zu unterscheiden.
Und ja, an alle überraschten Taubenzüchter, es gibt tatsächlich ein rezessives Rot, welches als Allel der dominant roten Gefiederfarbe auftritt. Es wird jedoch "braun" genannt. Es ist nicht mit dem sogenannten "Meulemans Rot" Gen zu verwechseln, welches ebenfalls rezessiv wirkt. Da die meisten Züchter von diesem "rezessiv Rot" oder bessergesagt "braun" nichts wissen, und es auch wirklich nur sehr selten auftritt, wurden sicher schon einzelne Züchter der Lüge bezichtigt, wenn sie vermeindlich rote Jungtauben (die sollte man nämlich besser "braun" nennen, nicht "rot") aus nicht roten Tauben gezogen hatten. Bei diesen Jungtauben wird sich die braune Farbe aber auch in den weiteren Generationen rezessiv verhalten; wenn nicht, war es dann doch ganz sicher eine Fremdbefruchtung, und sonst nichts!
Doch über dominante und rezessive Gene hinaus gibt es auch noch andere Fälle, wovon Mendel manche (weitgehend) unberücksichtigt ließ:
- INTERMEDIÄR wirkende Gene. Hierbei dominiert ein Gen nicht über ein anderes, sondern ihre Effekte auf den Phänotyp mischen sich, so dass im Endeffekt ein Mischeffekt am Lebewesen sichtbar wird.
- EPISTASIE eines Gens auf ein anderes Gen. In diesem Falle dominiert dieses Gen in seiner Wirkung zwar nicht über ein anderes Gen, aber es schaltet die Wirkung eines anderen Genes quasi aus oder beeinflußt diese stark.
-PLEIOPTROPIE eines Gens. Hierbei bewirkt ein Gen nicht nur eine einzelne Änderung des Phänotypen, sondern ist auch an anderen Merkmalen beteiligt. Würde das Gen für die Gefiederfarbe gleichzeitig unter bestimmten Umständen auch die Länge der Beine verändern (was aber wohl nicht der Fall ist!), würde man von Pleiotropie reden.
-POLYGENIE mehrerer Gene. Wenn mehrere Gene erst im Zusammenwirken ein Merkmal bewirken (hierzu wäre die Haarfarbe des Menschen als Beispiel zu nennen, für die zwei Gene verantwortlich sind) spricht man von Polygenie.
Ich denke es ist deutlich geworden, dass Vererbung dann doch etwas komplexer ist, als das, was der gute alte Mendel herausgefunden hat. Und daher werde ich mich wohl auch nicht so schnell von meinem oben genannten Vorurteil trennen. Doch wir müssen angesichts dieser Vielzahl von Begriffen, Effekten und Wechselwirkungen nicht verzweifeln. Denn oft, wenn die Dinge im Detail betrachtet zu unübersichtlich werden, hilft eine Betrachtung des Ganzen mit etwas mehr Abstand. Denn auch in der Summe vieler Einzel-Effekte lassen sich häufig Gesetzmäßigkeiten erkennen, die uns weiterhelfen. Ich weiß bei einem Regenschauer nicht exakt welcher Tropfen mich gleich treffen wird, wenn ich in den Himmel schaue, doch ich weiß dennoch, dass ich definitiv nass werde.
Doch dazu mehr im nächsten Teil.
Mittwoch, 10. September 2008
Populationsgenetik für Taubenväter (Teil 2)
Eier sind etwas ganz Besonderes. Nicht nur, dass es ohne Eier kein ordentliches Frühstück gäbe, keine Spätzle und keinen Kuchen, nein auch außerhalb der Küche sind sie, besonders aus Sicht unseres Themas Genetik etwas ganz Besonderes. Warum?
Nun wie bereits im 1. Teil erwähnt, besitzt jede einzelne Zelle einer Taube einen kompletten Bauplan des Taubenorganismusses, unterteilt in einzelne "Kapitel", den Chromosomen und den darin enthaltenen zig tausend Genen. Dabei setzt sich dieser Bauplan zusammen aus 40 Chromosomen, die vom Vater stammen und 40 Chromosomen, die von der Mutter stammen. Sie bilden 40 Chromosomen-Paare. Und die Mischung der Informationen vom Bauplan des Vaters und vom Bauplan der Mutter ergeben den Bauplan des neuen Tieres, des Jungtieres.
Was vor und während der Paarung passiert
Doch wie kommt es konkret dazu, dass gerade 40 Chromsomen vom Vater sich mit 40 Chromosomen der Mutter zusammen tun, und das diese sich dann auch wieder 40 passende Chromosomen-Paare bilden?
Nun als erstes ist es so, dass sowohl ein Ei (besser gesagt eine Eizelle), als auch ein Spermium nur einen halben Chromosomen-Satz hat. Das meint, sie haben jeweils 40 einzelne Chromosomenstränge, also keine Chromosomenpaare! Somit sind sie im Unterschied zu den anderen Körperzellen ganz besondere Zellen, die daher auch einen besonderen Namen tragen. Es sind die sogenannten Keimzellen oder auch Gameten genannt (nein hat nix mit Astronomie zu tuen :-)).
Diese Keimzellen enstehen in einem besonderen Reifeprozeß, der beim Weibchen in den Eierstöcken und beim Männchen in den Hoden stattfindet. Der Prozeß verläuft über mehrere Stufen, und wird unter dem Fachwort (für alle die Fremdworte lieben, sei es gesagt) Meiose zusammengefaßt. Die Details sind hier nicht so wichtig, doch das Ergebnis ist wichtig, um Vererbung zu verstehen.
Stellen wir uns daher vereinfacht ein Tier mit nur zwei Chromosomen vor. Das Chromosom 1 ist im Bild gerade dargestellt. Das Chromosom 2 ist im Bild krumm dargestellt. Und jedes Chromosom liegt paarweise vor. Wir haben jedes Chromosom mit einem Strang vom Vater (blau) und einem Strang von der Mutter (rot) vorliegen. Dieses Tier würde nun wie beschrieben Keimzellen bilden (also die Männchen Spermien, die Weibchen Eier) die nur halbe Sätze enthalten. Und dabei wären im Ergebnis die oben in der Bildmitte dargestellten jeweils vier halbe Chromosomen-Sätze in den Spermien/Eier denkbar. Aus diesen jeweils vier verschiedenen Spermien und vier verschiedenen Eiern wären dann 16 verschiedene Kombinationen möglich (zähle einfach die grauen Striche in der Bildmitte, welche die möglichen Kombinationen darstellen). Diese Kombinationen entstehen dann bei der Befruchtung des Eies durch das Spermium in der Verschmelzung der jeweiligen einzelnen Chromosomen zu neuen Chromosomen-Paaren. Die so neu entstandene erste Zelle des neuen Lebewesens/des Kindes nennt man auch Zygote.
Im Bild sind drei Beispiele dieser Kombinationen dargestellt. Sie zeigen also mögliche Kombinationen des Erbgutes von Vater und Mutter im Kind. Allen Kombinationen ist gemein, dass sie IMMER die exakte Hälfte eines jeden Chomosomen-Paares des Vaters und der Mutter beinhalten. Es können sich auf diesem Wege also nie z.B. vier krumme Chromosomen (oder vier gerade) in einem Kind zusammenfinden. Allerdings kann es sein, dass Erbanlagen die von der Großmutter väterlicherseits stammen (knallrote Chromosomen im Bild) in den Kindern der Eltern nicht mehr auftauchen (siehe erstes und zweites Beispiel). Das ist dann "Pech" für die Großmutter.
Wir lernen also schon an diesem noch recht simplen Beispiel zwei wichtige Dinge für die Taubenzucht:
a) Dass sich durch die Paarung der Eltern manigfaltige Möglichkeiten der Kombination des Erbgutes bei den Kindern ergeben. Hier, bei nur zwei Chromosomen waren es bereits 16 Möglichkeiten. Bei 40 Chromosomen sind es 1.208.925.819.614.629.174.706.176 Möglichkeiten (1,2 Quadrillionen!).Es ist also kein Wunder, dass wir aus einem Zuchtpaar NIE zwei gleiche Jungtiere züchten!
b) Im Durchschnitt befindet sich in den Kindern zwar zu 1/4tel Erbinformation von den jeweils vier Großelternteilen, doch dies ist nur der Durchschnittswert. Es kann auch mal ein "Großelter" etwas stärker vertreten sein, als die anderen drei. Das ein Großelter praktisch ganz aus dem Erbgut eines Kindes "herausfällt" ist aber wegen der großen Anzahl an Chromosomen (40) extremst unwahrscheinlich und daher praktisch unmöglich. Dennoch können wir nie sicher sein, welche Chromosomen der Großeltern denn nun im Kind angekommen sind, und welche schließlich nicht.
Somit wird auch leicht verständlich warum ein Enkel oder gar ein Ur-Enkel einer besonderen Taube in der Zucht nicht nicht besonders geeignet ist, um die besonderen Eigenschaften dieser Taube in die Zucht einzuführen.Denn es ist zu 75% wahrscheinlich (zu 87,5% beim Urenkel), dass in dem verbliebenen 1/4tel (oder 1/8tel beim Urenkel) einzelne, wichtige Erbinformationen des Vorfahren gar nicht mehr enthalten sind!
Nun wie bereits im 1. Teil erwähnt, besitzt jede einzelne Zelle einer Taube einen kompletten Bauplan des Taubenorganismusses, unterteilt in einzelne "Kapitel", den Chromosomen und den darin enthaltenen zig tausend Genen. Dabei setzt sich dieser Bauplan zusammen aus 40 Chromosomen, die vom Vater stammen und 40 Chromosomen, die von der Mutter stammen. Sie bilden 40 Chromosomen-Paare. Und die Mischung der Informationen vom Bauplan des Vaters und vom Bauplan der Mutter ergeben den Bauplan des neuen Tieres, des Jungtieres.
Was vor und während der Paarung passiert
Doch wie kommt es konkret dazu, dass gerade 40 Chromsomen vom Vater sich mit 40 Chromosomen der Mutter zusammen tun, und das diese sich dann auch wieder 40 passende Chromosomen-Paare bilden?
Nun als erstes ist es so, dass sowohl ein Ei (besser gesagt eine Eizelle), als auch ein Spermium nur einen halben Chromosomen-Satz hat. Das meint, sie haben jeweils 40 einzelne Chromosomenstränge, also keine Chromosomenpaare! Somit sind sie im Unterschied zu den anderen Körperzellen ganz besondere Zellen, die daher auch einen besonderen Namen tragen. Es sind die sogenannten Keimzellen oder auch Gameten genannt (nein hat nix mit Astronomie zu tuen :-)).
Diese Keimzellen enstehen in einem besonderen Reifeprozeß, der beim Weibchen in den Eierstöcken und beim Männchen in den Hoden stattfindet. Der Prozeß verläuft über mehrere Stufen, und wird unter dem Fachwort (für alle die Fremdworte lieben, sei es gesagt) Meiose zusammengefaßt. Die Details sind hier nicht so wichtig, doch das Ergebnis ist wichtig, um Vererbung zu verstehen.
Stellen wir uns daher vereinfacht ein Tier mit nur zwei Chromosomen vor. Das Chromosom 1 ist im Bild gerade dargestellt. Das Chromosom 2 ist im Bild krumm dargestellt. Und jedes Chromosom liegt paarweise vor. Wir haben jedes Chromosom mit einem Strang vom Vater (blau) und einem Strang von der Mutter (rot) vorliegen. Dieses Tier würde nun wie beschrieben Keimzellen bilden (also die Männchen Spermien, die Weibchen Eier) die nur halbe Sätze enthalten. Und dabei wären im Ergebnis die oben in der Bildmitte dargestellten jeweils vier halbe Chromosomen-Sätze in den Spermien/Eier denkbar. Aus diesen jeweils vier verschiedenen Spermien und vier verschiedenen Eiern wären dann 16 verschiedene Kombinationen möglich (zähle einfach die grauen Striche in der Bildmitte, welche die möglichen Kombinationen darstellen). Diese Kombinationen entstehen dann bei der Befruchtung des Eies durch das Spermium in der Verschmelzung der jeweiligen einzelnen Chromosomen zu neuen Chromosomen-Paaren. Die so neu entstandene erste Zelle des neuen Lebewesens/des Kindes nennt man auch Zygote.
Im Bild sind drei Beispiele dieser Kombinationen dargestellt. Sie zeigen also mögliche Kombinationen des Erbgutes von Vater und Mutter im Kind. Allen Kombinationen ist gemein, dass sie IMMER die exakte Hälfte eines jeden Chomosomen-Paares des Vaters und der Mutter beinhalten. Es können sich auf diesem Wege also nie z.B. vier krumme Chromosomen (oder vier gerade) in einem Kind zusammenfinden. Allerdings kann es sein, dass Erbanlagen die von der Großmutter väterlicherseits stammen (knallrote Chromosomen im Bild) in den Kindern der Eltern nicht mehr auftauchen (siehe erstes und zweites Beispiel). Das ist dann "Pech" für die Großmutter.
Wir lernen also schon an diesem noch recht simplen Beispiel zwei wichtige Dinge für die Taubenzucht:
a) Dass sich durch die Paarung der Eltern manigfaltige Möglichkeiten der Kombination des Erbgutes bei den Kindern ergeben. Hier, bei nur zwei Chromosomen waren es bereits 16 Möglichkeiten. Bei 40 Chromosomen sind es 1.208.925.819.614.629.174.706.176 Möglichkeiten (1,2 Quadrillionen!).Es ist also kein Wunder, dass wir aus einem Zuchtpaar NIE zwei gleiche Jungtiere züchten!
b) Im Durchschnitt befindet sich in den Kindern zwar zu 1/4tel Erbinformation von den jeweils vier Großelternteilen, doch dies ist nur der Durchschnittswert. Es kann auch mal ein "Großelter" etwas stärker vertreten sein, als die anderen drei. Das ein Großelter praktisch ganz aus dem Erbgut eines Kindes "herausfällt" ist aber wegen der großen Anzahl an Chromosomen (40) extremst unwahrscheinlich und daher praktisch unmöglich. Dennoch können wir nie sicher sein, welche Chromosomen der Großeltern denn nun im Kind angekommen sind, und welche schließlich nicht.
Somit wird auch leicht verständlich warum ein Enkel oder gar ein Ur-Enkel einer besonderen Taube in der Zucht nicht nicht besonders geeignet ist, um die besonderen Eigenschaften dieser Taube in die Zucht einzuführen.Denn es ist zu 75% wahrscheinlich (zu 87,5% beim Urenkel), dass in dem verbliebenen 1/4tel (oder 1/8tel beim Urenkel) einzelne, wichtige Erbinformationen des Vorfahren gar nicht mehr enthalten sind!
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