Wir haben in Teil 1 dieses Beitrages gesehen, dass es einen unleugbaren Zusammenhang zwischen der Größe der Reisemannschaften und deren Platzierung in Meisterschaften nach einem "x-beste"-Modus gibt. Größere Reisemannschaften besitzen hier einen systematischen Vorteil, so dass eben nicht mehr gewährleistet ist, dass letztendlich der sportlich Bessere gewinnt. System bedingt platziert sich hierbei ein guter Schlag, der zudem eine relativ große Reisemannschaft besitzt, vor dem besseren Schlag mit deutlich kleinerer Reisemannschaft.
Diese Tendenz ist allgemeingültig! Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Platzierungen einer Meisterschaft, insbesondere, wenn wir nur eine kleine Gruppe von Züchtern betrachten (zum Beispiel auf RV-Ebene), dies klar widerspiegeln. Einzelplatzierungen unterliegen der natürlichen Streuung und so gibt es viele sehr gute Schläge, die aufgrund ihrer hervorragenden Reiseleistung verdient auf dem ersten Platz zu finden sind, auch wenn sie eine große Reisemannschaft besitzen. Ihre Platzierungen würden sich auch bei einem anderen Modus nicht verschlechtern würde. Und das ist auch gut so! Denn eine Änderung des Meisterschaftsmodus weg von einem "x-besten"-Modus darf nie das Ziel haben, dass der Beste nun schlechtere Chancen als alle Schlechteren erhält.
Im Gegenteil: Ziel einer Änderung bestehender "x-Beste"-Modi kann und muss es sein, die Meisterschaften statt dessen so zu gestalten, dass tatsächlich der sportlich Beste die größten Chancen erhält, auch ganz oben zu stehen, wobei auch dann immer ein wenig Glück zum Erfolg des Tüchtigen gehört. Erst dann haben wir eine Meisterschaft die in einem möglichst fairen Wettbewerb ausgetragen wird, und bei der Sport gewinnt. Erst dann ist der ganz oben Platzierte auch wirklich ein Meister! Und deshalb sollten an einer Änderung eigentlich alle Freunde dieses Sportes interessiert sein. Die wirklich meisterlichen Schläge brauchen eine Veränderung hier nicht zu fürchten, sie können sich sogar darauf freuen, dass sich alle Wettbewerber zukünftig auf vergleichbarer Augenhöhe begegnen.
Dennoch ist eine Veränderung dieser seit Jahrzehnten in Deutschland gepflegten Meisterschafts-Modi nicht einfach. Die meisten Züchter, auch viele mit kleinen Reisemannschaften, haben sich derart daran gewöhnt, dass sie sich eine Veränderung gar nicht mehr vorstellen können und wollen. Auch ist es so, dass so eine Diskussion innerhalb einer RV, FG oder eines RegV immer mit Kontroversen einhergehen wird. Und auf diese Kontroversen haben viele Züchter einfach keine Lust. Dabei enstammen diese beiden Abwehrreaktionen aus dem Blickwinkel der BESTEHENDEN Züchterschaft und es wird dabei völlig vergessen, dass es heute mehr denn je darum geht, sich auch Gedanken über die Personen zu machen, die ZUKÜNFTIGE Züchter sein könnten.
Halten wir denn wirklich unser Hobby für einen attraktiven und fairen "Sport", obwohl wir, um vorne mitzuspielen, bei einem Winterbestand von 50 oder weniger Tauben nur sehr begrenzte Chancen haben?
Denken wir wirklich, die Aussicht auf Bestandsgrößen jenseits von 100 Tieren habe für viele an unserem Hobby Interessierte keine abschreckende Wirkung?
Denken wir tatsächlich jeder Interessierte habe die Möglichkeit eine Schlaganlage von über 8m Länge in seinem Vorgarten zu platzieren?
Wer sich aktiv gegen eine Veränderung von "x-beste"-Modi stellt, ist aus meiner Sicht im positiven Falle zu träge und zu uninteressiert, um über die Zukunft unseres Sportes nachzudenken. Im negativen Falle, insbesondere wenn er derzeit mit großer Reisemannschaft relativ weit oben in der "x-beste"-Meisterschaft steht, hat er einfach nur ANGST vor dem verschärften Wettbewerb und dem drohenden Verlust liebgewonnener Pfründe. Solche Schläge sind dann jedoch KEINE wahren Meister! Ein wahrer Meister braucht diese Veränderung nicht zu fürchten.
In meiner RV wird die eigentliche RV-Meisterschaft nach dem Modus der RV-Meisterschaft des Verbandes mit acht vor jedem Flug vorzubenennenden Tauben ausgeflogen, ein guter Ansatz. Es existieren jedoch jenseits dieser einen Meisterschaft jedoch immer noch "x-beste"-Modi bei der Jährigen-Meisterschaft, der Weibchen-Meisterschaft, der Jungtauben-Meisterschaften und der früheren RV-Meisterschaft, die heute RV-Pokalmeisterschaft genannt wird. Für manche ist die RV-Pokal-Meisterschaft immer noch die "eigentliche" RV-Meisterschaft. Im Folgenden möchte ich anhand der konkreten Daten aus meiner RV am Beispiel der "5 besten Tauben"-Pokal-Meisterschaft die reale Situation von "x-beste"-Modi auf RV-Ebene und deren Auswirkungen sehr konkret beleuchten.
Die Ergebnisse sind exemplarisch, jedoch ganz sicher nicht nur für diese betrachtete RV gültig. Ich bin mir sicher, dass ähnliche Auswertungen in nahezu jeder Organisation ähnliche Tendenzen ergeben werden. Jeder Leser ist gerne dazu aufgerufen dies zu überprüfen:
Die Abbildung 1 kennen wir bereits aus Teil 1 dieses Blogartikels. Es wurden hierbei aber die Platzierungen ALLER Schläge der Größe ihrer Reisemannschaften gegenüber gestellt und jeder Schlag mit einem Punkt dargestellt (detaillierte Erklärung siehe Teil 1). Die von links oben nach rechts unten abfallende Tendenz dieses Punktehaufens deutet wiederum auf den Zusammenhang hin, dass auch in dieser RV die größeren Schläge sich besser platzieren. Doch VORSICHT! Dies alleine bedeutet noch nicht zwingend, dass man daraus ableiten kann, große Schläge hätten einen systematischen Vorteil. Der Blick in Abbildung 2 verdeutlicht warum:
Wenn wir die Reiseleistung ALLER Schläge im Zusammenhang mit ihrer Größe darstellen, erkennen wir, dass in dieser RV tatsächlich die größeren Schläge tendenziell auch die besseren Reiseleistungen erbringen. Der Trend in Abbildung 2 zeigt deutlich von links unten nach rechts oben und belegt damit diesen Zusammenhang. Somit ist eine Erklärung für die bessere Platzierung vieler der größeren Schläge einfach in ihrer tatsächlich auch besseren sportlichen Leistung zu sehen. Und dies sollte man auch auf keinem Fall übersehen!
Jedoch erinnern wir uns, dass wir bei unseren Betrachtungen in Teil 1 nur die besten 8,4% aller Schläge beleuchtet haben und damit eine in ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit vergleichbaren Gruppe. Erst dadurch kann deutlich gezeigt werden, wie sich ein "x-beste"-Modus auswirkt! In den Abbildungen 1 und 2 haben wir jedoch ALLE Schläge der betrachteten RV eingetragen. Es sollte daher nicht überraschen, dass gerade erfolglosere Schläge eventuell auch in Folge der aus der Erfolglosigkeit resultierenden geringeren Motivation weniger Tauben halten. Zudem beenden einige Schläge die Reise vorzeitig, und belegen damit natürlich einen hinteren Platz. Wollen wir also die Folgen eines "x-beste"-Modus beleuchten, müssen wir uns auch hier zunächst einmal auf vergleichbare Schläge beziehen.
Aus diesem Grunde habe ich in Abbildung 3 alle Schläge mit einer überdurchschnittlichen Reiseleistung (mehr als 40%), die zudem alle stattgefundenen Flügen bestritten haben, betrachtet. Dies waren 11 Schläge von insgesamt 43 Schägen, also grob ein Viertel aller Schläge der RV. Aufgrund des schwierigen Reisejahres 2010 mit zwei Hitzewochenenden und einem sehr schweren 600er Flug existieren noch drei weitere Schläge mit einer Reiseleistung von mehr als 40%, die jedoch zwei oder gar drei Flüge nicht beschickten und somit nicht mit in die Betrachtungen aufgenommen werden konnten:
Wie bereits in Abbildung 2 wurden in Abbildung 3 die Reiseleistungen der Schläge in Relation zu den Größen ihrer Reisemannschaften gesetzt. Und ich muß ehrlich zugeben, dass mich die Eindeutigkeit des Ergebnisses selber überrascht hat. Denn selbst hier, bei Betrachtung von nur diesen 11 Schlägen, also einer sehr kleinen Stichprobe zeigt sich das gleiche Ergenis wie bereits in Teil 1 für die leistungsfähigeren Schläge des Regionalverbandes: Es besteht kein Zusammenhang zwischen Reiseleistung und Größe eienes Schlages. Allerdings ist dies auch ein wenig Zufall, denn bei nur 11 Schlägen hätte es durchaus sein können, dass ein leichter Trend in die eine oder andere Richtung hätte erkennbar sein können. Ein einzelner besonders erfolgreicher und gleichzeitig überaus großer oder überaus kleiner Schlag wirkt sich in so einer kleinen Stichprobe halt stärker aus. Insgesamt ist jedoch auch auf RV-Ebene zu erwarten gewesen, dass kein besonders deutlicher Zusammenhang zwischen Größe und Reiseleistung besteht, solange wir prinzipiell vergleichbare Schläge betrachten.
Wenn wir nun diese 11 Schläge wie in Abbildung 4 entsprechend ihrer Platzierungen in der 5-beste-Tauben-Meisterschaft eintragen, so erkennen wir hier einen sehr deutlichen Trend. Wiederum sind die Schläge mit größeren Mannschaften deutlich besser platziert. Die Platzierungen dieser 11 Schläge erstrecken sich von Platz 1 bis 14, da sich unter den ersten 14 Plätzen noch zwei große Schläge befinden, die jedoch unterhalb der betrachteten 40% Marke mit ihrer Reiseleistung lagen (an Platz 15 lag zudem ein Schlag, der nur 10 von 12 Flügen beschickte).
In der Tendenz unserer RV versprich eine um ca. 3 Tauben größere Mannschaft eine um einen Platz bessere Platzierung in dieser 5 beste-Tauben RV-.Pokalmeisterschaft.
Die Verhältnisse sind hier also in der Tendenz völlig identisch mit denen der zuvor betrachteten RegV-Meisterschaft: Selbst eigentlich erfolgreiche Schläge belegen in einer "5-beste-Tauben"-Meisterschaft einen Platz der ganz maßgeblich durch ihre Mannschaftsgröße und nicht nur durch ihre Reiseleistung bestimmt wird!
Da ich immer wieder schreibe, dass ein Satzzahl abhängiger Modus diese Situation deutlich verbessert, ist es nun an der Zeit dies auch zu überprüfen. Für die in Teil 1 betrachteten RegV-Meister war mir eine derartige Auswertung aufgrund fehlender Daten leider nicht möglich. Vor etwa 30 Jahren, entsprachen 5 Zähler etwa einem Fünftel der größeren Reisemannschaften. Ein Modus bei dem je 5 Tauben in der Reisemannschaft ein Zähler gewertet wird, erscheint mir also durchaus eine sinnvolle Anforderung.
Ich habe nun also die Platzierung ermittelt, die jeder Schlag belegt hätte, wenn je angefangener 5 gesetzter Tauben eine Taube als Zähler gewertet worden wäre. Die Ergebnisse für die 15 ersten Plätze zeigt Tabelle 1. "Züchter 1" meint in dieser Tabelle den Züchter, der in der "5-beste-Tauben"-Meisterschaft an Platz 1 lag. Die sich aus der unterschiedlichen Zählerzahl ergebenden Preiszahlen für die Zähler wurden der besseren Vergleichbarkeit halber auf 5 Tauben umgerechnet (normiert):
Zunachst fällt auf, dass die ersten drei Meister trotz des anderen Modus unverändert bleiben. Hier haben sich also auch bereits in der "5-beste-Tauben"-Meisterschaft tatsächlich die besten drei Schläge vorne platziert. Insbesondere Züchter 1 zeigte ein derart überragende Leistung, dass er sich immer noch souverän vom Rest distanzieren konnte. Er brachte zwar mit 70 Tieren eine recht große Reisemannschaft auf dem ersten Flug an den Start, doch diese Mannschaft war in ihrer Breite deutlich besser, als die aller anderen Züchter, was sich auch in der höchsten Reiseleistung widerspiegelt.
An dieser Stelle könnten voreilige Kritiker meiner Argumentation anfügen, dass sich also gar nichts geändert habe. Doch nichts wäre falscher als das. Denn auch hier können Einzelergebniisse nicht als Gegenargument für einen übergreifenden Trend herangezogen werden. Wir müssen auch hier eine größere Menge an Schlägen betrachten. Schauen wir die weiteren Platzierungen in Tabelle 1 an, so wird deutlich, dass sich sogar eine ganze Menge getan hat. Als herausragendes Beispiel sei an dieser Stelle auf den "Züchter 14" verwiesen, der um ganze 9 Plätze bis auf Rang 5 gestiegen ist. Er gehörte mit nur 20 Reisetieren zuvor trotz guter Reiseleistung und etwas Glück mit seinen Zählern zu den Schlägen, die unter ihrer kleinen Größe "litten".
Sehr viel deutlicher wird die grundlegende Änderung durch diesen Satzzahl abhängigen Modus jedoch, wenn wir uns noch einmal die eben betrachteten 11 Schläge entsprechend einer Darstellung wie in Abbildung 4 anschauen:
Die Platzierungen erstrecken sich nun nur noch auf die Ränge 1 bis 11, was entsprechend der Auswahl dieser Schläge (größte Reiseleistung, Teilnahme an allen Flügen) auch ihrer realen Leistung, die ja vor dem Rest der RV liegt, entspricht. Zudem sind zwar die ersten drei Plätze identisch geblieben, aber dennoch ist keine eindeutige Tendenz in Richtung besserer Platzierung durch größeren Reisemannschaften mehr zu erkennen. Der Trend verläuft bei dieser Meisterschaft nun waagerecht. Exakt dies sollte erreicht werden: Vergleichbare Chancen für alle!
Dass dennoch die ersten drei Plätze identisch geblieben sind, ist gut so. Es beweist nur, dass diese Schläge wirklich die Besten waren. Eine Modusänderung soll schließlich nicht zum Ziel haben, die wirklich Besten von der Spitze zu "vertreiben". Es zeigt auch, dass wirklich gute Schläge keine Angst vor der Einführung eines gerechteren Satzzahl abhängigen Modus anstelle eines "x-beste"-Modus haben müssen.
Ein weiterer positiver Effekt eines Satzzahl abhängigen Meisterschafts-Modus sollte noch unbedingt erwähnt werden. Zwar domierte in dieser RV ein Schlag den Wettbewerb, jedoch lagen die Schläge auf den Plätzen 2 bis 11 im "x-beste-Modus" 20% auseinander (48 zu 40 Preise für die Zähler). Im neuen Klassement beträgt die Spanne zwischen den Plätzen 2 und 11 nur noch grob 12% (43,4 zu 38,5 Preise für die Zähler).
Das heißt, dass die Spanne zwischen den platzierten Schlägen infolge eines satzzahlabhängigen Modus im Vergleich zu einem "x-beste-Modus"deutlich kleiner wird, und so die Meisterschaft für eine größere Anzahl von Schlägen noch bis zum Schluss offen ist. Schließlich wird der Abstand zwischen den Schlägen nun nur noch durch die wahren Leistungsunterschiede bestimmt und nicht noch zusätzlich durch die Größenunterschiede der Reisemannschaften verstärkt.
In unserem Beispiel sind die Schläge inklusive des Platzes 11 nun auf Schlagdistanz zum zweiten Platz der Meisterschaft. So etwas motiviert dann auch ganz gewiss einige Schläge mehr, als bisher bis zum Ende der Saison durchzusetzen. So hätten beispielsweise "Züchter 15" und Züchter 20 auf den Plätzen 4 und 5 gelegen, als sie sich entschlossen die Reise nach nur 10 Flügen einzustellen. Ob sie dann auf die letzten Flüge ihre Tauben zu hause gelassen hätten, ist mehr als fraglich.
Doch sogar, wenn wir die Platzierungen aller Schläge der RV im rahmen der Satzzahlabhängigen Meisterschaft betrachten, ist dieses "Zusammenrücken" klar erkennbar. In Abbildung 1 ergab sich ein Trend mit einer Steigung von 1,014. Unter dem neuen Meisterschafts-Modus würde sich diese Tendenz auf 0,5062 abmildern, quasi halbieren. Aber da wir hier alle Schläge der RV betrachten, auch die weniger leistungsfähigen, die in dieser RV wie gesehen auch eher kleinere Reisemannschaften halten (siehe Abbildung 2), liegen nach wie vor viele Schläge mit kleinen Reisemannschaften auf den hinteren Plätzen. Und dies aufgrund ihrer schlechteren sportlichen Leistungen auch recht so. Doch ihr Abstand zur Spitze hat sich reduziert, und es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass dies motivierend auf die betreffenden Züchter wirken kann.
Entgegen der These, dass die Abschaffung der "x-besten-Modi" schädlich für die RVen sein könnte, da eventuell weniger Tauben gesetzt würden, wäre ihr Effekt positiv für die RVen. Denn da das Teilnehmerfeld näher zusammen rückt, werden weniger Züchter vorzeitig entmutigt das Reisen einstellen. Und es ist die Zahl der Züchter, die letztendlich für die Finanzierung des Transportes wesentlich ist, nicht die Zahl der Tauben! Zudem sind Züchter, die realistisch etwas erreichen können auch zufriedener.
Die Wirkungen einer Umstellung werden sich jedoch kaum spontan vollumfänglich zeigen. Jahrzehntelang geübtes Verhalten ist nicht über Nacht vergessen. Doch wie bereits mehrfach geschrieben,. solche eine Maßnahme darf nicht nur ausschließlich aus dem Blickwinkel der aktuellen Züchterschaft betrachtet werden, sondern auch vor dem Hintergrund wie wir unseren Sport für potentielle Interessenten gestalten wollen.
Dienstag, 30. November 2010
Sonntag, 28. November 2010
Think big
Wer bereits einmal Maschinen, Haushaltsgeräte oder Autos aus den USA mit Europäsichen Modellen verglichen hat, versteht sehr schnell, warum die von mir gewählte Überschrift (frei übersetzt "denke im großen Maßstab") dieses Blog-Beitrags nur aus Armerika stammen konnte.
Betrachten wir die Entwicklung der Größe der unserer Winterbestände an Brieftauben, so könnte man annehmen wir hätten uns die Amerikaner zum Vorbild gemacht. Während 1982 die durchschnittliche Bestandsgrößen im Raum Dortmund noch bei etwa 44 Tieren lag (Quelle: "Leben mit Brieftauben", S.226, Westfalen Verlag), so übersteigen heute bereits nur die Reisemannschaften vieler Züchter diese Zahl. Nicht zur Mannschaft gehörige Weibchen und Zuchttauben sind dabei noch gar nicht mitgezählt. Vermutlich liegt eine mittlere Bestandgröße heute etwa doppelt so hoch, wie noch vor dreißig Jahren, wobei insbesondere die Anzahl der sehr großen Bestände zugenommen hat.
Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Entwicklung an sich auch kein Problem darstellt, solange jeder Züchter und jeder der es werden möchte, frei entscheiden kann, wie groß sein eigener Bestand sein soll und er damit glücklich und zufrieden im Taubensport werden kann. Denn dann wird dieser Züchter dem Sport zumindest schon einmal nicht nicht aus diesem Grunde verloren gehen.
Es ist ofmals so, dass viele Züchter (und insbesondere potentielle Interessenten für unser Hobby!) einen großen Bestand gar nicht halten könnten, selbst wenn sie es wollten. Dabei ist noch nicht einmal die Limitation durch die finanziellen Möglichkeiten an erster Stelle zu nennen. Gerade für Personen, die nicht auf dem Lande wohnen (und dies sind 85% der deutschen Bevölkerung!), sind die räumlichen Gegegebenheiten oft begrenzt und in gemischten Wohngebieten liegt die von den meisten Gemeinden zugestandene Bestandsgröße bei nur 50 Tieren! Auch ältere Sportfreunde haben irgendwann nicht mehr die Kraft und gesundheitliche Leistungsfähigkeit einen großen Bestand zu versorgen und müssen ihre Bestandsgröße in Folge dieser Umstände reduzieren.
Als ich am letzten Wochenende an einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des deutschen Brieftaubensportes teilnahm, äußerte sich ein Mitglied der Sportkommission des Verbandes mit Bezug auf die aktuellen Vorschläge zur diesjährigen Mitgliederversammlung dahingehend, dass man gerne Satzzahlbegrenzungen in die Meisterschaftsausschreibungen aufgenommen hätte, um in Zukunft auch kleineren Beständen wieder mehr den Weg zu ebnen. Dies habe sich jedoch nach Prüfung des rechtlichen Rahmens nicht umsetzen lassen.
Ich persönlich war über diesen gesamten Gedankengang irritert. Wenn man den stetig wachsenden Bestandsgrößen entgegenwirken will, um den Taubensport für eine breite Masse an Interessenten attraktiv zu halten, wäre aus meiner Sicht zunächst der Blick auf die Ursachen dieses Wachstums angesagt. Beseitigt man die treibenden Kräfte hinter dieser Entwicklung, erreicht man sehr viel mehr und dies vor allem nachhaltiger. Ein Diktat der Bestandsgrößen durch den Verband und damit ein massiver Eingriff in die züchterische Freiheit wäre dabei gar nicht nötig.
Wer öfters liest, was ich so schreibe, weiß natürlich worauf ich hinaus will: Bei allen Meisterschaften, die die x besten Tauben ohne Bezug zur Mannschaftsgröße eines Züchters zur Bedingung haben, führt ein größerer Reisebestand zu spürbar besseren Chancen, so eine Meisterschaft erringen zu können! Und da die allermeisten Meisterschaften in den Rven, den Fluggemeinschaften und sogar in den Regionalverbänden immer noch nach diesem Muster gestrickt sind, haben sie einen massiven Einfluss auf die oben genannte Entwicklung gehabt, denn es sind genau diese Meisterschaften, die realistisch von jedem Züchter als Ziel anvisiert werden können, und nicht die Verbandsmeisterschaft.
Heute möchte ich diese immer wieder von mir vorgetragene These anhand konkreter Zahlen stützen. Denn immer noch sind in Gesprächen und Diskussionen zu dieser Fragestellung Argumente zu hören, wie "Man kann auch mit wenig Tauben Meister werden. Bei uns ist der Züchter XY mit ganz wenig Tauben immer mit vorne dabei.", "Es sind doch ohnehin immer die Gleichen vorne, da ändert doch der Meisterschaftsmodus nichts dran." Bei solchen Diskussionen wird jedoch immer wieder vergessen, dass man nicht mit Einzelfällen gegen eine allgemeine Tendenz argumentieren kann.
Man muss statt dessen einmal eine große Zahl von Züchtern im Umfeld einer "x besten Meisterschaft" betrachten, um den Effekt eines solchen Meisterschaftsmodus zu verdeutlichen. In meinem Regionalverband hatten wir in diesem Jahr sieben Regionalflüge aus deren Ergebnissen über einen "fünf-beste-Tauben"-Modus ein Regionalverbands-Meister ermittelt wurde. Legen wir die Zahlen des ersten Regionalfluges zugrunde, standen hierbei 630 reisende Schläge mit 18.179 Tauben zu Beginn miteinander im Wettbewerb. Diese Datenbasis ist mehr als nur ausreichend, um statistisch belastbare Aussagen zu treffen. Die abgeleiteten Aussagen gelten daher UNEINGESCHRÄNKT auch für kleinere Organisationen, selbst wenn dort eine derartige Auswertung wegen einer sehr viel kleineren statistischen Stichprobe einmal eine weniger eindeutige Aussage ergeben sollte.
Zur Auswertung habe ich die bestplatzierten 53 Züchter in dieser Regionalverbandsmeisterschaft betrachtet, und somit nur die besten 8,4% aller Züchter des gesamten Regionalverbandes. Dies alles sind also Züchter, bei denen wir annehmen können, dass sie mit Tauben umgehen können, dass sie allesamt nicht zu den schlechten Versorgern gehören, dass sie allesamt fitte Tauben zum Einsatz gebracht haben und dass sie allesamt auch ausreichend gute Tauben auf dem Schlag haben, um sich gut zu platzieren.
Nun haben diese besten Schläge des Regionalverbandes sich natürlich dennoch unterschiedlich in der Regionalverbandsmeisterschaft platziert. Und sicher wird ein Grund dafür darin bestehen, dass es auch unter den Guten immer noch Bessere gibt. Auch mag der eine Züchter mehr Glück mit seinen Zählern gehabt haben, als der andere Züchter. Und so finden wir unter diesen bestplatzierten Züchtern eine gewisse Streuung in der von ihnen auf den Regionalflügen erbrachten Reiseleistung. Interessant ist dabei jedoch die Feststellung, dass die erbrachte Reiseleistung keinerlei Abhängigkeit zur Größe der Reisemannschaft zeigt
Dies zeigt Abbildung 1 (zum Vergrößern anclicken). Hier wurden die erbrachten Reiseleistungen den Mannschaftsgrößen gegenübergestellt und jeder Schlag mit einem Punkt eintragen. Für Schläge mit einer großen Mannschaft liegt ihr Punkt weiter rechts im Diagramm. Bei Schlägen mit kleinerer Reiseleistung liegt der Punkt dann weiter unten. Hätte nun ein Zusammenhang zwischen der Reiseleistung und der Größe der Mannschaft bestanden, beispielsweise in der Form, dass größere Schläge auch besser reisen, so hätten die eingezeichneten Punkte in der Tendenz von links unten nach rechts oben ansteigen müssen. Sie tun es aber, wie leicht ersichtlich ist, nicht und bilden statt dessen einen Punktehaufen ohne ansteigende oder abfallende Tendenz.
(für Interessierte: die eingezeichnete Linie ist der Trend dem diese Punkte folgen, er wurde mit Hilfe der anerkannten statistischen Methode der linearen Regression berechnet, die erhaltene Geradengleichung ist ebenfalls abgebildet).
In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine große Reisemannschaft keine bessere Reiseleistung bringt! Eine Feststellung die auch nicht überrascht, aber dennoch wichtig ist, in diesem Zusammenhang festgestellt zu werden. Warum? Das, werden wir sehen, wenn wir Abbildung 2 näher betrachten:
Hier wurde der Platzierung eines Schlages in der Meisterschaft seine jeweilige Mannschaftsgröße gegenüber gestellt. Der Punkt für größere Schläge liegt hierbei weiter oben, und für Schläge mit einer besseren Platzierung weiter links (dort befindet sich Platz 1 in der Meisterschaft). Wenn nun die Mannschaftsgröße keine Auswirkungen auf die Platzierung in dieser "5-Besten"-Meisterschaft hätte, dürften die Punkte in diesem Diagramm keine Tendenz anzeigen, ihre Trendlinie müßte waagerecht verlaufen.
Es ist jedoch bereits mit bloßem Auge deutlich zu erkennen, dass sich die Punkte von "links oben" nach "rechts unten" bewegen. Diese Tendenz bedeutet ganz konkret: je größer hier eine Mannschaft ist, desto besser ist sie im Schnitt auch in der aktuellen "5-Besten" Regionalverbands-Meisterschaft platziert!
(Der Trendlinie zufolge bedeutet eine um ein Tier größere Mannschaft im Schnitt etwa eine um zwei Plätze bessere Platzierung in dieser Meisterschaft (2 x 0,49 = ca 1))
Da wir aber in Abbildung 1 gesehen haben, dass über die hier betrachteten Schläge nicht behauptet werden kann, dass die größeren Mannschaften auch die besseren Reiseleistungen erzielten und somit sportlich überlegen gewesen wären, bedeutet dies in der direkten Konsequenz: Die besseren Platzierungen der Schläge mit größeren Mannschaften gehen hier im Schnitt NICHT auf eine bessere sportliche Leistung zurück, sondern allein auf die größere Mannschaft!
Natürlich finden wir auch hier Einzelschläge, die sich trotz kleinerer Mannschaft sehr gut platzieren konnten, doch zeigt die eindeutige Tendenz in Abbildung 2, dass diese "Ausreißer" absolut nicht dazu geeignet sind, zu behaupten, große Bestände hätten keinen systematischen Vorteil bei den "x-besten"-Meisterschaftsmodi.
Im Gegenteil: Betrachten wir beispielsweise den Viertplatzierten im Regionalverband, so erbrachte er mit 59% die mit Abstand höchste Reiseleistung der hier betrachteten Schläge auf den Regionalflügen, hatte aber aufgrund seiner geringen Mannschaftsgröße von nur 22 Tauben dennoch keine Chance den verdienten ersten Platz zu belegen, denn die vor ihm Platzierten brachten 61, 96 und 65 Tiere an den Start. Es hat somit hier noch nicht einmal der Beste gewonnen, und eine Änderung des Meisterschaftsmodus beispielsweise in einen Modus, bei dem die Satzzahl in Anrechnung gebracht würde, hätte diese Liste der Sieger deutlich verändert!
Noch deutlicher wird der systematische Vorteil einer großen Satzzahl bei den "x-beste-Modi", wenn wir die mittlere Mannschaftsgröße der Plätze 1 bis 10, 11 bis 20, 21 bis 30, und so fort in ein Diagramm eintragen (Abbildung 3), da hierdurch die Streuung des Einzelfalles nicht mehr so stark ins Gewicht fällt, aber die Tendenz durch diese Mittelung von jeweils zehn platzierten Schlägen nicht verfälscht wird:
Wenn wir uns nun noch die absoluten Zahlen der Mannschaftsgrößen dieser bestplatzierten 8,4% des Regionalverbandes anschauen und sie mit dem Mittel aller Züchter im Regionalverband vergleichen, sollte hoffentlich auch der letzte Verfechter dieser Modi eingestehen müssen, wie deutlich sich der systematische Vorteil einer größeren Mannschaft auf die Platzierung auswirkt.
Im Regionalverband traten 18.179 Tauben von 630 Schlägen gegeneinander an, somit betrug die mittlere Mannschaftsgröße über alle Schläge nur 28,9 Tauben. Die mittlere Mannschaftsgröße der hier betrachteten bestplatzierten Schläge betrug hingegen 54,2 Tauben, war also fast doppelt so groß!
Nur ganze 6 Züchter mit weniger als diesen 28,9 Tauben schafften es unter die besten 53, ein weiterer Züchter hatte genau 29 Tauben in der Mannschaft aber 46 Züchter der 53 Bestplatzierten lagen mit ihren Mannschaften (meist sogar deutlich) über der mittleren Größe der Mannschaften im Regionalverband.
Ich hoffe es wird nun niemand ernsthaft behaupten wollen, dass es in der Gruppe der Züchter mit Mannschaften von 20 bis 30 Tauben, die einen großen Anteil der 630 Züchter in diesem Regionalverband stellen, halt nur sieben Züchter existieren, die wirklich gut sind! Es gewinnt hier die Größe über die sportliche Leistung und dieser Zusammenhang ist eindeutig, er ist bedeutend und er ist NICHT wegzudiskutieren!
Und natürlich wissen die Züchter schon längst um all diese Zusammenhänge, denn genau dies stellte eben den wesentlichen Motor dar, der zum Wachstum der Bestände in den letzten dreißig Jahren geführt hat! Jeder motivierte Züchter wird in einem System, in dem solche Meisterschaften existieren, irgendwann mit der Frage konfrontiert, ob er realistische Chancen auf die vorderen Plätze haben will und deshalb seinen Bestand aufstocken muß, oder nicht!
Ein Züchter hat also in einem System wo "x-beste-Modi" den Ton angeben gar keine freie Wahl seiner Bestandsgröße! Und wenn er äußeren Restriktionen unterworfen ist, die eine Ausweitung seines Bestandes verhindern, könnte er noch nicht einmal eine Bestandsvergrößerung vornehmen, selbst wenn er es wollte! Er müßte also seine systematische Benachteiligung akzeptieren, seinen Traum einer Top-Platzierung begraben oder sich eben von diesem Hobby abwenden (bzw. erst gar nicht beginnen!).
# JEDE Organisation, egal ob RV, FG oder RegV, die "x-beste-Modi" für ihre wichtigen Auszeichnungen und Meisterschaften beibehält, setzt einen starken Anreiz zu größeren Beständen!
# JEDE dieser Organisationen handelt sportlich unfair gegenüber den Züchtern, die gerne einen kleineren Bestand halten möchten oder gar keinen größeren Bestand halten können, da diesen systematisch schlechtere Chancen eingeräumt werden, die sich nicht an der wahren sportlichen Leistung orientieren. Unter diesen Modi gewinnt eben NICHT immer der bessere, sondern manchmal auch einfach nur der Größere!
# JEDE Organisation könnte selbsttätig, ohne dass der Verband hier in der Verantwortung stünde, handeln und die Situation durch ABSCHAFFUNG aller dieser Modi verbessern. Jede Versammlung bietet dazu eine Gelegenheit. Und sollten manche Anträge an die MV in diesem Jahr durchgehen, so müßten vor Beginn der neuen Saison ohnehin auf RegV-Ebene Meisterschaften beschlossen werden (siehe RegV-Meisterschaft des Verbandes, Antrag IV (7)). Alternativen zu den "x-beste-Modi" gibt es genug, von satzzahlabhängigen Zählersystemen, über eine Begrenzung der Tauben die nur als Zähler in Frage kommen, bis hin zu Vorbenannten-Meisterschaften.
Natürlich rettet die Abschaffung der "x-beste-Modi" alleine nicht den deutschen Taubensport. Sie stellt jedoch einen wichtigen Mosaikstein zur Verbesserung der Situation dar, damit auch kleine Bestände nicht länger systematisch benachteiligt werden, und es sich somit wieder lohnt auch Taubensport im kleinen Rahmen zu betreiben mit der Perspektive auf Top-Platzierungen. Denn Taubensport ist auch Wettbewerb. Wem es nur um die Taubenhaltung geht, könnte ja sonst ebenso gut auch Rassetauben halten (es sei an dieser Stelle beiläufig erwähnt, dass die Zahl der Rassetaubenzüchter über viele der letzten dreißig Jahren angestiegen ist und nun auf hohem Niveau derzeit deutlich langsamer schrumpft als die der Brieftaubenzüchter).
In einem zweiten Teil zu diesem Thema werde ich in Kürze über die konkrete Auswirkung der Meisterschaften und ihrer Änderung auf RV Ebene schreiben.
Betrachten wir die Entwicklung der Größe der unserer Winterbestände an Brieftauben, so könnte man annehmen wir hätten uns die Amerikaner zum Vorbild gemacht. Während 1982 die durchschnittliche Bestandsgrößen im Raum Dortmund noch bei etwa 44 Tieren lag (Quelle: "Leben mit Brieftauben", S.226, Westfalen Verlag), so übersteigen heute bereits nur die Reisemannschaften vieler Züchter diese Zahl. Nicht zur Mannschaft gehörige Weibchen und Zuchttauben sind dabei noch gar nicht mitgezählt. Vermutlich liegt eine mittlere Bestandgröße heute etwa doppelt so hoch, wie noch vor dreißig Jahren, wobei insbesondere die Anzahl der sehr großen Bestände zugenommen hat.
Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Entwicklung an sich auch kein Problem darstellt, solange jeder Züchter und jeder der es werden möchte, frei entscheiden kann, wie groß sein eigener Bestand sein soll und er damit glücklich und zufrieden im Taubensport werden kann. Denn dann wird dieser Züchter dem Sport zumindest schon einmal nicht nicht aus diesem Grunde verloren gehen.
Es ist ofmals so, dass viele Züchter (und insbesondere potentielle Interessenten für unser Hobby!) einen großen Bestand gar nicht halten könnten, selbst wenn sie es wollten. Dabei ist noch nicht einmal die Limitation durch die finanziellen Möglichkeiten an erster Stelle zu nennen. Gerade für Personen, die nicht auf dem Lande wohnen (und dies sind 85% der deutschen Bevölkerung!), sind die räumlichen Gegegebenheiten oft begrenzt und in gemischten Wohngebieten liegt die von den meisten Gemeinden zugestandene Bestandsgröße bei nur 50 Tieren! Auch ältere Sportfreunde haben irgendwann nicht mehr die Kraft und gesundheitliche Leistungsfähigkeit einen großen Bestand zu versorgen und müssen ihre Bestandsgröße in Folge dieser Umstände reduzieren.
Als ich am letzten Wochenende an einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des deutschen Brieftaubensportes teilnahm, äußerte sich ein Mitglied der Sportkommission des Verbandes mit Bezug auf die aktuellen Vorschläge zur diesjährigen Mitgliederversammlung dahingehend, dass man gerne Satzzahlbegrenzungen in die Meisterschaftsausschreibungen aufgenommen hätte, um in Zukunft auch kleineren Beständen wieder mehr den Weg zu ebnen. Dies habe sich jedoch nach Prüfung des rechtlichen Rahmens nicht umsetzen lassen.
Ich persönlich war über diesen gesamten Gedankengang irritert. Wenn man den stetig wachsenden Bestandsgrößen entgegenwirken will, um den Taubensport für eine breite Masse an Interessenten attraktiv zu halten, wäre aus meiner Sicht zunächst der Blick auf die Ursachen dieses Wachstums angesagt. Beseitigt man die treibenden Kräfte hinter dieser Entwicklung, erreicht man sehr viel mehr und dies vor allem nachhaltiger. Ein Diktat der Bestandsgrößen durch den Verband und damit ein massiver Eingriff in die züchterische Freiheit wäre dabei gar nicht nötig.
Wer öfters liest, was ich so schreibe, weiß natürlich worauf ich hinaus will: Bei allen Meisterschaften, die die x besten Tauben ohne Bezug zur Mannschaftsgröße eines Züchters zur Bedingung haben, führt ein größerer Reisebestand zu spürbar besseren Chancen, so eine Meisterschaft erringen zu können! Und da die allermeisten Meisterschaften in den Rven, den Fluggemeinschaften und sogar in den Regionalverbänden immer noch nach diesem Muster gestrickt sind, haben sie einen massiven Einfluss auf die oben genannte Entwicklung gehabt, denn es sind genau diese Meisterschaften, die realistisch von jedem Züchter als Ziel anvisiert werden können, und nicht die Verbandsmeisterschaft.
Heute möchte ich diese immer wieder von mir vorgetragene These anhand konkreter Zahlen stützen. Denn immer noch sind in Gesprächen und Diskussionen zu dieser Fragestellung Argumente zu hören, wie "Man kann auch mit wenig Tauben Meister werden. Bei uns ist der Züchter XY mit ganz wenig Tauben immer mit vorne dabei.", "Es sind doch ohnehin immer die Gleichen vorne, da ändert doch der Meisterschaftsmodus nichts dran." Bei solchen Diskussionen wird jedoch immer wieder vergessen, dass man nicht mit Einzelfällen gegen eine allgemeine Tendenz argumentieren kann.
Man muss statt dessen einmal eine große Zahl von Züchtern im Umfeld einer "x besten Meisterschaft" betrachten, um den Effekt eines solchen Meisterschaftsmodus zu verdeutlichen. In meinem Regionalverband hatten wir in diesem Jahr sieben Regionalflüge aus deren Ergebnissen über einen "fünf-beste-Tauben"-Modus ein Regionalverbands-Meister ermittelt wurde. Legen wir die Zahlen des ersten Regionalfluges zugrunde, standen hierbei 630 reisende Schläge mit 18.179 Tauben zu Beginn miteinander im Wettbewerb. Diese Datenbasis ist mehr als nur ausreichend, um statistisch belastbare Aussagen zu treffen. Die abgeleiteten Aussagen gelten daher UNEINGESCHRÄNKT auch für kleinere Organisationen, selbst wenn dort eine derartige Auswertung wegen einer sehr viel kleineren statistischen Stichprobe einmal eine weniger eindeutige Aussage ergeben sollte.
Zur Auswertung habe ich die bestplatzierten 53 Züchter in dieser Regionalverbandsmeisterschaft betrachtet, und somit nur die besten 8,4% aller Züchter des gesamten Regionalverbandes. Dies alles sind also Züchter, bei denen wir annehmen können, dass sie mit Tauben umgehen können, dass sie allesamt nicht zu den schlechten Versorgern gehören, dass sie allesamt fitte Tauben zum Einsatz gebracht haben und dass sie allesamt auch ausreichend gute Tauben auf dem Schlag haben, um sich gut zu platzieren.
Nun haben diese besten Schläge des Regionalverbandes sich natürlich dennoch unterschiedlich in der Regionalverbandsmeisterschaft platziert. Und sicher wird ein Grund dafür darin bestehen, dass es auch unter den Guten immer noch Bessere gibt. Auch mag der eine Züchter mehr Glück mit seinen Zählern gehabt haben, als der andere Züchter. Und so finden wir unter diesen bestplatzierten Züchtern eine gewisse Streuung in der von ihnen auf den Regionalflügen erbrachten Reiseleistung. Interessant ist dabei jedoch die Feststellung, dass die erbrachte Reiseleistung keinerlei Abhängigkeit zur Größe der Reisemannschaft zeigt
Dies zeigt Abbildung 1 (zum Vergrößern anclicken). Hier wurden die erbrachten Reiseleistungen den Mannschaftsgrößen gegenübergestellt und jeder Schlag mit einem Punkt eintragen. Für Schläge mit einer großen Mannschaft liegt ihr Punkt weiter rechts im Diagramm. Bei Schlägen mit kleinerer Reiseleistung liegt der Punkt dann weiter unten. Hätte nun ein Zusammenhang zwischen der Reiseleistung und der Größe der Mannschaft bestanden, beispielsweise in der Form, dass größere Schläge auch besser reisen, so hätten die eingezeichneten Punkte in der Tendenz von links unten nach rechts oben ansteigen müssen. Sie tun es aber, wie leicht ersichtlich ist, nicht und bilden statt dessen einen Punktehaufen ohne ansteigende oder abfallende Tendenz.
(für Interessierte: die eingezeichnete Linie ist der Trend dem diese Punkte folgen, er wurde mit Hilfe der anerkannten statistischen Methode der linearen Regression berechnet, die erhaltene Geradengleichung ist ebenfalls abgebildet).
In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine große Reisemannschaft keine bessere Reiseleistung bringt! Eine Feststellung die auch nicht überrascht, aber dennoch wichtig ist, in diesem Zusammenhang festgestellt zu werden. Warum? Das, werden wir sehen, wenn wir Abbildung 2 näher betrachten:
Hier wurde der Platzierung eines Schlages in der Meisterschaft seine jeweilige Mannschaftsgröße gegenüber gestellt. Der Punkt für größere Schläge liegt hierbei weiter oben, und für Schläge mit einer besseren Platzierung weiter links (dort befindet sich Platz 1 in der Meisterschaft). Wenn nun die Mannschaftsgröße keine Auswirkungen auf die Platzierung in dieser "5-Besten"-Meisterschaft hätte, dürften die Punkte in diesem Diagramm keine Tendenz anzeigen, ihre Trendlinie müßte waagerecht verlaufen.
Es ist jedoch bereits mit bloßem Auge deutlich zu erkennen, dass sich die Punkte von "links oben" nach "rechts unten" bewegen. Diese Tendenz bedeutet ganz konkret: je größer hier eine Mannschaft ist, desto besser ist sie im Schnitt auch in der aktuellen "5-Besten" Regionalverbands-Meisterschaft platziert!
(Der Trendlinie zufolge bedeutet eine um ein Tier größere Mannschaft im Schnitt etwa eine um zwei Plätze bessere Platzierung in dieser Meisterschaft (2 x 0,49 = ca 1))
Da wir aber in Abbildung 1 gesehen haben, dass über die hier betrachteten Schläge nicht behauptet werden kann, dass die größeren Mannschaften auch die besseren Reiseleistungen erzielten und somit sportlich überlegen gewesen wären, bedeutet dies in der direkten Konsequenz: Die besseren Platzierungen der Schläge mit größeren Mannschaften gehen hier im Schnitt NICHT auf eine bessere sportliche Leistung zurück, sondern allein auf die größere Mannschaft!
Natürlich finden wir auch hier Einzelschläge, die sich trotz kleinerer Mannschaft sehr gut platzieren konnten, doch zeigt die eindeutige Tendenz in Abbildung 2, dass diese "Ausreißer" absolut nicht dazu geeignet sind, zu behaupten, große Bestände hätten keinen systematischen Vorteil bei den "x-besten"-Meisterschaftsmodi.
Im Gegenteil: Betrachten wir beispielsweise den Viertplatzierten im Regionalverband, so erbrachte er mit 59% die mit Abstand höchste Reiseleistung der hier betrachteten Schläge auf den Regionalflügen, hatte aber aufgrund seiner geringen Mannschaftsgröße von nur 22 Tauben dennoch keine Chance den verdienten ersten Platz zu belegen, denn die vor ihm Platzierten brachten 61, 96 und 65 Tiere an den Start. Es hat somit hier noch nicht einmal der Beste gewonnen, und eine Änderung des Meisterschaftsmodus beispielsweise in einen Modus, bei dem die Satzzahl in Anrechnung gebracht würde, hätte diese Liste der Sieger deutlich verändert!
Noch deutlicher wird der systematische Vorteil einer großen Satzzahl bei den "x-beste-Modi", wenn wir die mittlere Mannschaftsgröße der Plätze 1 bis 10, 11 bis 20, 21 bis 30, und so fort in ein Diagramm eintragen (Abbildung 3), da hierdurch die Streuung des Einzelfalles nicht mehr so stark ins Gewicht fällt, aber die Tendenz durch diese Mittelung von jeweils zehn platzierten Schlägen nicht verfälscht wird:
Wenn wir uns nun noch die absoluten Zahlen der Mannschaftsgrößen dieser bestplatzierten 8,4% des Regionalverbandes anschauen und sie mit dem Mittel aller Züchter im Regionalverband vergleichen, sollte hoffentlich auch der letzte Verfechter dieser Modi eingestehen müssen, wie deutlich sich der systematische Vorteil einer größeren Mannschaft auf die Platzierung auswirkt.
Im Regionalverband traten 18.179 Tauben von 630 Schlägen gegeneinander an, somit betrug die mittlere Mannschaftsgröße über alle Schläge nur 28,9 Tauben. Die mittlere Mannschaftsgröße der hier betrachteten bestplatzierten Schläge betrug hingegen 54,2 Tauben, war also fast doppelt so groß!
Nur ganze 6 Züchter mit weniger als diesen 28,9 Tauben schafften es unter die besten 53, ein weiterer Züchter hatte genau 29 Tauben in der Mannschaft aber 46 Züchter der 53 Bestplatzierten lagen mit ihren Mannschaften (meist sogar deutlich) über der mittleren Größe der Mannschaften im Regionalverband.
Ich hoffe es wird nun niemand ernsthaft behaupten wollen, dass es in der Gruppe der Züchter mit Mannschaften von 20 bis 30 Tauben, die einen großen Anteil der 630 Züchter in diesem Regionalverband stellen, halt nur sieben Züchter existieren, die wirklich gut sind! Es gewinnt hier die Größe über die sportliche Leistung und dieser Zusammenhang ist eindeutig, er ist bedeutend und er ist NICHT wegzudiskutieren!
Und natürlich wissen die Züchter schon längst um all diese Zusammenhänge, denn genau dies stellte eben den wesentlichen Motor dar, der zum Wachstum der Bestände in den letzten dreißig Jahren geführt hat! Jeder motivierte Züchter wird in einem System, in dem solche Meisterschaften existieren, irgendwann mit der Frage konfrontiert, ob er realistische Chancen auf die vorderen Plätze haben will und deshalb seinen Bestand aufstocken muß, oder nicht!
Ein Züchter hat also in einem System wo "x-beste-Modi" den Ton angeben gar keine freie Wahl seiner Bestandsgröße! Und wenn er äußeren Restriktionen unterworfen ist, die eine Ausweitung seines Bestandes verhindern, könnte er noch nicht einmal eine Bestandsvergrößerung vornehmen, selbst wenn er es wollte! Er müßte also seine systematische Benachteiligung akzeptieren, seinen Traum einer Top-Platzierung begraben oder sich eben von diesem Hobby abwenden (bzw. erst gar nicht beginnen!).
# JEDE Organisation, egal ob RV, FG oder RegV, die "x-beste-Modi" für ihre wichtigen Auszeichnungen und Meisterschaften beibehält, setzt einen starken Anreiz zu größeren Beständen!
# JEDE dieser Organisationen handelt sportlich unfair gegenüber den Züchtern, die gerne einen kleineren Bestand halten möchten oder gar keinen größeren Bestand halten können, da diesen systematisch schlechtere Chancen eingeräumt werden, die sich nicht an der wahren sportlichen Leistung orientieren. Unter diesen Modi gewinnt eben NICHT immer der bessere, sondern manchmal auch einfach nur der Größere!
# JEDE Organisation könnte selbsttätig, ohne dass der Verband hier in der Verantwortung stünde, handeln und die Situation durch ABSCHAFFUNG aller dieser Modi verbessern. Jede Versammlung bietet dazu eine Gelegenheit. Und sollten manche Anträge an die MV in diesem Jahr durchgehen, so müßten vor Beginn der neuen Saison ohnehin auf RegV-Ebene Meisterschaften beschlossen werden (siehe RegV-Meisterschaft des Verbandes, Antrag IV (7)). Alternativen zu den "x-beste-Modi" gibt es genug, von satzzahlabhängigen Zählersystemen, über eine Begrenzung der Tauben die nur als Zähler in Frage kommen, bis hin zu Vorbenannten-Meisterschaften.
Natürlich rettet die Abschaffung der "x-beste-Modi" alleine nicht den deutschen Taubensport. Sie stellt jedoch einen wichtigen Mosaikstein zur Verbesserung der Situation dar, damit auch kleine Bestände nicht länger systematisch benachteiligt werden, und es sich somit wieder lohnt auch Taubensport im kleinen Rahmen zu betreiben mit der Perspektive auf Top-Platzierungen. Denn Taubensport ist auch Wettbewerb. Wem es nur um die Taubenhaltung geht, könnte ja sonst ebenso gut auch Rassetauben halten (es sei an dieser Stelle beiläufig erwähnt, dass die Zahl der Rassetaubenzüchter über viele der letzten dreißig Jahren angestiegen ist und nun auf hohem Niveau derzeit deutlich langsamer schrumpft als die der Brieftaubenzüchter).
In einem zweiten Teil zu diesem Thema werde ich in Kürze über die konkrete Auswirkung der Meisterschaften und ihrer Änderung auf RV Ebene schreiben.
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